21.11.2024
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Dokument-Nr. 3273

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Bundesverwaltungsgericht Urteil19.10.2006

Enteigneter NSDAP-Funktionär hat Anspruch auf Ausgleichs­leistungUntergeordnete NSDAP-Funktionen schließen Entschädigung nicht aus

Ausgleich für besat­zungs­ho­heitliche Enteignung kann nicht allein wegen ehrenamtlicher Tätigkeit als NSDAP-Kreisrichter und als Amtsleiter in einer NSDAP-Kreisleitung verweigert werden. Das hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschieden.

1948 waren zwei Grundstücke des Vaters des Klägers auf besat­zungs­ho­heit­licher Grundlage entschä­di­gungslos enteignet worden. Der Kläger beantragte als dessen Rechts­nach­folger die Gewährung von Ausgleichs­leis­tungen nach den Vorschriften des Ausgleichs­leis­tungs­ge­setzes (AusglLeistG). Dies lehnte die Beklagte gestützt auf § 1 Abs. 4 AusglLeistG ab, da der Vater des Klägers dem natio­nal­so­zi­a­lis­tischen System erheblichen Vorschub geleistet habe. Die Beklagte begründete die Ablehnung damit, dass der Vater des Klägers von 1931 bis April 1934 Vorsitzender des NSDAP-Kreisgerichts und auch danach in der NSDAP-Kreisleitung als Amtsleiter für Gemeindepolitik und für den Juristenbund sowie als Kreis­rechts­stel­len­leiter tätig gewesen sei. Allerdings könne wegen des Zeitablaufs nicht aufgeklärt werden, welche Handlungen ihm im Einzelnen vorzuwerfen seien. Die gegen die ablehnende Entscheidung gerichtete Klage hat das Verwal­tungs­gericht abgewiesen.

Auf die Revision des Klägers hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das erstin­sta­nzliche Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, Ausgleichs­leis­tungen zu gewähren.

Aus der in der Kontroll­rats­di­rektive Nr. 38 vorgenommenen Zuordnung der vom Vater des Klägers wahrgenommenen Funktionen in die Kategorie der Hauptschuldigen kann keine Vermutung dafür entnommen werden, dass der Betroffene auch im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG dem natio­nal­so­zi­a­lis­tischen System erheblichen Vorschub geleistet hat. § 1 Abs. 4 AusglLeistG weist die erforderlichen Anhaltspunkte für eine solche Vermutung nicht auf, zudem decken sich Sinn und Zweck der beiden Regelungen nicht. Ebenso wenig kann die Unwür­dig­keits­fest­stellung hier bereits aus der Innehabung der genannten Partei­funk­tionen hergeleitet werden. Weder der ehrenamtliche Vorsitz in einem NSDAP-Kreisgericht noch die nachgeordneten Ämter, die der Kläger in einer NSDAP-Kreisleitung ehrenamtlich innegehabt hat, sind von ihrer Bedeutung und ihren Einfluss­mög­lich­keiten her so herausgehoben, dass sie den von der Beklagten und vom Verwal­tungs­gericht gezogenen Schluss auf ein erhebliches Vorschubleisten zugunsten des natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Systems tragen. An der Feststellung einzelner Handlungen, die den Ausschluss von einer Ausgleichs­leistung nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG gleichwohl rechtfertigen, fehlte es.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 57/06 des BVerwG vom 19.10.2006

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