23.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil14.12.2023

Medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) bei Zuwider­hand­lungen im Straßenverkehr unter AlkoholeinflussKeine MPU-Pflicht bei Weiterfahrt unter Alkoholeinfluss nach Unfall

Wiederholte Zuwider­hand­lungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), die die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen, liegen nur dann vor, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren Gesche­hens­ablauf her eigenständigen Lebens­sach­ver­halten je eine oder mehrere solche Zuwider­hand­lungen begangen hat. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Klägerin begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Wegen in Tatmehrheit im Sinne des Straf­ge­setzbuchs begangener fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort hatte sie das Amtsgericht K. rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt und ihr die Fahrerlaubnis entzogen. Nach den Feststellungen im Strafurteil fuhr die Klägerin am 2. April 2015 mit ihrem PKW in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand (Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von ,68 Promille) auf den Parkplatz eines Supermarkts. Nach dem Einkauf parkte sie rückwärts aus und fuhr dabei auf einen hinter ihrem Fahrzeug stehenden PKW auf. Sie stieg aus und begutachtete den entstandenen Schaden. Anschließend fuhr sie in ihre Wohnung zurück, ohne die erforderlichen Unfall­fest­stel­lungen treffen zu lassen. Als die Klägerin im März 2018 beim Beklagten die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, forderte er von ihr die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Sie habe am 2. April 2015 wiederholt Zuwider­hand­lungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen, die Zweifel an ihrer Fahreignung begründeten. Zwischen den beiden Fahrten liege mit dem Aussteigen aus dem Fahrzeug und der Begutachtung des Schadens eine Zäsur. Da die Klägerin das Gutachten nicht beibrachte, lehnte der Beklagte die Fahrerlaubniserteilung ab. Das VG Düsseldorf hat ihre Klage abgewiesen. Das OVG hat diese Entscheidung geändert und den Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Bei dem Geschehen am 2. April 2015 habe es sich nicht um wiederholte Zuwider­hand­lungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV gehandelt. Das setze voraus, dass es bei natürlicher Betrach­tungsweise zu mindestens zwei deutlich voneinander abgrenzbaren Trunken­heits­fahrten gekommen sei. Bei dem Ausparkunfall nebst Aussteigen und Betrachten der Fahrzeuge habe es sich nur um eine kurzzeitige Unterbrechung gehandelt, die - auch in der Gesamt­be­trachtung mit der vorherigen Fahrt­un­ter­brechung für den Einkauf - keinen neuen und eigenständigen Lebens­sach­verhalt begründet habe.

Nach kurzem Aussteigen während Trunken­heitsfahrt beginnt keine neue Fahrt

Die vom Beklagten gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Das OVG hat ohne Bundes­rechts­verstoß angenommen, dass die Klägerin am 2. April 2015 nicht - wie in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV vorausgesetzt - wiederholt Zuwider­hand­lungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat. Das ist nur dann der Fall, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren Gesche­hens­ablauf her eigenständigen Lebens­sach­ver­halten je eine oder mehrere solche Zuwider­hand­lungen begangen hat. Auch wenn eine Trunken­heitsfahrt nach einem alkohol­be­dingten Unfall in Kenntnis der eigenen Fahrun­tüch­tigkeit fortgesetzt wird, kann ein einheitlicher Gesche­hens­ablauf vorliegen. Im Fall der Klägerin ist die Annahme des OVG nicht zu beanstanden, dass die Trunken­heitsfahrt, die unfallbedingt nur für wenige Minuten unterbrochen war, einen einheitlichen Lebens­sach­verhalt darstellt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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