15.11.2024
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Dokument-Nr. 169

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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.01.2005

BVerfG: Zur Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Die Verfas­sungs­be­schwerde (Vb) eines seit über 23 Jahren aufgrund straf­ge­richt­licher Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Beschwer­de­führers (Bf) gegen seine weitere Unterbringung war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die angegriffenen Fortdau­e­r­be­schlüsse des Landgerichts (LG) und Oberlan­des­ge­richts (OLG) auf, da sie den Bf in seinem Freiheits­grundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzen. Die Sache wurde an das LG zurückverwiesen.

Der damals 28 jährige Bf befindet sich – von einer kürzeren Unterbrechung abgesehen – seit 1980, und damit sei über 23 Jahren, im Maßregelvollzug. Anlasstaten waren ein Verstoß gegen das Waffengesetz, Diebstahl und Bedrohung, die der Bf. im Zustand der Schul­d­un­fä­higkeit begangen hatte. Er war wegen Sachbe­schä­digungs- und Eigen­tums­de­likten, nicht aber wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Auch wenn sich der Krank­heits­zustand des Bf seit den Jahren 2001/2002 verbesserte, hoben die behandelnden Ärzte 2003 hervor, dass der Bf nach wie vor an paranoiden Wahnvor­stel­lungen leide, fremdaggressiv sei und immer wieder die Medikation verweigere.

Auf der Grundlage einer anstalt­s­ärzt­lichen Stellungnahme beschloss das LG die weitere Unterbringung des Bf. Das OLG bestätigte die Entscheidung. Die hiergegen gerichtete Vb hatte Erfolg.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Je länger die Unterbringung dauert, umso strenger sind die Anforderungen an die Verhält­nis­mä­ßigkeit des Freiheits­entzugs. Zudem ist es unverzichtbare Voraussetzung rechts­s­taat­lichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf ausreichender richterlicher Sachaufklärung beruhen. Insbesondere bei länger andauernder Unterbringung besteht regelmäßig die Pflicht, bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung einen besonders erfahrenen Sachver­ständigen hinzuzuziehen.

Der Bf hat nunmehr fast die Hälfte seines Lebens im Maßregelvollzug verbracht. Die außerordentlich lange Dauer der Unterbringung überschreitet die Strafrahmen der von ihm begangenen Taten, die Anlass für die Unterbringung waren, bei weitem. Die Vorstrafen des Bf betrafen nur Bagatelldelikte. In Anbetracht dieser Umstände hätte das LG, um seiner Aufklä­rungs­pflicht zu genügen, ein zeitnahes, auswärtiges Progno­se­gut­achten eines forensischen Experten einholen müssen. Die Stellungnahme der behandelnden Ärzte kann ein solches nicht ersetzen, zumal sie nicht auf einer eigenständigen Exploration des Bf beruhte. Diese vermittelte lediglich einen allgemeinen Eindruck von der Verfassung des Bf aus medizinisch-psychiatrischer Sicht. Aussagen über die Gefahr weiterer Taten des Bf finden sich darin nicht in der erforderlichen Ausführlichkeit.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 14/2005 des BVerfG vom 10. Februar 2005

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