21.11.2024
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Dokument-Nr. 4035

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Beschluss20.03.2007Bundesverfassungsgericht2 BvR 2470/06
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Bundesverfassungsgericht Beschluss20.03.2007

Erfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde im Konkur­ren­ten­streit um die Stelle des Präsidenten des Thüringer Landes­a­r­beits­ge­richtsHöhere Besol­dungs­gruppe allein kein ausreichendes Kriterium für Auswahl eines Bewerbers um Richterstelle

Der Kandi­da­ten­streit um den Chefposten am Thüringer Landes­a­r­beits­gericht (LAG) geht in die nächste Runde. Die Verfas­sungs­be­schwerde des Vizepräsidenten des LAG gegen seine Ablehnung war erfolgreich, daher muss das Oberver­wal­tungs­gericht Thüringen erneut entscheiden. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht führt in seiner Entscheidung aus, dass die Auswahl nicht allein aufgrund der höheren Besol­dungs­gruppe getroffen werden dürfe.

Der Beschwer­de­führer ist Vizepräsident des Thüringer Landes­a­r­beits­ge­richts. Im November 2004 bewarb er sich auf die Stelle des Präsidenten dieses Gerichts. Die Auswah­l­ent­scheidung fiel auf einen Mitbewerber. Dieser zog jedoch im Verlauf einer gerichtlichen Ausein­an­der­setzung seine Bewerbung zurück. Daneben bewarb sich auch der Vizepräsident des Thüringer Oberlan­des­ge­richts um die ausgeschriebene Präsi­den­ten­stelle. Das Justiz­mi­nis­terium entschied sich für diesen Bewerber. Es begründete seine Entscheidung damit, dass dem Bewerber – bei ansonsten gleicher Qualifikation – gegenüber dem Beschwer­de­führer ein Leistungs­vor­sprung im Bereich der Rechtsprechung zukomme, da er als Vizepräsident des Oberlan­des­ge­richts ein Amt der Besol­dungs­gruppe R 4 BBesG innehabe, während der Beschwer­de­führer nur nach R 3 mit Zulage BBesG besoldet werde. Der gegen diese Auswah­l­ent­scheidung erhobene Antrag des Beschwer­de­führers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde von den Verwal­tungs­ge­richten zurückgewiesen. Dabei beschied das Thüringer Oberver­wal­tungs­gericht ein Befan­gen­heits­gesuch des Beschwer­de­führers gegen den Vorsitzenden nicht. Der Beschwer­de­führer hatte den Vorsitzenden abgelehnt, weil dieser mit dem für die Auswah­l­ent­scheidung verant­wort­lichen Justizminister befreundet sei. Die insta­n­z­ab­schließende Entscheidung wurde gefasst, als sich der abgelehnte Richter im Urlaub befand.

Die gegen die verwal­tungs­ge­richt­lichen Entscheidungen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde war erfolgreich. Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die Entscheidungen auf, da sie den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf gleichen Zugang zum öffentlichen Amt aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzten. Darüber hinaus habe das Thüringer Oberver­wal­tungs­gericht das Recht des Beschwer­de­führers auf den gesetzlichen Richter verletzt. Die Sache wurde an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückgewiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die Auswah­l­ent­scheidung zugunsten des Vizepräsidenten des Thüringer Oberlan­des­ge­richts beruht auf der Erwägung, dass diesem allein aufgrund seines höheren Statusamts im Bereich der Recht­spre­chung­s­tä­tigkeit ein Leistungs- und Eignungs­vor­sprung gegenüber dem Beschwer­de­führer zukomme. Diese Einschätzung ist mit den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Das Justiz­mi­nis­terium hat insoweit die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere den Grund für die status­rechtliche Besserstellung des Mitbewerbers außer Acht gelassen. Diese beruht ausschließlich darauf, dass das Oberlan­des­gericht eine höhere Zahl an Richter­plan­stellen aufweist. Ihr kann daher Aussagekraft im Hinblick auf die Leistungen des Bewerbers im Bereich der Verwal­tung­s­tä­tigkeit zukommen. Die status­rechtliche Besserstellung des Mitbewerbers bietet indes keinen Ansatzpunkt für eine Differenzierung zwischen dem Beschwer­de­führer und dem Mitbewerber auf dem Gebiet der Rechtsprechung. Das Besoldungsrecht stuft die Spruch­rich­ter­tä­tigkeit des Mitbewerbers als Vizepräsidenten des Oberlan­des­ge­richts und des Beschwer­de­führers als Vizepräsident des Landes­a­r­beits­ge­richts vielmehr als gleichwertig ein. Die mit den angegriffenen Entscheidungen gebilligte Auswahlerwägung entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass Beschwer­de­führer und Mitbewerber um ein Amt in der Arbeits­ge­richts­barkeit konkurrieren. Der Mitbewerber verfügt nur über geringe praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Arbeits- und Arbeits­pro­zess­rechts, wohingegen der Beschwer­de­führer seit mehr als 20 Jahren als Arbeitsrichter tätig ist. Auch aus diesem Grund hätte die Annahme, dem Mitbewerber komme ein Leistungs­vor­sprung im Bereich der recht­spre­chenden Tätigkeit zu, einer besonderen Begründung bedurft.

Das Thüringer Oberver­wal­tungs­gericht hat zudem das Recht des Beschwer­de­führers auf den gesetzlichen Richter verletzt. Die zeitlichen Abläufe belegen, dass die Festlegung des Beratungs­termins erkennbar nur zu dem Zweck erfolgte, eine Entscheidung über das Ableh­nungs­gesuch gegen den Senats­vor­sit­zenden zu vermeiden. Dies stellt einen Verstoß gegen die Regelungen der Ablehnung von Gerichts­personen dar. Denn ein nicht rechts­miss­bräuch­liches Ableh­nungs­gesuch ist stets vor der insta­n­z­ab­schlie­ßenden Sachent­scheidung zu bescheiden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 34/2007 des BVerfG vom 28. März 2007

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