Dokument-Nr. 169
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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.01.2005
BVerfG: Zur Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines seit über 23 Jahren aufgrund strafgerichtlicher Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Beschwerdeführers (Bf) gegen seine weitere Unterbringung war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die angegriffenen Fortdauerbeschlüsse des Landgerichts (LG) und Oberlandesgerichts (OLG) auf, da sie den Bf in seinem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzen. Die Sache wurde an das LG zurückverwiesen.
Der damals 28 jährige Bf befindet sich – von einer kürzeren Unterbrechung abgesehen – seit 1980, und damit sei über 23 Jahren, im Maßregelvollzug. Anlasstaten waren ein Verstoß gegen das Waffengesetz, Diebstahl und Bedrohung, die der Bf. im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hatte. Er war wegen Sachbeschädigungs- und Eigentumsdelikten, nicht aber wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Auch wenn sich der Krankheitszustand des Bf seit den Jahren 2001/2002 verbesserte, hoben die behandelnden Ärzte 2003 hervor, dass der Bf nach wie vor an paranoiden Wahnvorstellungen leide, fremdaggressiv sei und immer wieder die Medikation verweigere.
Auf der Grundlage einer anstaltsärztlichen Stellungnahme beschloss das LG die weitere Unterbringung des Bf. Das OLG bestätigte die Entscheidung. Die hiergegen gerichtete Vb hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Je länger die Unterbringung dauert, umso strenger sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Zudem ist es unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf ausreichender richterlicher Sachaufklärung beruhen. Insbesondere bei länger andauernder Unterbringung besteht regelmäßig die Pflicht, bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung einen besonders erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen.
Der Bf hat nunmehr fast die Hälfte seines Lebens im Maßregelvollzug verbracht. Die außerordentlich lange Dauer der Unterbringung überschreitet die Strafrahmen der von ihm begangenen Taten, die Anlass für die Unterbringung waren, bei weitem. Die Vorstrafen des Bf betrafen nur Bagatelldelikte. In Anbetracht dieser Umstände hätte das LG, um seiner Aufklärungspflicht zu genügen, ein zeitnahes, auswärtiges Prognosegutachten eines forensischen Experten einholen müssen. Die Stellungnahme der behandelnden Ärzte kann ein solches nicht ersetzen, zumal sie nicht auf einer eigenständigen Exploration des Bf beruhte. Diese vermittelte lediglich einen allgemeinen Eindruck von der Verfassung des Bf aus medizinisch-psychiatrischer Sicht. Aussagen über die Gefahr weiterer Taten des Bf finden sich darin nicht in der erforderlichen Ausführlichkeit.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.02.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 14/2005 des BVerfG vom 10. Februar 2005
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