23.11.2024
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Entscheidung25.01.2005Bundesverfassungsgericht2 BvR 656/99
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Bundesverfassungsgericht Entscheidung25.01.2005

Anforderungen an die Revisionsrüge der Verwertung einer nicht in die Haupt­ver­handlung eingeführten Urkunde

Für eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Revisionsrüge, mit der geltend gemacht wird, das Tatgericht habe im Urteil den Inhalt einer in der Haupt­ver­handlung nicht verlesenen Urkunde verwertet (§ 261 StPO), verlangt das Revisi­ons­gericht regelmäßig den Vortrag, dass der Inhalt der Urkunde auch nicht in sonstiger prozess­ord­nungs­gemäßer Weise in die Haupt­ver­handlung eingeführt worden ist. Diese Auslegung ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Dies entschied der Zweite Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts.

Sachverhalt:

Das Landgericht verurteilte die drei Beschwer­de­führer (Bf) wegen gemein­schaft­lichen Mordes jeweils zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Mit der gegen das Urteil eingelegten Revision rügten die Bf unter anderem, dass das Gericht im Urteil Listen mit Verbin­dungsdaten zahlreicher zwischen ihnen geführter Telefonate verwendet habe, die weder durch Verlesung noch in sonstiger Weise in die Haupt­ver­handlung eingeführt worden seien. Insbesondere seien sie auch nicht im Wege der Vernehmung des sachver­ständigen Zeugen S. von der Mobilfunk-GmbH zum Gegenstand der Haupt­ver­handlung gemacht worden. Denn der Zeuge sei lediglich zu technischen Details befragt worden. Damit habe das Gericht § 261 StPO verletzt. Der BGH verwarf die Revisionen der Bf. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass die Rüge einer Verletzung des § 261 StPO unzulässig sei, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genüge. Die Bf hätten die Verfah­ren­s­tatsache verschwiegen, dass der sachverständige Zeuge S. vom Kammer­vor­sit­zenden geladen worden sei und zwar mit dem Zusatz: „Ihr Zeichen: PSDA – 364/96, Auskunft vom 28. Mai 1996. Sie sollen als sachver­ständiger Zeuge zu den Einzelheiten der o.g. Auskunft vernommen werden“. Danach liege es nahe, dass der Zeuge zu einzelnen Daten aus den Telefonlisten befragt worden ist. Die gegen die Entscheidung des BGH erhobenen Verfas­sungs­be­schwerden hatten Erfolg. Der Zweite Senat hob den Beschluss auf, da er die Bf in ihrem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzte. Die Sache wurde an den BGH zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Die angegriffene Entscheidung gibt zu verfas­sungs­recht­licher Rüge keinen Anlass, soweit sie sich in den Grenzen der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bewegt. Danach ist für die Rüge der Verwertung des Inhalts einer nicht in der Haupt­ver­handlung verlesenen Urkunde regelmäßig der Vortrag erforderlich, dass der Inhalt der Urkunde auch nicht in sonstiger prozess­ord­nungs­gemäßer Weise in die Haupt­ver­handlung eingeführt worden ist.

Diese Auslegung ist vom Wortsinn des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umfasst. Unter "die den Mangel enthaltenden Tatsachen" sind die Umstände zu verstehen, die den Gesetzesverstoß unmittelbar begründen. Grundsätzlich begründet erst der Vortrag, dass das Tatgericht keine der nahe liegenden Möglichkeiten zur prozess­or­dungs­gemäßen Einführung des Inhalts einer Urkunde genutzt hat, einen Verfah­rens­verstoß nach § 261 StPO. Denn die Tatsache „fehlende Einführung in die Haupt­ver­handlung“ setzt voraus, dass von mehreren möglichen Prozes­se­r­eig­nissen keines stattgefunden hat. Die Auffassung des BGH steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Vorschrift verfolgt unter anderem das Ziel, das Revisi­ons­gericht in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisi­ons­be­gründung über die Schlüssigkeit einer Verfahrensrüge zu befinden. Dadurch wird einer Überlastung der Revisi­ons­ge­richte entgegengewirkt, die ihrerseits wieder den effektiven Rechtsschutz insgesamt beeinträchtigen würde. Der vom BGH geforderte Tatsa­chen­vortrag macht das Rechtsmittel der Revision auch nicht ineffektiv. Denn die Möglichkeiten der Einführung des Inhalts einer Urkunde sind gesetzlich begrenzt und unschwer am Gesetzestext erkennbar.

2. Hingegen hat der BGH die Zuläs­sig­keits­an­for­de­rungen im Einzelfall überspannt, wenn er die Mitteilung von Tatsachen fordert, die mit dem Vorgang der Beweisgewinnung in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Dies betrifft die vom BGH vermisste Mitteilung der Ladung des sachver­ständigen Zeugen S. und des dabei angegebenen Ladungszusatzes. Aus der Ladung folgt nicht, ob der Zeuge auch vernommen worden ist. Der Ladungszusatz gibt für die Frage, ob und in welchem Umfang der Inhalt der Telefonlisten über den geladenen Zeugen in die Haupt­ver­handlung tatsächlich eingeführt worden ist, keinen Aufschluss. Bei dieser Sachlage war es für die Bf nicht vorhersehbar, dass es dem BGH für die Zulässigkeit der Rüge auf die Ladungs­ver­fügung ankommen werde. Der BGH hat damit den Zugang zum Revisi­ons­gericht in unzumutbarer Weise beschränkt.

Beschluss vom 25. Januar 2005 – 2 BvR 656/99, 2 BvR 657/99 und 2 BvR 683/99 –

Quelle: Pressemitteilung Nr. 45/05 des BVerfG vom 25.05.2005

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