18.10.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.
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Bundesverwaltungsgericht Beschluss14.10.2008

BVerwG legt EuGH zur Vorab­ent­scheidung Fragen zum Ausschluss von der Flücht­lings­a­n­er­kennung wegen terroristischer Aktivitäten vorZur Flücht­lings­a­n­er­kennung nach der Richtlinie 2004/83/EG

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat in einem Asylrechtsstreit den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg angerufen und ihm zur Vorab­ent­scheidung Fragen zum Ausschluss von der Flücht­lings­a­n­er­kennung nach der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union (Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie) vorgelegt. Diese Richtlinie dient der Harmonisierung des Flücht­lings­schutzes innerhalb der Europäischen Union.

In dem Verfahren geht es um die Frage, ob der Kläger wegen terroristischer Aktivitäten vor seiner Einreise nach Deutschland von der Anerkennung als Flüchtling und als Asylbe­rech­tigter ausgeschlossen ist. Der Kläger ist türkischer Staats­an­ge­höriger und hat zwischen 1993 und 1995 in der Türkei den bewaffneten Kampf einer links­ex­tre­mis­tischen Organisation (DHKP/C) aktiv unterstützt, die auf der Liste der Terro­r­or­ga­ni­sa­tionen des Rats der Europäischen Union steht und terroristische Methoden anwendet. Nach seiner Festnahme wurde er in der Türkei gefoltert und zweimal zu lebenslanger Haft verurteilt. Nachdem seine Teilnahme an einem Hungerstreik zu erheblichen gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen geführt hatte, wurde er 2002 wegen Haftunfähigkeit vorläufig entlassen. Seinen Antrag auf Asyl und Flücht­lings­a­n­er­kennung hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Einreise den Ausschlussgrund einer schweren nicht­po­li­tischen Straftat im Sinne des Art. 12 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie verwirklicht hat. Verwal­tungs­gericht und Oberver­wal­tungs­gericht haben dem Anerken­nungs­be­gehren hingegen stattgegeben. Flücht­lings­schutz und Asyl seien nicht ausgeschlossen. Der Kläger habe jeden Kontakt zu der von ihm unterstützten terroristischen Organisation abgebrochen und sich von deren Zielen distanziert. Damit gehe von ihm keine Gefahr mehr aus, so dass ein Ausschluss bei Abwägung aller Umstände unver­hält­nismäßig sei.

Auf die Revision des Bundesamts hat der 10. Senat des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der Ausschluss­gründe nach der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie vorgelegt. Mit der Vorlage soll zunächst geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen bei terroristischen Aktivitäten ein Ausschlussgrund anzunehmen ist. Darüber hinaus dient die Vorlage der Klärung, ob die Gewährung von Asyl nach dem Grundgesetz trotz Vorliegens eines Ausschluss­grundes nach der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie mit Gemein­schaftsrecht zu vereinbaren wäre (die Vorlagefragen sind als Anlage beigefügt). Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Revisi­ons­ver­fahren ausgesetzt.

Die dem EuGH vorgelegten Fragen lauten:

1. Liegt eine schwere nichtpolitische Straftat oder eine Zuwiderhandlung gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen im Sinne des Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 vor, wenn der Antragsteller einer Organisation angehört hat, die im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus aufgeführt ist und terroristische Methoden anwendet, und der Antragsteller den bewaffneten Kampf dieser Organisation aktiv unterstützt hat?

2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist: Setzt der Ausschluss von der Flücht­lings­a­n­er­kennung nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/83/EG voraus, dass von dem Antragsteller weiterhin eine Gefahr ausgeht?

3. Für den Fall, dass Frage 2 zu verneinen ist: Setzt der Ausschluss von der Flücht­lings­a­n­er­kennung nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/83/EG eine auf den Einzelfall bezogene Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung voraus?

4. Für den Fall, dass Frage 3 zu bejahen ist:

a) Ist bei der Prüfung der Verhält­nis­mä­ßigkeit zu berücksichtigen, dass der Antragsteller Abschie­bungs­schutz nach Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 oder nach nationalen Bestimmungen genießt?

b) Ist der Ausschluss nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen unver­hält­nismäßig?

5. Ist es im Sinne des Art. 3 der Richtlinie 2004/83/EG mit der Richtlinie zu vereinbaren, dass der Antragsteller trotz Vorliegens eines Ausschluss­grundes nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie einen Anspruch auf Asyl nach nationalem Verfas­sungsrecht hat?

Quelle: ra-online, BVerwG

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