24.11.2024
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Dokument-Nr. 2081

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Bundesverwaltungsgericht Urteil16.03.2006

Grünes Licht für Flughafen Berlin-Schönefeld - aber Einschränkung des Nacht­flug­be­triebs

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Musterklagen von Anwohnern und von vier Gemeinden gegen den vom Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg erlassenen Planfest­stel­lungs­be­schluss für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum einzigen internationalen Verkehrs­flughafen in der Region Berlin-Brandenburg zum überwiegenden Teil abgewiesen.

Ohne Erfolg blieben die Hauptanträge auf Aufhebung des Planfest­stel­lungs­be­schlusses vom 13. August 2004. Hingegen hatten die Kläger mit einigen ihrer auf besseren Lärmschutz gerichteten Hilfsanträge Erfolg. So hat das Gericht die Planfest­stel­lungs­behörde insbesondere verpflichtet, ein weitgehendes Nachtflugverbot in der nächtlichen Kernzeit von .00 Uhr bis 5.00 Uhr anzuordnen.

Die Entscheidung, den künftigen Luftver­kehrs­bedarf der Region Berlin-Brandenburg durch Konzentration auf einen einzigen internationalen Verkehrs­flughafen zu decken und zu diesem Zweck den Flughafen Berlin-Schönefeld als "Single"-Flughafen auszubauen, ist auf der Ebene der Landesplanung gefallen. Sie findet ihre Grundlage in der Verordnung über den Landes­ent­wick­lungsplan Flugha­fen­stan­d­ort­ent­wicklung (LEP FS) vom 28. Oktober 2003. Die maßgebende Zielfestlegung Z 1 dieses Planes ist rechtmäßig und wirksam. Die Abkehr vom gegenwärtigen Berliner Flughafensystem (Tegel, Tempelhof, Schönefeld) verletzt das raumplanerische Abwägungsgebot nicht. Die Ablehnung stadtferner Stand­or­tal­ter­nativen wie Sperenberg oder Jüterbog- Ost ist ebenfalls frei von Abwägungs­fehlern. Die von der Landesplanung angeführten Hauptgründe für den Ausbau von Schönefeld – die Nähe zur Bundes­hauptstadt Berlin als dem Haupt­auf­kom­mens­gebiet, die gute Einbindung in das bestehende Straßen- und Schienennetz und das größere wirtschaftliche Entwick­lungs­po­tenzial eines stadtnahen Standorts – rechtfertigen das Ausbauvorhaben. Die Träger der Landesplanung haben hinreichend berücksichtigt, dass bei der Wahl eines stadtfernen Standorts die Anzahl der von Fluglärm Betroffenen wesentlich geringer als bei einem Flughafen in der Nähe des großstädtischen Ballungsraumes ist. Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes (Betrie­bs­be­schrän­kungen, Schall­schutz­fenster) sind dem Verfahren der luftver­kehrs­recht­lichen Planfest­stellung überlassen. Der Ansicht des Oberver­wal­tungs­ge­richts für das Land Brandenburg in seinem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil vom 10. Februar 2005 (OVG 3 D 104/03.NE), die Zielfestlegung Z 1 des LEP FS sei wegen erheblicher Abwägungsmängel unwirksam, ist das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht gefolgt.

Defizite weist indessen das Lärmschutz­konzept auf, das dem Planfest­stel­lungs­be­schluss zugrunde liegt. Durch diese Mängel wird das Grundgerüst der Planung zwar nicht in Frage gestellt, zur Fehlerbehebung bedarf es jedoch einer Planergänzung.

Der Planfest­stel­lungs­be­schluss genügt den Anforderungen des Abwägungs­gebotes vor allem deshalb nicht, weil er einen zeitlich unbeschränkten Nacht­flug­betrieb zulässt. Der Flughafen Schönefeld ist – auch im An- und Abflugbereich – von Siedlungs­flächen umgeben. An einem solchen Standort darf der Planungsträger es mit bloßen Maßnahmen des passiven Schallschutzes nur dann bewenden lassen, wenn gewichtige Bedarfs­ge­sichts­punkte es rechtfertigen, die Lärmschutz­belange der Nachbarschaft hinter die öffentlichen Verkehr­s­in­teressen zurückzusetzen. Diesen Nachweis hat der Vorhabenträger nicht erbracht. Jedenfalls in der Kernzeit der Nacht (.00 Uhr bis 5.00 Uhr) überwiegt das Interesse der Anwohner, von Fluglärm­be­ein­träch­ti­gungen verschont zu bleiben. Auch in der Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr und von 5.00 bis 6.00 Uhr ist nur der Flugbetrieb unbedenklich, der sich aus nachvoll­ziehbaren Gründen nicht innerhalb des Tagzeitraumes abwickeln lässt.

In dem Fehler­be­he­bungs­ver­fahren wird die Planfest­stel­lungs­behörde außerdem zu entscheiden haben, welcher Maximalpegel in den Nachtrandzeiten einzuhalten ist und welchen Lärmschutz der Außen­wohn­bereich genießt. Die im Planfest­stel­lungs­be­schluss getroffene Maxima­l­pe­gel­re­gelung ist durch inhaltliche Widersprüche gekennzeichnet, die zur Unanwendbarkeit führen. Zu kurz greift der Planungsträger auch bei der Frage, ob sich der Schutz des Außen­wohn­be­reichs nur auf die Sicherung zumutbarer Kommu­ni­ka­ti­o­ns­ver­hältnisse beschränkt oder die Wahrung der Erholungs­funktion und die vorbeugende Abwehr von Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gungen mit einschließt. Ansonsten bietet das Lärmschutz­konzept des Vorhabenträgers keinen Anlass zu Beanstandungen.

Ebenfalls keinen Bedenken begegnet der wasser­rechtliche Regelungsteil. Die Planfest­stel­lungs­behörde durfte die Erlaubnis zur Grund­was­ser­ab­senkung erteilen, ohne zuvor Sorge dafür tragen zu müssen, dass im Bereich des Absen­kungs­trichters alle Altlasten saniert werden. Unter Berück­sich­tigung der Aufga­ben­ver­teilung zwischen Planfest­stel­lungs­behörde und Boden­schutz­behörde reicht das im Planfest­stel­lungs­be­schluss angeordnete Monitoring-Programm zur Risiko­be­wäl­tigung aus. Der Planfest­stel­lungs­be­schluss genügt ferner den Anforderungen des Natur­schutz­rechts. Insbesondere ist den Erfordernissen des europäischen Natur­schutz­rechts (FFH- und Vogel­schutz­richtlinie) Rechnung getragen. Die Einbeziehung des ökologisch wertvollen Glasowbachs in das Entwäs­se­rungs­konzept des Vorhabenträgers stößt auf keine unüberwindbaren FFH-rechtlichen Hindernisse. Die Beein­träch­tigung zahlreicher Tier- und insbesondere Vogelarten steht dem Flughafenausbau nicht im Wege, da nach Maßgabe der europa­recht­lichen Vorgaben die Voraussetzungen für eine arten­schutz­rechtliche Befreiung erfüllt sind.

Der Planfest­stel­lungs­be­schluss ist trotz Abweisung der Anfech­tungs­klagen der Musterkläger formal noch nicht sofort vollziehbar. Denn es bestehen zugunsten einiger anderer, an den Musterverfahren nicht beteiligter Kläger noch Eilent­schei­dungen des Gerichts, durch die im April/Mai 2005 die aufschiebende Wirkung der Klagen dieser Kläger angeordnet worden ist. Das beklagte Ministerium oder die beigeladenen Träger des Vorhabens können gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 der Verwal­tungs­ge­richts­ordnung eine Aufhebung dieser Eilbeschlüsse wegen veränderter Umstände beantragen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 15/06 des BVerwG vom 16.03.2006

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