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Bundesverwaltungsgericht Urteil24.05.2022
Protestcamps - hier: Klimacamp - sind laut Bundesverwaltungsgericht als Versammlungen durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt"Klimacamp 2017" im Rheinland unterfiel mit Infrastruktureinrichtungen der Versammlungsfreiheit
Das "Klimacamp 2017" im Rheinland war eine durch Art. 8 GG geschützte Versammlung. Das Polizeipräsidium Aachen als Versammlungsbehörde hat sich zu Unrecht darauf berufen, dass ein als Übernachtungsfläche mit Zelten und Sanitäreinrichtungen genutztes Feld von dem Anwendungsbereich des Art. 8 GG und des Bundesversammlungsgesetzes (VersammlG) ausgenommen gewesen sei. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und in diesem Zusammenhang Maßgaben für den Schutz von sog. Protestcamps durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit entwickelt.
Die Klägerin meldete das Klimacamp für die Dauer von elf Tagen im August 2017 als öffentliche Versammlung unter freiem Himmel bei dem Polizeipräsidium Aachen an. Das Polizeipräsidium wies der Klägerin in Form einer auf § 15 Abs. 1 VersammlG gestützten Ortsauflage eine von der Klägerin gemietete Fläche und einen dieser Fläche benachbarten Sportplatz in Erkelenz als Versammlungsflächen zu. Auf dem Sportplatz dürften Versammlungsteilnehmer ihre Übernachtungszelte errichten.
Polizeipräsidium lehnte weitere Fläche als Versammlungsfläche ab
Mit einer nach Beginn des Camps erlassenen weiteren Verfügung lehnte das Polizeipräsidium ein 800 Meter entferntes Feld, das die Klägerin gemietet hatte und das als weitere Fläche für Übernachtungszelte von Versammlungsteilnehmern und für Sanitäreinrichtungen genutzt wurde, als Versammlungsfläche ab.
BVerwG: Auch weiteres Feld vom Schutz durch Art. 8 GG umfasst
Die Klägerin hat Klage auf Feststellung erhoben, dass das genannte Feld als Übernachtungsfläche von dem versammlungsgesetzlich ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG umfasst gewesen sei. Das Verwaltungsgericht Aachen hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht Münster die begehrte Feststellung getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die auf die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils gerichtete Revision des Landes Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen.
Auf öffentliche Meinungsbildung gerichteter kommunikativer Zweck erforderlich
Auf eine gewisse Dauer angelegte Protestcamps wie das in Rede stehende Klimacamp sind als Versammlungen durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt, wenn sich aus der Gesamtkonzeption des Veranstalters nach objektivem Verständnis ein auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteter kommunikativer Zweck ergibt. Es obliegt dem Veranstalter, den Meinungskundgabezweck für die gesamte Dauer der Veranstaltung zu substantiieren.
OVG hat den Versammlungscharakter zu Recht bejaht
Je länger eine solche Versammlung dauern soll, desto höheres Gewicht erlangen Rechte Dritter und öffentliche Belange, die durch das Camp beeinträchtigt werden können. Die Versammlungsbehörde kann dem dadurch Rechnung tragen, dass sie auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 VersammlG insbesondere dessen Dauer in angemessener Weise unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beschränkt. Nach diesen Maßgaben hat das Oberverwaltungsgericht den Versammlungscharakter des hier in Rede stehenden, nach dem Gesamtkonzept auf die durchgehende Praktizierung einer umweltverträglichen Art des Zusammenlebens gerichteten und auf eine Dauer von elf Tagen bemessenen Klimacamps zu Recht bejaht.
Erforderliche infrastrukturelle Einrichtungen auch geschützt
Infrastrukturelle Einrichtungen eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfallen dem unmittelbaren Schutz durch Art. 8 GG, wenn sie entweder einen inhaltlichen Bezug zur bezweckten Meinungskundgabe der Versammlung aufweisen oder für die konkrete Veranstaltung logistisch erforderlich sind und zu ihr in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang stehen. Auch diesem Maßstab genügt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Es hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass das Klimacamp ohne die genannten Infrastruktureinrichtungen nicht hätte durchgeführt werden können und die Veranstaltungsfläche sowie die Übernachtungsflächen auf dem Sportplatz und dem hier umstrittenen, 800 Meter entfernten Feld eine räumliche Einheit gebildet haben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.05.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)
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