Dokument-Nr. 2081
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Bundesverwaltungsgericht Urteil16.03.2006
Grünes Licht für Flughafen Berlin-Schönefeld - aber Einschränkung des Nachtflugbetriebs
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Musterklagen von Anwohnern und von vier Gemeinden gegen den vom Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg erlassenen Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum einzigen internationalen Verkehrsflughafen in der Region Berlin-Brandenburg zum überwiegenden Teil abgewiesen.
Ohne Erfolg blieben die Hauptanträge auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004. Hingegen hatten die Kläger mit einigen ihrer auf besseren Lärmschutz gerichteten Hilfsanträge Erfolg. So hat das Gericht die Planfeststellungsbehörde insbesondere verpflichtet, ein weitgehendes Nachtflugverbot in der nächtlichen Kernzeit von .00 Uhr bis 5.00 Uhr anzuordnen.
Die Entscheidung, den künftigen Luftverkehrsbedarf der Region Berlin-Brandenburg durch Konzentration auf einen einzigen internationalen Verkehrsflughafen zu decken und zu diesem Zweck den Flughafen Berlin-Schönefeld als "Single"-Flughafen auszubauen, ist auf der Ebene der Landesplanung gefallen. Sie findet ihre Grundlage in der Verordnung über den Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) vom 28. Oktober 2003. Die maßgebende Zielfestlegung Z 1 dieses Planes ist rechtmäßig und wirksam. Die Abkehr vom gegenwärtigen Berliner Flughafensystem (Tegel, Tempelhof, Schönefeld) verletzt das raumplanerische Abwägungsgebot nicht. Die Ablehnung stadtferner Standortalternativen wie Sperenberg oder Jüterbog- Ost ist ebenfalls frei von Abwägungsfehlern. Die von der Landesplanung angeführten Hauptgründe für den Ausbau von Schönefeld – die Nähe zur Bundeshauptstadt Berlin als dem Hauptaufkommensgebiet, die gute Einbindung in das bestehende Straßen- und Schienennetz und das größere wirtschaftliche Entwicklungspotenzial eines stadtnahen Standorts – rechtfertigen das Ausbauvorhaben. Die Träger der Landesplanung haben hinreichend berücksichtigt, dass bei der Wahl eines stadtfernen Standorts die Anzahl der von Fluglärm Betroffenen wesentlich geringer als bei einem Flughafen in der Nähe des großstädtischen Ballungsraumes ist. Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes (Betriebsbeschränkungen, Schallschutzfenster) sind dem Verfahren der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung überlassen. Der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg in seinem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil vom 10. Februar 2005 (OVG 3 D 104/03.NE), die Zielfestlegung Z 1 des LEP FS sei wegen erheblicher Abwägungsmängel unwirksam, ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt.
Defizite weist indessen das Lärmschutzkonzept auf, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegt. Durch diese Mängel wird das Grundgerüst der Planung zwar nicht in Frage gestellt, zur Fehlerbehebung bedarf es jedoch einer Planergänzung.
Der Planfeststellungsbeschluss genügt den Anforderungen des Abwägungsgebotes vor allem deshalb nicht, weil er einen zeitlich unbeschränkten Nachtflugbetrieb zulässt. Der Flughafen Schönefeld ist – auch im An- und Abflugbereich – von Siedlungsflächen umgeben. An einem solchen Standort darf der Planungsträger es mit bloßen Maßnahmen des passiven Schallschutzes nur dann bewenden lassen, wenn gewichtige Bedarfsgesichtspunkte es rechtfertigen, die Lärmschutzbelange der Nachbarschaft hinter die öffentlichen Verkehrsinteressen zurückzusetzen. Diesen Nachweis hat der Vorhabenträger nicht erbracht. Jedenfalls in der Kernzeit der Nacht (.00 Uhr bis 5.00 Uhr) überwiegt das Interesse der Anwohner, von Fluglärmbeeinträchtigungen verschont zu bleiben. Auch in der Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr und von 5.00 bis 6.00 Uhr ist nur der Flugbetrieb unbedenklich, der sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht innerhalb des Tagzeitraumes abwickeln lässt.
In dem Fehlerbehebungsverfahren wird die Planfeststellungsbehörde außerdem zu entscheiden haben, welcher Maximalpegel in den Nachtrandzeiten einzuhalten ist und welchen Lärmschutz der Außenwohnbereich genießt. Die im Planfeststellungsbeschluss getroffene Maximalpegelregelung ist durch inhaltliche Widersprüche gekennzeichnet, die zur Unanwendbarkeit führen. Zu kurz greift der Planungsträger auch bei der Frage, ob sich der Schutz des Außenwohnbereichs nur auf die Sicherung zumutbarer Kommunikationsverhältnisse beschränkt oder die Wahrung der Erholungsfunktion und die vorbeugende Abwehr von Gesundheitsbeeinträchtigungen mit einschließt. Ansonsten bietet das Lärmschutzkonzept des Vorhabenträgers keinen Anlass zu Beanstandungen.
Ebenfalls keinen Bedenken begegnet der wasserrechtliche Regelungsteil. Die Planfeststellungsbehörde durfte die Erlaubnis zur Grundwasserabsenkung erteilen, ohne zuvor Sorge dafür tragen zu müssen, dass im Bereich des Absenkungstrichters alle Altlasten saniert werden. Unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung zwischen Planfeststellungsbehörde und Bodenschutzbehörde reicht das im Planfeststellungsbeschluss angeordnete Monitoring-Programm zur Risikobewältigung aus. Der Planfeststellungsbeschluss genügt ferner den Anforderungen des Naturschutzrechts. Insbesondere ist den Erfordernissen des europäischen Naturschutzrechts (FFH- und Vogelschutzrichtlinie) Rechnung getragen. Die Einbeziehung des ökologisch wertvollen Glasowbachs in das Entwässerungskonzept des Vorhabenträgers stößt auf keine unüberwindbaren FFH-rechtlichen Hindernisse. Die Beeinträchtigung zahlreicher Tier- und insbesondere Vogelarten steht dem Flughafenausbau nicht im Wege, da nach Maßgabe der europarechtlichen Vorgaben die Voraussetzungen für eine artenschutzrechtliche Befreiung erfüllt sind.
Der Planfeststellungsbeschluss ist trotz Abweisung der Anfechtungsklagen der Musterkläger formal noch nicht sofort vollziehbar. Denn es bestehen zugunsten einiger anderer, an den Musterverfahren nicht beteiligter Kläger noch Eilentscheidungen des Gerichts, durch die im April/Mai 2005 die aufschiebende Wirkung der Klagen dieser Kläger angeordnet worden ist. Das beklagte Ministerium oder die beigeladenen Träger des Vorhabens können gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung eine Aufhebung dieser Eilbeschlüsse wegen veränderter Umstände beantragen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.03.2006
Quelle: Pressemitteilung Nr. 15/06 des BVerwG vom 16.03.2006
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