15.11.2024
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Dokument-Nr. 2128

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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.03.2006

Eilrechtsschutz gegen belastende Maßnahmen im Strafvollzug

Die Justiz­voll­zugs­anstalt, in der der Beschwer­de­führer eine Freiheitsstrafe verbüßt, erhebt seit April 2005 von jedem Gefangenen, der außer einem einfachen Radiogerät weitere Elektrogeräte besitzt, eine Strom­kos­ten­pau­schale von 2 € pro Monat. Da sich der Beschwer­de­führer mit einer Beteiligung an den Stromkosten nicht einverstanden erklärte, wurden aus seinem Haftraum ein Tauchsieder, eine Tischlampe und ein Fernsehgerät entfernt.

Noch am selben Tag beantragte er beim Landgericht die Herausgabe der entfernten Elektrogeräte. Zugleich stellte er den Eilantrag, ihm die Nutzung seiner Geräte bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache wieder zu ermöglichen. Das Landgericht lehnte die Gewährung von Eilrechtsschutz ab, da die vorläufige Rückgabe der Geräte eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache sei.

Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde, mit der der Beschwer­de­führer eine Verletzung seiner Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend machte, hatte Erfolg. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die angegriffene Entscheidung auf, da sie den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletze. Das Landgericht habe die Voraussetzungen für den Erlass einer Eilentscheidung gegen belastende Maßnahmen im Strafvollzug verkannt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Zur Zulässigkeit der Verfas­sungs­be­schwerde:

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist nicht deshalb unzulässig, weil der Beschwer­de­führer im Hinblick auf den gerügten Gehörsverstoß zunächst eine Anhörungsrüge (§ 120 StVollzG i.V.m. § 33 a StPO) hätte erheben müssen. Auf einen offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelf kann der Beschwer­de­führer als Voraussetzung der Zulässigkeit seiner Verfas­sungs­be­schwerde nicht verwiesen werden. Soweit ein Beschwer­de­führer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, kann ihm daher nicht entgegenhalten werden, dass er zunächst eine Anhörungsrüge hätte erheben müssen, wenn seine Berufung auf Art. 103 Abs. 1 GG offensichtlich allein auf unzutreffenden Annahmen über Inhalt und Grenzen dieses Grundrechts beruht. Zur Begründetheit der Verfas­sungs­be­schwerde: Der Gesetzgeber differenziert bei der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Strafvollzug nach dem Gegenstand der Hauptsache. Es bestehen unter­schiedliche Voraussetzungen, je nach dem, ob der Antragsteller die Aufhebung einer ihn belastenden Maßnahme (§ 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG) oder ob er die Verpflichtung zum Erlass einer von der Anstalt abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt (§ 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG). Das Landgericht prüft das Rechts­schutz­be­gehren anhand der für ein Verpflich­tungs­be­gehren geltenden Voraussetzungen. Diese Sachbehandlung wird dem Begehren des Beschwer­de­führers nicht gerecht. Das in der Hauptsache verfolgte Begehren richtete sich auf die Aufhebung einer belastenden Maßnahme, nämlich des Widerrufs der zuvor erteilten Erlaubnis, die Elektrogeräte in seinem Haftraum in Besitz zu haben. Dass dem Beschwer­de­führer die Geräte im Falle der Aufhebung dieses Widerrufs zurückzugeben wären, macht aus seinem Begehren kein Verpflich­tungs­be­gehren; vielmehr liegt darin lediglich eine Beseitigung der Vollzugsfolgen.

Die vorläufige Aussetzung einer belastenden Maßnahme bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache stellt auch keine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Die vorläufige Aussetzung ist vielmehr, sofern die Voraussetzungen für eine stattgebende Eilentscheidung im Übrigen vorliegen, gerade der typische, vom Gesetzgeber vorgesehene Regelungsgehalt des vorläufigen Rechtsschutzes gegen belastende Maßnahmen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 23/06 des BVerfG vom 24.03.2006

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