21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss19.05.2010

BVerfG: Straftäter muss nicht sofort aus Siche­rungs­ver­wahrung entlassen werdenGericht trotzt Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Ein seit über zehn Jahren in Siche­rungs­ver­wahrung befindlicher Straftäter muss vorerst nicht freigelassen werden. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht und lehnte den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung ab.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Falls befindet sich seit über 10 Jahren in der Sicherungsverwahrung. Er wurde im Jahr 1996 unter anderem wegen versuchten schweren Menschenhandels, Körper­ver­letzung, Freiheits­be­raubung, sexueller Nötigung und Förderung der Prostitution straf­ge­richtlich verurteilt. Zugleich wurde die Siche­rungs­ver­wahrung angeordnet. Gegen die Anordnung der Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung hat der Beschwer­de­führer Verfas­sungs­be­schwerde erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem Ziel, ihn sofort freizulassen. Zur Begründung seines Antrags berief er sich unter anderem auf das - seit 10. Mai 2010 endgültige - Kammerurteil vom 17. Dezember 2009 des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das einen anderen Beschwer­de­führer betraf.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht lehnt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die durch das - nach Ablehnung des Antrags auf Verweisung an die Große Kammer am 10. Mai 2010 nunmehr endgültige - Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Siche­rungs­ver­wahrung aufgeworfenen Rechtsfragen sind im Haupt­sa­che­ver­fahren zu klären.

Siche­rungs­be­dürfnis der Allgemeinheit wiegt schwerer als Beendigung der Freiheits­ent­ziehung des Beschwer­de­führers

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn die für den Erlass sprechenden Gründe deutlich überwiegen. Diese Folgenabwägung hat im vorliegenden Fall ergeben, dass das Siche­rungs­be­dürfnis der Allgemeinheit im Fall der Zurückweisung der Verfas­sungs­be­schwerde das Interesse des Beschwer­de­führers an der Beendigung der Freiheits­ent­ziehung (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) für den Fall des Erfolgs seiner Verfas­sungs­be­schwerde überwiegt. Die Fachgerichte haben ihre Annahme, dass von dem Beschwer­de­führer Straftaten des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und ähnliche Delikte drohten, nachvollziehbar begründet. In Anbetracht dessen und angesichts der Schwere der drohenden Taten kann ein Überwiegen der für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe nicht festgestellt werden.

Sofortige Freilassung des Beschwer­de­führers von Verfassungs wegen nicht geboten

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat damit nochmals seine - bereits in einem ähnlichen Beschluss vom 22. Dezember 2009 angedeutete - Linie bekräftigt, dass die durch das Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 zur Siche­rungs­ver­wahrung aufgeworfenen Rechtsfragen einer Klärung im Haupt­sa­che­ver­fahren zugeführt werden sollen und eine sofortige Freilassung des Beschwer­de­führers nach einer Folgenabwägung von Verfassungs wegen nicht geboten ist.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

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