20.11.2025
Urteile, erschienen im Oktober2025
 MoDiMiDoFrSaSo
40  12345
416789101112
4213141516171819
4320212223242526
442728293031  
Urteile, erschienen im November2025
 MoDiMiDoFrSaSo
44     12
453456789
4610111213141516
4717181920212223
4824252627282930
Unser Newsletter wird demnächst umgestellt...

Als Nachfolger des erfolgreichen Portals kostenlose-urteile.de werden wir demnächst auch dessen Newsletter übernehmen und unter dem Namen urteile.news weiter betreiben.

Solange können Sie sich noch über kostenlose-urteile.de bei unserem Newsletter anmelden. Er enthält trotz des Namens kostenlose-urteile.de alle neuen Urteilsmeldungen von urteile.news und verweist auch dahin.

Wir bitten für die Unannehmlichkeiten um ihr Verständnis.

> Anmeldung und weitere Informationen
20.11.2025 
Sie sehen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Dokument-Nr. 35583

Sie sehen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Drucken
Beschluss19.09.2025Bundesverfassungsgericht2 BvR 460/25
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss19.09.2025

Auch zur Durchführung einer Abschiebung darf die Polizei eine Wohnung nicht ohne richterlichen Beschluss durchsuchenBundes­ver­fas­sungs­gericht rügt Durchsuchung einer Gemein­schafts­un­terkunft ohne Beschluss bei Abschiebung

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat einer Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Durchsuchung in einer Gemein­schafts­un­terkunft zum Zwecke der Abschiebung stattgegeben. Auf der Suche nach einem abgelehnten Asylbewerber hatte die Berliner Polizei ein Zimmer aufgebrochen. Laut Bundes­ver­fas­sungs­gericht hätte es dafür einer richterlichen Durch­su­chungs­a­n­ordnung bedurft.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat einer Verfas­sungs­be­schwerde stattgegeben, mit der sich der Beschwer­de­führer gegen seine Ergreifung zum Zwecke der Abschiebung in dem von ihm bewohnten Raum einer Gemein­schafts­un­terkunft ohne vorherige richterliche Durch­su­chungs­a­n­ordnung wendet.

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist, soweit sie zur Entscheidung angenommen wurde, begründet. Die Ergreifung des Beschwer­de­führers war vorliegend als Durchsuchung einzustufen und erforderte daher eine richterliche Durch­su­chungs­a­n­ordnung. An einer solchen fehlte es, sodass der Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Grundgesetz (GG) verletzt ist.

Die Kammer hat die Sache an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen.

Sachverhalt

Der Beschwer­de­führer, dessen Abschiebung angeordnet worden war, bewohnte zusammen mit einer weiteren Person einen Raum in einer Gemein­schafts­un­terkunft. Nachdem trotz mehrfachen Klopfens die verschlossene Tür des Zimmers des Beschwer­de­führers im Überg­angs­wohnheim nicht geöffnet wurde, wurde sie ohne richterliche Durch­su­chungs­a­n­ordnung mit einer Ramme aufgebrochen und das Zimmer von den Polizeibeamten aufgesucht, um den Beschwer­de­führer zu ergreifen. Nach den tatsächlichen Feststellungen blieb offen, ob sich der Beschwer­de­führer verborgen hielt oder ob er unmittelbar identifiziert werden konnte.

Das Oberver­wal­tungs­gericht wies die Klage des Beschwer­de­führers, mit der er begehrte festzustellen, dass sein Zimmer unter anderem nicht hätte betreten und durchsucht werden dürfen, im Berufungs­ver­fahren in vollem Umfang ab. Die polizeiliche Maßnahme im Zimmer des Beschwer­de­führers sei keine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG gewesen. Solange keine Suchhandlung stattfinde, sei unerheblich, ob von einem ex-ante-Standpunkt davon auszugehen war, dass derartige Handlungen zum Auffinden der Person erforderlich sein könnten.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht wies den Antrag des Beschwer­de­führers auf Zulassung der Revision zurück. Für eine Durchsuchung sei begriffsprägend die Suche nach Personen oder Sachen oder die Ermittlung eines Sachverhalts in einer Wohnung. Kennzeichnend sei die Absicht, etwas nicht klar zutage Liegendes aufzudecken und mithin die Wohnung als einen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereich auszuforschen. Die vom Beschwer­de­führer vertretene Auslegung des Durch­su­chungs­be­griffs, wonach es aus einer ex-ante-Perspektive auf den Zweck des Auffindens – unabhängig von durchgeführten Suchhandlungen – ankomme, unterlaufe die Unterscheidung zwischen Betreten und Durchsuchen.

Wesentliche Erwägungen der Kammer

A. I. Die Verfas­sungs­be­schwerde ist zulässig und begründet, soweit sie sich gegen die polizeiliche Durch­su­chungs­maßnahme und gegen das Urteil des Oberver­wal­tungs­ge­richts richtet; diese verletzen den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht aus Art. 13 GG.

1. Für die vorliegend als Durchsuchung einzustufende Ergreifung des Beschwer­de­führers in seinem Zimmer der Gemein­schafts­un­terkunft fehlte es an der erforderlichen richterlichen Durch­su­chungs­a­n­ordnung.

a) Nach den verfas­sungs­recht­lichen Maßstäben liegt grundsätzlich eine Durchsuchung vor, wenn der Betroffene zum Zwecke der Abschiebung in seinem Zimmer einer Gemein­schafts­un­terkunft aufgesucht wird, solange vor Beginn der Maßnahme keine sichere Kenntnis über den konkreten Aufenthaltsort der zu ergreifenden Person besteht. Die Auslän­der­behörde und ebenso die (Polizei-)Beamten vor Ort befinden sich im Stadium der Planung einer Abschiebung regelmäßig im Unklaren darüber, ob eine Suchhandlung nötig sein wird; zumindest kann dies zumeist nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostiziert werden.

Der Schutzzweck der in Art. 13 Abs. 2 GG garantierten Pflicht, vorab eine richterliche Anordnung einzuholen, ist bei einer Ergreifung im Zimmer einer Gemein­schafts­un­terkunft zum Zwecke der Abschiebung einschlägig. Der Richter­vor­behalt dient nicht der Reaktion auf eine bereits eingetretene Grund­rechts­be­ein­träch­tigung, sondern begegnet präventiv einem Gefähr­dungs­po­tenzial. Der Richter­vor­behalt kann seine verfas­sungs­rechtlich verbürgte kompen­sa­to­rische Rechts­schutz­funktion nur erfüllen, wenn die Behörden bereits vor Beginn der Maßnahme und nicht erst während deren Durchführung prüfen müssen, ob mit einer Durchsuchung zu rechnen ist. Der präventive Grund­rechts­schutz, welchen Art. 13 Abs. 2 GG gewährleistet, würde andernfalls bei Abschiebungen nahezu leerlaufen.

Demgegenüber bildet die Auslegung des Durch­su­chungs­be­griffs durch das Bundes­ver­wal­tungs­gericht, die nach dem jeweiligen Verlauf – zudem in einer Rückschau – auf das äußere Erschei­nungsbild der Maßnahme abstellt, kein tragfähiges, zuverlässiges Kriterium für die Abgrenzung einer Durchsuchung von einem Betreten. Eine tatsächlich vorgenommene und nach außen als solche erkennbare physische, also qualifizierte Suchhandlung zu fordern, führt zu zufälligen Ergebnissen, was mit dem Schutzzweck des Richter­vor­behalts unvereinbar ist.

Darauf abzustellen, welche privaten Umstände staatliche Stellen in einer Wohnung in welchem Maße zur Kenntnis nehmen, ist ebenfalls kein taugliches Abgren­zungs­kri­terium. Ein solches Verständnis führt zu einer Abgrenzung des Betretens und der Durchsuchung anhand des Grades der Kenntnisnahme im Laufe der Maßnahme und nicht – wie geboten – vor deren Beginn. Dies widerspricht dem stufenlosen Schutz der räumlichen Sphäre aus Art. 13 Abs. 1 GG, der nicht erst greift, wenn die Kenntnisnahme ein bestimmtes Niveau erreicht oder besonders persön­lich­keits­re­levante Sachverhalte betrifft.

b) Von diesen verfas­sungs­rechtlich gebotenen Maßstäben ausgehend handelt es sich vorliegend um eine Durchsuchung. Insbesondere fehlt es nicht am Element des Suchens nach etwas Verborgenem. Den hier eingesetzten Polizeibeamten war bis zum Aufbrechen der Zimmertür nicht bekannt, ob sich der Beschwer­de­führer überhaupt im Zimmer der Gemein­schafts­un­terkunft aufhielt, und schon gar nicht, wo genau in diesem Zimmer. Da der konkrete Aufenthaltsort nicht vorab bekannt war, kommt es von Verfassungs wegen auch nicht darauf an, dass nach den tatsächlichen Feststellungen unklar bleibt, ob sich der Beschwer­de­führer verborgen hielt oder ob er unmittelbar identifiziert werden konnte.

Zu erkunden, ob und gegebenenfalls wo konkret sich der Beschwer­de­führer befindet, ist nicht nur eine bei Gelegenheit wahrgenommene Information. Es wird vielmehr auf einen zur Wohnung gehörenden Umstand in einer Weise – unangekündigt – zugegriffen, welche die der freien Persön­lich­keits­ent­faltung dienende Sphäre erheblich zu beeinträchtigen vermag.

2. Das Urteil des Oberver­wal­tungs­ge­richts verfehlt die Anforderungen des Art. 13 Abs. 2 GG, indem es das Verhalten der Polizeibeamten nicht als Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG einstuft. Damit verkennt es, dass hierfür eine richterliche Anordnung erforderlich gewesen wäre.

II. Die Kammer hat das Urteil des Oberver­wal­tungs­ge­richts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

B. Im Übrigen hat die Kammer die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit der Beschwer­de­führer insbesondere die Nichtzulassung der Revision durch das Bundes­ver­wal­tungs­gericht angegriffen hat, ist dieser Beschluss als Folge der Aufhebung des Urteils des Oberver­wal­tungs­ge­richts gegenstandslos.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss35583

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI