15.11.2024
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Dokument-Nr. 2042

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Bundesverfassungsgericht Beschluss16.02.2006

Richter darf unentgeltliche Rechtsberatung erteilenUnentgeltliche Rechtsberatung durch berufs­er­fahrenen Juristen

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines pensionierten Richters, der schon seit langem um die Anerkennung der „altruistischen Rechtsberatung“ kämpft, gegen seine Nichtzulassung als Wahlverteidiger in einem Strafverfahren war erfolgreich.

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines pensionierten Richters, der schon seit langem um die Anerkennung der „altruistischen Rechtsberatung“ kämpft, gegen seine Nichtzulassung als Wahlverteidiger in einem Strafverfahren war erfolgreich. Das Landgericht und das Oberlan­des­gericht hatten die Zulassung als Verteidiger versagt, weil der Beschwer­de­führer, der bereits zweimal wegen unerlaubter geschäfts­mäßiger Besorgung fremder Rechts­an­ge­le­gen­heiten verurteilt worden war, die nach Art. 1 § 1 Rechts­be­ra­tungs­gesetz erforderliche Erlaubnis nicht besitze. Eine behördliche Erlaubnis sei auch für die unentgeltliche, rein altruistische Rechtsberatung notwendig, sofern sie geschäftsmäßig und nicht nur einmalig betrieben werde. Weil die Tätigkeit des Beschwer­de­führers einen erneuten Verstoß gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz bedeute, komme eine Zulassung als Wahlverteidiger nicht in Betracht.

Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die angegriffene Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts auf. Die Nichtzulassung des Beschwer­de­führers als Wahlverteidiger im Strafverfahren stelle einen nicht gerecht­fer­tigten Eingriff in seine allgemeine Handlungs­freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Die Sache wurde zu neuer Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte bereits in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2004 (vgl. Presse­mit­teilung Nr. 76/2004 vom 5. August 2004) das Verbot der unentgeltlichen Rechtsberatung durch einen Volljuristen in Frage gestellt. Der Begriff der Geschäfts­mä­ßigkeit in Art. 1 § 1 Rechts­be­ra­tungs­gesetz könne unter Abwägung der Schutzzwecke des Rechts­be­ra­tungs­ge­setzes einerseits und des Grundrechts der allgemeinen Handlungs­freiheit andererseits eine Auslegung erfordern, die die unentgeltliche Rechtsbesorgung durch einen berufs­er­fahrenen Juristen nicht erfasst.

Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung kann Art. 1 § 1 Rechts­be­ra­tungs­gesetz auf die von dem Beschwer­de­führer ausgeübte unentgeltliche Rechtsberatung keine Anwendung finden, wenn bei der Auslegung des Begriffs der „Geschäfts­mä­ßigkeit“ die grundrechtlich garantierte Handlungs­freiheit des Beschwer­de­führers hinreichende Beachtung findet. Ein vermeintlicher Verstoß gegen Art. 1 § 1 Rechts­be­ra­tungs­gesetz kann damit auch nicht als Begründung zur Versagung einer Genehmigung als Wahlverteidiger im Strafverfahren herangezogen werden. Indem das Oberlan­des­gericht die Reichweite des Grundrechts der allgemeinen Handlungs­freiheit nicht erkannt und einseitig die auf einer überholten Auslegung des Rechts­be­ra­tungs­ge­setzes gestützten Bedürfnisse der Rechtspflege in die Abwägung eingestellt hat, liegt ein schwerwiegender Fehler bei der Ermes­sen­s­ent­scheidung über die Bestellung als Wahlverteidiger vor.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 17/2006 des BVerfG vom 09.03.2006

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