14.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 31676

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Bundesverwaltungsgericht Urteil21.04.2022

Grundsätzlich kein Abschie­bungs­schutz bei Existenz­si­cherung für absehbare Zeit nach der RückkehrLage kurz nach möglicher Rückkehr entscheidend für Abschiebeschutz

Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungs­schutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefah­ren­prognose ist grundsätzlich, ob der vollziehbar ausrei­se­pflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Mit dem angegriffenen Urteil hat der Verwal­tungs­ge­richtshof die beklagte Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, in Bezug auf den Kläger, einen 1998 geborenen afghanischen Asylan­trag­steller, ein nationales Abschie­bungs­verbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK in Bezug auf Afghanistan festzustellen. Aufgrund der gravierenden Verschlech­terung der wirtschaft­lichen Rahmen­be­din­gungen infolge der COVID-19-Pandemie sei es auch leistungs­fähigen, alleinstehenden erwachsenen Rückkehrern aus dem westlichen Ausland regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer begünstigender Umstände möglich, in Afghanistan auf legalem Wege ihre elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene zu befriedigen. Die freiwilligen Rückkehrern gewährten finanziellen Hilfen hätten für die Frage der Existenzsicherung bei fehlendem Netzwerk keine nachhaltige Bedeutung, da sie bestenfalls eine anfängliche Unterstützung und vorübergehende Bedarfsdeckung ermöglichten.

BVerwG: Kein "nachhaltige" Existenz­si­cherung erforderlich

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwal­tungs­ge­richtshof zurückverwiesen. Der von diesem für die Gefah­ren­prognose zugrunde gelegte Maßstab, nach dem auch unter Berück­sich­tigung von Rückkehrhilfen eine "nachhaltige" und nicht nur vorübergehende Existenz­si­cherung erforderlich ist, steht mit Art. 3 EMRK und mit dem Erfordernis einer "schnell" oder "alsbald" nach der Rückkehr eintretenden Gefahr nicht im Einklang.

Späteren Entwicklungen im Zielstaat nicht entscheidend

Die Gefahr eines Art. 3 EMRK-widrigen Zustands ist nicht schon dann gegeben, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Sie muss vielmehr in dem Sinne konkret sein, dass die drohende menschen­rechts­widrige Beein­träch­tigung in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang zu der Rückkehr eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser - in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder Verhal­tens­weisen des Ausländers - gerechtfertigt ist.

Abschie­bungs­schutz bei Rückkehrhilfen nur in Ausnahmefällen

Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschie­bungs­schutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurtei­lungs­zeitpunkt davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrschein­lichkeit droht. Der Rechtsstreit war an den Verwal­tungs­ge­richtshof zurück­zu­ver­weisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die zu den vorstehenden Maßstäben unzureichende tatrichterliche Würdigung nachzuholen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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