18.10.2024
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Dokument-Nr. 34210

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Bundesverwaltungsgericht Urteil18.07.2024

Ausschluss einer Gleich­stellungs­beauftragten vom Beteiligungs­verfahren nach dem Bundes­gleichstellungs­gesetz bei Selbst­be­trof­fenheitGleich­stellungs­beauftragte vom Beteiligungs­verfahren bei Selbst­be­trof­fenheit ausgeschlossen

Eine Gleich­stellungs­beauftragte ist von der Ausübung ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- und Betei­li­gungs­rechte bei Personal­angelegenheiten in ihrer Dienststelle ausgeschlossen, wenn sie von diesen selbst betroffen ist. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte eines Jobcenters begehrt die Feststellung, sie sei in Auswahl­ver­fahren für mehrere Stellen zu beteiligen bzw. zur Mitwirkung berufen gewesen. Der Geschäftsführer des Jobcenters, der die Auswahl­ver­fahren durchführte, hatte stattdessen ihre Stell­ver­treterin einbezogen, weil die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte sich auf die Stellen selbst beworben hatte. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ebenso wie nunmehr auch im Revisi­ons­ver­fahren erfolglos geblieben.

Selbst­be­troffene Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte darf nicht mitwirken

Das Bundes­gleich­stel­lungs­gesetz (BGleiG) enthält zwar keine ausdrückliche Regelung über den Ausschluss einer Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten von der Ausübung ihrer Rechte in Angelegenheiten, in denen ihre persönlichen Interessen berührt sind. Auch sind die allgemeinen Vorschriften des Verwal­tungs­ver­fah­rens­ge­setzes (VwVfG) über den Mitwir­kungs­aus­schluss und die Besorgnis der Befangenheit auf die Tätigkeit der Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Es entspricht aber einem allgemeinen für die staatliche Verwaltung geltenden Rechtsgrundsatz, dass Amtswalter oder sonst in die Wahrnehmung des staatlichen Amtsauftrags einbezogene Personen schlechthin nicht in Angelegenheiten mitwirken sollen, deren Gegenstand sie selbst unmittelbar betrifft. Dieser Rechtsgrundsatz ist verfas­sungs­rechtlich verankert und kann durch einfaches Gesetzesrecht konkretisiert werden, gilt aber auch ohne ausdrückliche einfach­rechtliche Normierung. Er wahrt das sich aus dem Rechts­s­taats­prinzip ergebende Interesse der Allgemeinheit an einem sachgerechten Gesetzesvollzug durch die Verwaltung und schützt auch betroffene Dritte vor der Gefahr willkürlicher staatlicher Entscheidungen. Als bindender Rechtsgrundsatz gilt er nicht nur für das nach außen wirkende Verwal­tungs­ver­fahren, sondern auch für den Innenbereich der staatlichen Verwaltung. Danach ist ein Amtswalter von Rechts wegen von einem amtlichen Tätigwerden ausgeschlossen, wenn er in der Angelegenheit in einem formellen Sinne etwa als Antragsteller oder Bewerber selbst beteiligt ist. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass der Amtswalter wegen ihm zustehender Entschei­dungs­be­fugnisse zu einem "Richter in eigener Sache" werden kann.

Der Ausschluss tritt bereits dann ein, wenn die Befassung mit der Sache eine tatsächliche Möglichkeit der Beeinflussung der Entscheidung der Verwaltung oder auch nur des Verfah­rens­ablaufs eröffnet. Ob ein persönlicher Vorteil als Folge der Mitwirkung eintreten kann, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, inwieweit sich eine Einflussnahme im Verfahren in der Sache als rechtmäßig darstellen kann. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz, dessen Geltung das Bundes­ver­wal­tungs­gericht schon früher für den Personalrat und dessen Mitglieder angenommen hat, gilt auch für die Tätigkeit einer Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten.

Die Regelungen des Bundes­gleich­stel­lungs­ge­setzes stehen dem nicht entgegen. Sie besagen vielmehr, dass die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte ihre gesetzlichen Aufgaben zum Schutz der Beschäftigten vor Benach­tei­li­gungen wegen ihres Geschlechts dienstlich als besonderes Organ der Verwaltung und damit als Amtswalterin objektiv und neutral wahrzunehmen hat. Hiermit wäre es unvereinbar, wenn bei einer Selbstbetroffenheit auch nur der Anschein bestünde, ihre persönlichen Interessen könnten Einfluss auf ihre Tätigkeit haben. Da die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte hier als Stellen­be­werberin an den Auswahl­ver­fahren beteiligt war, war sie von Rechts wegen an der Ausübung der gesetzlichen Rechte einer Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten in diesen Verfahren gehindert. Der beklagte Geschäftsführer des Jobcenters hatte deshalb zu Recht an ihrer Stelle der Stell­ver­treterin Gelegenheit zur Mitwirkung und Beteiligung an den Auswahl­ver­fahren gegeben. Denn ein Vertretungsfall im Sinne des Gesetzes liegt auch dann vor, wenn wie hier ein rechtlicher Verhin­de­rungsgrund besteht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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