14.11.2024
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Dokument-Nr. 443

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Entscheidung28.04.2005Bundesverfassungsgericht2 BvR 636/05
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Bundesverfassungsgericht Entscheidung28.04.2005

Anträge von Peter Gauweiler gegen die Ratifizierung der EU-Verfassung ohne Erfolg

Der Zweite Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die gegen den Bundestag gerichtete Organklage verworfen und die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Dadurch haben sich die zugleich erhobenen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

Sachverhalt:

Der Antragsteller und Beschwer­de­führer (Bf) ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Er wendet sich gegen den Beschluss des Ältestenrates des Deutschen Bundestages, am 12./13. Mai 2005 über das Zustim­mungs­gesetz über eine Verfassung für Europa in zweiter und dritter Lesung zu beschließen. In seiner Eigenschaft als Abgeordneter des Deutschen Bundestages sieht er sich durch diesen Beschluss in seinem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt und macht geltend, das beabsichtigte Zustim­mungs­gesetz sei verfassungs- und staatswidrig (Organ­streit­ver­fahren). Als Bürger der Bundesrepublik Deutschland werde er in seinen Grundrechten der politischen Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und auf Vertretung durch den Deutschen Bundestag aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Er könne sich auch auf das grund­rechts­gleiche Recht des Widerstands aus Art. 20 Abs. 4 GG stützen (Verfas­sungs­be­schwerde).

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Der Antrag im Organ­streit­ver­fahren ist unzulässig. Der Antragsteller ist nicht antragsbefugt. Die hier angegriffene Terminierung kann Rechte des Antragstellers nicht verletzen. Mit der zweiten und dritten Beratung erfüllt der Deutsche Bundestag die im parla­men­ta­rischen Binnenrecht vorgesehenen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens. Zugleich ermöglicht er die von der Verfassung formulierte Erwartung, dass sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in der öffentlichen Beratung eine Meinung über den Gesetzesentwurf bilden können. Erst die freie Debatte im Deutschen Bundestag verbindet das Gesetz­ge­bungs­ver­fahren mit einer substantiellen Willensbildung, die es dem Abgeordneten ermöglicht, die Verantwortung für seine Entscheidung zu übernehmen.

2. Die Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig. Tauglicher Gegenstand der Vb wäre erst das Zustim­mungs­gesetz selbst, nicht bereits dessen Lesung und Beschluss­fassung hierüber im Deutschen Bundestag. Insoweit fehlt es an einem Akt der öffentlichen Gewalt, der Rechte des Bf berühren könnte. Lesung und Beschluss­fassung sind Bestandteile des Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens. Sie entfalten dem Bürger gegenüber keine unmittelbare Auswirkung.

Ebensowenig kann sich der Bf hier dagegen wenden, dass sich der Deutsche Bundestag überhaupt mit der Angelegenheit befasst und diese auf die Tagesordnung setzt. Der Beschluss des Ältestenrates erzeugt gegenüber dem Bürger keine recht­s­er­heb­lichen Wirkungen.

Den Interessen des Bf ist hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass er gegen das Zustim­mungs­gesetz zum Vertrag über eine Verfassung für Europa unmittelbar nach Abschluss des Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens in Bundestag und Bundesrat schon vor Ausfertigung und Verkündung mit der Vb vorgehen kann. Der Bundespräsident hat etwa im verfas­sungs­ge­richt­lichen Verfahren betreffend das Zustim­mungs­gesetz zum Vertrag von Maastricht erklärt, er werde die Ratifi­ka­ti­o­ns­urkunde erst unterzeichnen, wenn das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in der Hauptsache entschieden habe. Desgleichen sicherte die Bundesregierung im damaligen Verfahren zu, die Ratifi­ka­ti­o­ns­urkunde vorerst nicht zu hinterlegen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 35/2005 des BVerfG vom 28.04.2005

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