15.11.2024
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Dokument-Nr. 2706

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Bundesverfassungsgericht Beschluss04.07.2006

Zu den Minde­st­an­for­de­rungen an einen Durchsuchungs- oder AbhörbeschlussRichter muss Verdacht des Straf­tat­be­standes ausführlich begründen

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines Rechtsanwalts gegen die gerichtliche Anordnung des Abhörens von Gesprächen mit einem inhaftierten Mandanten und gegen die Durchsuchung seiner Kanzleiräume wegen des Verdachts der Geldwäsche war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts stellte fest, dass das Abhören des Vertei­di­ger­ge­spräches und die Durchsuchung der Kanzlei den Beschwer­de­führer in seiner Berufs­aus­übungs­freiheit sowie seinem Recht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung verletzten.

Das Gewicht des Grund­recht­s­ein­griffs verlange den Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist. Der Richter­vor­behalt gebiete es, dass in dem richterlichen Durchsuchungs- und Abhörbeschluss ein Verhalten oder sonstige Umstände geschildert werden, die wenn sie erwiesen sein sollten – die wesentlichen Merkmale eines Straf­tat­be­standes erfüllen. Diesen Anforderungen genügten die angegriffenen Beschlüsse nicht.

Der Beschwer­de­führer verteidigte einen Mandanten, der als Chef einer gewalttätigen Türsteher- und Zuhälterbande wegen Rädels­füh­rer­schaft in einer kriminellen Vereinigung und wegen zahlreicher weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt wurde. Er vertrat diesen Mandanten auch während der Verbüßung der Freiheitsstrafe. Dazu besuchte er ihn wiederholt in der Justiz­voll­zugs­anstalt; des Weiteren zahlte er in mehreren Teilbeträgen 2.850 € auf das Anstaltskonto des Mandanten ein.

In der Folgezeit richtete sich gegen den Mandanten der Verdacht, dass er weiterhin seine Beteiligungen an mehreren Bordell­be­trieben organisierte und über die Verteilung der dabei eingenommenen Geldbeträge bestimmte. Auch gegen den Beschwer­de­führer wurde wegen des Verdachts der Geldwäsche ein Ermitt­lungs­ver­fahren eingeleitet. Auf Antrag der Staats­an­walt­schaft ordnete das Amtsgericht das Abhören der Gespräche zwischen dem Beschwer­de­führer und seinem Mandanten in der Justiz­voll­zugs­anstalt sowie die Durchsuchung seiner Kanzleiräume an. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass der Beschwer­de­führer verdächtig sei, Einnahmen, die Mitglieder einer kriminellen Vereinigung aus Bordell­be­trieben erzielt und nicht versteuert hätten, für seinen Mandanten entge­gen­ge­nommen zu haben.

Das Landgericht verwarf die Beschwerde des Beschwer­de­führers. Seine Verfas­sungs­be­schwerde hatte hingegen Erfolg.

In einem Abhör- bzw. Durch­su­chungs­be­schluss muss zum Ausdruck kommen, dass der Ermitt­lungs­richter die Eingriffs­vor­aus­set­zungen selbständig und eigen­ver­ant­wortlich geprüft hat. Dazu muss der Richter ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten schildern, das die Voraussetzungen eines Strafgesetzes erfüllt. Die Schilderung braucht nicht so vollständig zu sein wie die Sachver­halts­dar­stellung in einer Anklage oder einem Urteil. Es müssen aber ein Verhalten oder sonstige Umstände geschildert werden, die alle wesentlichen Merkmale des Straf­tat­be­standes erfüllen.

Wesentliches Merkmal der Strafbarkeit der Geldwäsche ist, dass eine Vortat begangen wurde, die im Katalog des § 261 Abs. 1 Satz 1 Strafgesetzbuch aufgeführt ist. Die Darlegungen zum Geldwä­sche­verdacht erfordern deshalb die Schilderung auch des Vortatverdachts. Kommt als Vortat eine Steuer­hin­ter­ziehung in Betracht, ist den Darle­gungs­an­for­de­rungen nicht Genüge getan, wenn lediglich behauptet wird, Einnahmen seien nicht versteuert worden. Damit ist die Tathandlung der Steuer­hin­ter­ziehung nicht einmal ansatzweise beschrieben. Es bleibt schon offen, welche Steuer gemeint ist. Tathandlungen einer Steuer­hin­ter­ziehung sind falsche oder pflichtwidrig unterlassene Erklärungen gegenüber den Finanzbehörden. Selbst zu einer im Ermitt­lungs­ver­fahren ausreichenden vergröbernden Schilderung des Verdachts einer Steuer­hin­ter­ziehung gehört es daher, dass angegeben wird, welche Steuer und welcher steuerbare Gegenstand betroffen sind und durch welche Verletzung einer steuer­recht­lichen Verpflichtung die Steuer­ver­kürzung oder der Steuervorteil bewirkt worden sein soll.

Dem werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Die Gerichte hätten benennen müssen, welche Steuererklärung oder Voranmeldung pflichtwidrig unterlassen oder falsch abgegeben und welche Steuer dadurch verkürzt wurde. Weitere Voraussetzung für die auf Geldwäsche gestützten Durchsuchungs- und Abhörbeschlüsse wäre die Bildung einer kriminellen Vereinigung, so dass es einer eigenen Darlegung der Erfüllung dieses Tatbe­stands­merkmals bedurft hätte. Insoweit genügt es nicht, auf eine frühere Verurteilung zu verweisen; denn die Vortat muss aktuell begangen worden sein.

Ob das in den angegriffenen Beschlüssen geschilderte Verhalten des Beschwer­de­führers einen anderen als den dort angegebenen Tatbestand der Geldwäsche erfüllt, brauchte das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht zu prüfen. Durchsuchungs- oder Abhörbeschlüsse müssen den gesetzlichen Tatbestand, auf dessen Verwirklichung sich der Verdacht richtet, selbst benennen. Nur wenn der zur Kontrolle des Eingriffs berufene Richter sich den in Frage kommenden Straftatbestand vergegenwärtigt, kann die Verhält­nis­mä­ßigkeit vollständig geprüft werden, weil die Zumutbarkeit des Eingriffs auch von der Schwere der vorgeworfenen Tat abhängt, für die die Strafdrohung von wesentlicher Bedeutung ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 66/06 des BVerfG vom 19.07.2006

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