21.11.2024
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Dokument-Nr. 31801

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Bundesverwaltungsgericht Urteil24.05.2022

Protestcamps - hier: Klimacamp - sind laut Bundes­verwaltungs­gericht als Versammlungen durch das Grundrecht der Versammlungs­freiheit geschützt"Klimacamp 2017" im Rheinland unterfiel mit Infrastruktur­einrichtungen der Versammlungs­freiheit

Das "Klimacamp 2017" im Rheinland war eine durch Art. 8 GG geschützte Versammlung. Das Polizei­prä­sidium Aachen als Versamm­lungs­behörde hat sich zu Unrecht darauf berufen, dass ein als Übernach­tungs­fläche mit Zelten und Sanitär­einrichtungen genutztes Feld von dem Anwen­dungs­bereich des Art. 8 GG und des Bunde­sversammlungs­gesetzes (VersammlG) ausgenommen gewesen sei. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden und in diesem Zusammenhang Maßgaben für den Schutz von sog. Protestcamps durch das Grundrecht der Versammlungs­freiheit entwickelt.

Die Klägerin meldete das Klimacamp für die Dauer von elf Tagen im August 2017 als öffentliche Versammlung unter freiem Himmel bei dem Polizei­prä­sidium Aachen an. Das Polizei­prä­sidium wies der Klägerin in Form einer auf § 15 Abs. 1 VersammlG gestützten Ortsauflage eine von der Klägerin gemietete Fläche und einen dieser Fläche benachbarten Sportplatz in Erkelenz als Versamm­lungs­flächen zu. Auf dem Sportplatz dürften Versamm­lungs­teil­nehmer ihre Übernach­tungszelte errichten.

Polizei­prä­sidium lehnte weitere Fläche als Versamm­lungs­fläche ab

Mit einer nach Beginn des Camps erlassenen weiteren Verfügung lehnte das Polizei­prä­sidium ein 800 Meter entferntes Feld, das die Klägerin gemietet hatte und das als weitere Fläche für Übernach­tungszelte von Versamm­lungs­teil­nehmern und für Sanitä­r­ein­rich­tungen genutzt wurde, als Versamm­lungs­fläche ab.

BVerwG: Auch weiteres Feld vom Schutz durch Art. 8 GG umfasst

Die Klägerin hat Klage auf Feststellung erhoben, dass das genannte Feld als Übernach­tungs­fläche von dem versamm­lungs­ge­setzlich ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG umfasst gewesen sei. Das Verwal­tungs­gericht Aachen hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberver­wal­tungs­gericht Münster die begehrte Feststellung getroffen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die auf die Wieder­her­stellung des erstin­sta­nz­lichen Urteils gerichtete Revision des Landes Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen.

Auf öffentliche Meinungsbildung gerichteter kommunikativer Zweck erforderlich

Auf eine gewisse Dauer angelegte Protestcamps wie das in Rede stehende Klimacamp sind als Versammlungen durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt, wenn sich aus der Gesamt­kon­zeption des Veranstalters nach objektivem Verständnis ein auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteter kommunikativer Zweck ergibt. Es obliegt dem Veranstalter, den Meinungs­kund­ga­bezweck für die gesamte Dauer der Veranstaltung zu substantiieren.

OVG hat den Versamm­lung­s­cha­rakter zu Recht bejaht

Je länger eine solche Versammlung dauern soll, desto höheres Gewicht erlangen Rechte Dritter und öffentliche Belange, die durch das Camp beeinträchtigt werden können. Die Versamm­lungs­behörde kann dem dadurch Rechnung tragen, dass sie auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 VersammlG insbesondere dessen Dauer in angemessener Weise unter Berück­sich­tigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beschränkt. Nach diesen Maßgaben hat das Oberver­wal­tungs­gericht den Versamm­lung­s­cha­rakter des hier in Rede stehenden, nach dem Gesamtkonzept auf die durchgehende Praktizierung einer umwelt­ver­träg­lichen Art des Zusammenlebens gerichteten und auf eine Dauer von elf Tagen bemessenen Klimacamps zu Recht bejaht.

Erforderliche infra­s­truk­turelle Einrichtungen auch geschützt

Infra­s­truk­turelle Einrichtungen eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfallen dem unmittelbaren Schutz durch Art. 8 GG, wenn sie entweder einen inhaltlichen Bezug zur bezweckten Meinungs­kundgabe der Versammlung aufweisen oder für die konkrete Veranstaltung logistisch erforderlich sind und zu ihr in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang stehen. Auch diesem Maßstab genügt die Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts. Es hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass das Klimacamp ohne die genannten Infra­s­truk­tu­r­ein­rich­tungen nicht hätte durchgeführt werden können und die Veran­stal­tungs­fläche sowie die Übernach­tungs­flächen auf dem Sportplatz und dem hier umstrittenen, 800 Meter entfernten Feld eine räumliche Einheit gebildet haben.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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