23.11.2024
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Dokument-Nr. 3699

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Bundesverfassungsgericht Beschluss27.12.2006

Adhäsionskläger steht Recht auf Richte­r­a­b­lehnung zuVerfahren soll in der Rechts­wirk­lichkeit eine größere Bedeutung bekommen

Das Adhäsi­ons­ver­fahren ermöglicht es dem Opfer einer Straftat, Entschä­di­gungs­ansprüche wie etwa den Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld schon im Strafverfahren (und nicht erst in einem eigenständigen Verfahren vor den Zivilgerichten) gegen den Angeklagten geltend zu machen.

Der Beschwer­de­führer ist Antragsteller in einem Adhäsi­ons­ver­fahren, in dem er Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 38.347 Euro als Ausgleich für einen durch angeblich betrügerische Handlungen des Angeklagten verursachten Schaden verlangt. In diesem Verfahren lehnte er die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Amtsgericht verwarf das Ableh­nungs­gesuch als unzulässig, weil das Gesetz ein Ablehnungsrecht des Adhäsi­ons­klägers nicht vorsehe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde vom Landgericht verworfen. Die Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers hatte Erfolg. Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die angegriffenen Entscheidungen auf, da sie den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Das Adhäsi­ons­ver­fahren eröffnet dem Geschädigten einer Straftat die Möglichkeit, im Strafverfahren finanzielle Kompensation für erlittene Schäden zu erlangen. Untersuchungen zeigen, dass für Opfer von Straftaten das Wieder­gut­ma­chungs­be­dürfnis, gerade auch in seiner finanziellen Dimension, generell eine sehr große Rolle spielt. Im Einzelfall – wenn z.B. aufwändige Fahndungs­maß­nahmen und Zwangsmittel erforderlich sind, um den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen – kann die Anhaftung der Entschä­di­gungs­mög­lichkeit an das Strafverfahren für den Geschädigten die einzige Möglichkeit darstellen, Kompensation zu erlangen. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund die Rechte des Adhäsi­ons­klägers mehrfach gestärkt in dem Bestreben, dem Adhäsi­ons­ver­fahren in der Rechts­wirk­lichkeit eine größere Bedeutung zu verschaffen. Mit den Änderungen durch das Opfer­rechts­re­form­gesetz vom 24. Juni 2004 beabsichtigte der Gesetzgeber, die Durchführung des Adhäsi­ons­ver­fahrens zum Regelfall der Durchsetzung zivil­recht­licher Ansprüche des Opfers zu machen.

Vor diesem Hintergrund ist der Antragsteller im Adhäsi­ons­ver­fahren als Rechtsuchender im Sinne der verfas­sungs­ge­richt­lichen Rechtsprechung anzusehen, dem die Ablehnung des gesetzlichen Richters offen steht, wenn dieser nicht die Gewähr der Unpar­tei­lichkeit bietet. Da das Adhäsi­ons­ver­fahren seit seiner Stärkung durch das Opfer­rechts­re­form­gesetz den gesetzlichen Regelfall der Durchsetzung von Opferansprüchen darstellt, ist der Antragsteller in erheblichem Maße beschwert, wenn das Verfahren, veranlasst durch ein parteiliches Verhalten des gesetzlichen Richters, scheitert und der Antragsteller sich auf ein neues – zeit- und kosten­in­tensives – Verfahren vor den Zivilgerichten verwiesen sieht. Zwar hat der Gesetzgeber in der Straf­pro­zess­ordnung ein Recht des Adhäsi­ons­klägers zur Ablehnung des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit nicht ausdrücklich normiert. Die gesetzliche Ausgestaltung des Adhäsi­ons­ver­fahrens kann aber in einer den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen an die Gewährleistung eines Ableh­nungs­rechts des Adhäsi­ons­klägers genügenden Weise dahingehend ausgelegt werden, dass auch dem Adhäsionskläger ein Ablehnungsrecht zusteht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 06/07 des BVerfG vom 24.01.2007

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