24.11.2024
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Dokument-Nr. 31703

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Bundesverwaltungsgericht Urteil27.04.2022

Barzah­lungs­aus­schluss in der Rundfunk­bei­trags­satzung des Hessischen Rundfunks mit der Maßgabe einer Berück­sich­tigung von Härtefällen übergangsweise anwendbar„Ausnahmslose Ausschluss“ von Barzahlung in Beitragssatzung verstößt gegen EU-Recht

Der ausnahmslose Ausschluss einer Barzahlung von Rundfunk­bei­trägen in der Beitragssatzung des Hessischen Rundfunks verstößt gegen die unions­recht­lichen Vorgaben für Bar­zahlungs­beschränkungen bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geld­leistungs­pflichten sowie gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Die Regelung darf jedoch für eine Übergangszeit bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe weiter angewendet werden, dass der Hessische Rundfunk solchen Beitrags­pflichtigen, die nachweislich weder bei privaten noch bei öffentlich-rechtlichen Kredi­t­in­stituten ein Girokonto eröffnen können, die Zahlung des Beitrags mit Bargeld ohne Zusatzkosten ermöglicht. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht in zwei Verfahren entschieden.

Die Kläger sind als Wohnungsinhaber rundfunk­bei­trags­pflichtig. Sie wenden sich gegen die Festsetzung rückständiger Rundfunk­beiträge durch den beklagten Hessischen Rundfunk und begehren hilfsweise die Feststellung, dass sie berechtigt sind, Rundfunk­beiträge in bar zu zahlen. Der Beklagte hat die von den Klägern jeweils angebotene Barzahlung unter Verweis auf § 10 Abs. 2 seiner Beitragssatzung abgelehnt. Darin ist geregelt, dass der Rundfunkbeitrag nur durch Lastschrif­t­einzug, Einze­l­über­weisung oder Dauer­über­weisung entrichtet werden kann.

BGH erbat Vorab­ent­scheidung des EuGH

In den Vorinstanzen waren die Klagen erfolglos geblieben. Auf die Revisionen der Kläger hatte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Auslegung des Begriffs des gesetzlichen Zahlungsmittels im Unionsrecht und zur Reichweite der ausschließ­lichen Kompetenz der Union im Bereich der Währungspolitik zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt.

Regelung in BBankG kann Barzah­lungs­aus­schluss nicht entge­gen­ge­halten werden

Nachdem der EuGH die Vorlagefragen beantwortet hatte, hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Unter Berück­sich­tigung der Entscheidung des EuGH ist das BVerwG zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Barzah­lungs­aus­schluss in der Beitragssatzung des Beklagten nicht die bundes­rechtliche Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG entge­gen­ge­halten werden kann, wonach auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind. Denn diese Norm determiniert in Anbetracht ihres Ziels und ihres Inhalts die rechtliche Ausgestaltung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel und verstößt damit gegen die ausschließliche Regelungs­kom­petenz der Union im Bereich der Währungspolitik (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV).

Ausnahmslose Ausschluss einer Barzahlung verstößt gegen unions­recht­lichen Vorgaben

§ 10 Abs. 2 der Beitragssatzung steht allerdings seinerseits nicht uneingeschränkt in Einklang mit den unions­recht­lichen Vorgaben, die der EuGH in der genannten Entscheidung näher ausgeformt hat. Danach beinhaltet der Status als gesetzliches Zahlungsmittel lediglich eine grundsätzliche Verpflichtung zur Annahme von Euro-Bargeld zu Zahlungszwecken. Daher sind die Mitgliedstaaten befugt, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Ausnahmen von der Annahmepflicht vorzusehen. Diese Voraussetzungen sind bei § 10 Abs. 2 der Beitragssatzung überwiegend erfüllt: Anders als § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG determiniert die Regelung nicht die rechtliche Ausgestaltung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel, so dass kein Eingriff in die ausschließliche Kompetenz der Union für die Währungspolitik vorliegt. Auch führt die Regelung nicht zu einer rechtlichen oder faktischen Abschaffung der Euro-Banknoten. Sie ist zudem aus Gründen des öffentlichen Interesses, nämlich der Kostenersparnis sowie der effizienten Durchsetzung der Beitrags­er­hebung erlassen worden. Der in § 10 Abs. 2 der Beitragssatzung geregelte Ausschluss der Barzah­lungs­mög­lichkeit ist ferner geeignet, das verfolgte Ziel von öffentlichem Interesse zu erreichen.

Beitrags­pflichtige ohne Girokontozugang unver­hält­nismäßig beeinträchtigt

Ein Unions­rechts­verstoß liegt jedoch darin, dass mangels einer Ausnah­me­re­gelung diejenigen Beitrags­pflichtigen, die keinen Zugang zu einem Girokonto erhalten, unver­hält­nismäßig beeinträchtigt werden. Auf die Möglichkeit der Bareinzahlung bei einem Kreditinstitut auf das Beitrags­ab­wick­lungskonto ARD/ZDF/Deutsch­landradio können sie wegen der damit verbundenen erheblichen Zusatzkosten nicht verwiesen werden. Aus demselben Grund liegt in dem Barzah­lungs­aus­schluss auch ein Verstoß gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Beitragssatzung übergangsweise mit der Maßgabe einer Berück­sich­tigung von Härtefällen anzuwenden

Diese Rechts­ver­let­zungen führen jedoch im Ergebnis nicht zum Erfolg der Revisionen der Kläger. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat angeordnet, dass § 10 Abs. 2 der Beitragssatzung übergangsweise mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass der Beklagte solchen Beitrags­pflichtigen, die nachweislich weder bei privaten noch bei öffentlich-rechtlichen Kredi­t­in­stituten ein Girokonto eröffnen können, die Zahlung des Beitrags mit Bargeld ohne Zusatzkosten ermöglicht. Da die Kläger jeweils über ein Girokonto verfügen, können sie sich auf diese Maßgabe nicht berufen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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