Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: § 180 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz ? LVwG) ermächtigt die Polizei zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft, Zugangsdatenauskunft sowie Bestandsdatenauskunft anhand dynamischer und statischer IP-Adressen bei Telekommunikationsdiensteanbietern. § 180 a Abs. 4 LVwG erstreckt diese Befugnisse auf den Abruf von Daten bei Telemediendiensteanbietern und erweitert sie noch um eine – inhaltlich begrenzte – Ermächtigung zur Nutzungsdatenauskunft. § 8 a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Schleswig-Holstein (Landesverfassungsschutzgesetz ? LVerfSchG) ermächtigt die Verfassungsschutzbehörde zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft bei Telemediendiensteanbietern. § 8 a Abs. 1 Satz 2 bis 4 LVerfSchG enthält auch für die Verfassungsschutzbehörde Ermächtigungsgrundlagen für die allgemeine Bestandsdatenauskunft, Zugangsdatenauskunft und Bestandsdatenauskunft anhand dynamischer IP-Adressen bei Telekommunikationsdiensteanbietern. Durch den ebenfalls angegriffenen § 15 Abs. 5 Satz 4 Telemediengesetz (TMG) werden über einen Verweis auf § 14 Abs. 2 TMG in der hier angegriffenen Gesetzesfassung Diensteanbieter von Telemedien zur Erteilung einer Nutzungsdatenauskunft für bestimmte, vorwiegend behördliche Zwecke berechtigt.
Die Beschwerdeführenden rügen insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihres nach Art. 10 Abs. 1 GG gewährleisteten Telekommunikationsgeheimnisses.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die angegriffenen Vorschriften die Bestands- und Nutzungsdatenauskunft bei Telemediendiensteanbietern betreffen. Hinsichtlich § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und § 8 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LVerfSchG ist die Verfassungsbeschwerde bereits verfristet. Die Beschwerdeführenden haben bezüglich der Regelungen zur Auskunft von Daten bei Telemediendiensteanbietern nicht dargelegt, beschwerdebefugt zu sein. Das betrifft neben § 180 a Abs. 4 LVwG und § 8 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LVerfSchG auch die ohnehin verspätet angegriffenen Vorschriften § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und § 8 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LVerfSchG. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet, soweit sie sich gegen die schleswig-holsteinischen Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern richtet. Das sind § 180 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 LVwG sowie § 8 a Abs. 1 Satz 2 bis 4 LVerfSchG. Diese Regelungen genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die verschiedenen Arten der Bestandsdatenauskunft, die der Erste Senat mit Beschlüssen vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1299/05 - (Bestandsdatenauskunft I) und vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - (Bestandsdatenauskunft II) klargestellt hat.
Regelungen zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern sind jedenfalls dann verhältnismäßig, wenn sie auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr an das Bestehen einer konkreten Gefahr geknüpft sind und für nachrichtendienstliche Zwecke vorsehen, dass die Auskunft im Einzelfall zur Aufklärung einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung geboten sein muss. Die angegriffenen Regelungen zur allgemeinen Bestandsdatenauskunft genügen diesen Anforderungen. § 180 a Abs. 1 Satz 1 LVwG setzt für die Polizei als Eingriffsschwelle eine „im einzelnen Falle bevorstehende Gefahr“ voraus, was dem Erfordernis einer konkreten Gefahr entspricht. § 8 a Abs. 1 Satz 2 LVerfSchG verlangt für die Verfassungsschutzbehörde, dass die allgemeine Bestandsdatenauskunft „im Einzelfall“ „zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlich ist“. Diese Formulierung kann so ausgelegt werden, dass sie die Gebotenheit der Auskunft zur Aufklärung einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung voraussetzt und damit verhältnismäßig ist. Die angegriffenen Regelungen zur Zugangsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern in § 180 a Abs. 2 Satz 1 LVwG und § 8 a Abs. 1 Satz 3 LVerfSchG genügen ebenfalls den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Dazu zählt vorwiegend, dass eine Zugangsdatenauskunft nur möglich ist, wenn auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung der erlangten Daten vorliegen.
Auch soweit Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensten anhand von IP-Adressen, nämlich § 180 a Abs. 2 Satz 2 und 3 LVwG und § 8 a Abs. 1 Satz 4 LVerfSchG, angegriffen sind, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bei Telekommunikationsdiensteanbietern anhand dynamischer IP-Adressen müssen aufgrund ihres gesteigerten Eingriffsgewichts zumindest dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern von hervorgehobenem Gewicht dienen; dazu zählen jedenfalls die durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter. Dem genügt § 180 a Abs. 2 Satz 2 LVwG auch insoweit, als er diese Maßnahme nicht nur zum Schutz von Leib, Leben oder Freiheit einer Person, sondern teils auch zur Abwehr von Schäden für Sach- oder Vermögenswerte oder die Umwelt eröffnet. Da die Tätigkeit der Nachrichtendienste von vornherein auf den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter gerichtet ist, ist eine ausdrückliche Begrenzung der zu schützenden Rechtsgüter auf diesem Gebiet nicht notwendig.
Regelungen, die zum Abruf von Bestandsdaten anhand dynamischer IP-Adressen ermächtigen, müssen vorsehen, dass die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen dokumentiert werden. Die angegriffenen Vorschriften regeln dies in der angegriffenen Fassung zwar nicht ausdrücklich. Gleichwohl erfolgt eine solche Dokumentation aufgrund der dort vorgesehenen Verfahrensregelungen. So steht die Bestandsdatenauskunft anhand von IP-Adressen nach dem Landesverwaltungsgesetz grundsätzlich unter einem Richtervorbehalt und die Parallelmaßnahme nach dem Landesverfassungsschutzgesetz unter dem Vorbehalt einer ministeriellen Anordnung. Beide setzen einen begründeten Antrag voraus, wodurch eine Dokumentation der zugrundeliegenden Tatsachen erreicht wird. Dessen ungeachtet ordnet die aktuelle Gesetzesfassung für die Landespolizei eine Protokollierung nun auch ausdrücklich an.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.05.2021
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)