14.11.2024
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Urteil06.07.2005Bundesverfassungsgericht2 BvR 2335/95
Urteil06.07.2005Bundesverfassungsgericht2 BvR 2391/95
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Bundesverfassungsgericht Urteil06.07.2005

Bundesverfassungsgericht Urteil06.07.2005

Solidarfonds für Abfall­wirt­schaft ist verfas­sungs­widrig

Die Verfas­sungs­be­schwerden von 13 Abfal­l­ex­por­teuren, die sich gegen die Erhebung eines Pflichtbeitrags zum Solidarfonds Abfall­rü­ck­führung gewandt hatten, waren erfolgreich. Der Solidarfonds war 1994 durch das Abfall­ver­brin­gungs­gesetz eingeführt worden. Abfal­l­ex­porteure waren verpflichtet, Mitglieds­beiträge in den Fonds einzuzahlen. Die Beiträge dienten dazu, die staatliche Rückführung illegaler Abfallexporte zu finanzieren, wenn auf den Exporteur nicht zurückgegriffen werden konnte. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht erklärte die Regelung des Abfall­ver­brin­gungs­ge­setzes zum Solidarfonds für nichtig. Die Abfal­l­aus­fuhr­abgabe stelle eine unzulässige Sonderabgabe dar. Den abgabe­pflichtigen Abfal­l­ex­por­teuren werde ohne besonderen sachlichen Grund die Finan­zie­rungs­ver­ant­wortung für das Fehlverhalten Dritter zugerechnet.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Abgabepflicht gem. § 8 Abfall­ver­brin­gungs­gesetz (im Folgenden: Abfal­l­aus­fuhr­abgabe) verletzt die Berufsfreiheit der Beschwer­de­führer; denn die Abgabe verstößt als unzulässige Sonderabgabe gegen die Finanz­ver­fassung des Grundgesetzes.

1. Die Abfal­l­aus­fuhr­abgabe ist keine Steuer, sondern eine nicht­steu­erliche Abgabe; denn sie dient nicht der Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines Gemeinwesens, sondern ausschließlich der Deckung der Leistungen und Verwal­tungs­kosten des Solidarfonds Abfall­rü­ck­führung.

2. Nicht­steu­erliche Abgaben bedürfen einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Die Finanz­ver­fassung des Grundgesetzes (Art. 104 a ff. GG) verlöre ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenzen von Bund und Ländern beliebig nicht­steu­erliche Abgaben unter Umgehung der finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Vertei­lungs­regeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde.

a) Die Abfal­l­aus­fuhr­abgabe kann nicht als Gebühr oder Beitrag gerechtfertigt werden; denn sie dient nicht dem Ausgleich öffentlicher Leistungen, die den Abgabe­pflichtigen individuell zurechenbar sind. Die Vertragsstaaten des Basler Übereinkommens haben eine Garan­ten­stellung für die Rückführung fehlge­schlagener Abfallexporte übernommen. Bei den hiermit verbundenen Kosten handelt es sich um Folgekosten grenz­über­schrei­tender Kooperation der beteiligten Staaten im Interesse des Umweltschutzes, die in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit geschuldet sind. Hinzu kommt, dass die Fondszahlungen den Abgabe­pflichtigen auch keine potentiellen Vorteile bringen, da sie ihrerseits für jede notifi­zie­rungs­be­dürftige Verbringung von Abfällen Sicherheit zu leisten haben, die im Fall der Rückführung in Anspruch genommen werden darf. Die Zahlungen des Fonds entlasten daher allein den für die Rückführung illegaler Transporte gewähr­leis­tungs­pflichtigen Staat.

b) Eine Rechtfertigung als Sonderabgabe mit Finan­zie­rungs­funktion scheidet ebenfalls aus. Sonderabgaben unterliegen engen Grenzen und müssen gegenüber den Steuern seltene Ausnahmen bleiben. Besondere Sachnähe der Abgabe­pflichtigen zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck und daraus folgende Finan­zie­rungs­ver­ant­wort­lichkeit sowie die Gruppen­nüt­zigkeit der Abgaben­ver­wendung bilden den entscheidenden Recht­fer­ti­gungsgrund für eine zu der Gemeinlast der Steuern hinzutretende Sonderlast.

In der Sache bedeutet die finanzielle Inpflichtnahme der notifizierenden Personen die Zurechnung einer Finan­zie­rungs­ver­ant­wortung für die Folgen fremden Fehlverhaltens. Nur in den Fällen, in denen Abfallexporte nicht notifiziert werden (das betreffende Unternehmen also auch keine Sicher­heits­leistung für den potentiellen Rücktransport erbracht hat), bekommt die Garan­ten­stellung des Staates praktische Bedeutung. Insoweit ist aber eine spezifische Sachnähe der Abgabe­pflichtigen zu den primär umwelt­po­li­tischen Zielsetzungen des Abfall­ver­brin­gungs­ge­setzes zu verneinen; denn es handelt sich um die Erfüllung völkerrechtlich und gemein­schafts­rechtlich begründeter Pflichten im Interesse eines wirksamen Umweltschutzes, für deren Zurechnung zur Verant­wor­tungs­sphäre der besonderen Gruppe der Abgabe­pflichtigen statt zu jener der Allgemeinheit der Steuer­pflichtigen sachliche Gründe von besonderem Gewicht nicht zu erkennen sind.

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 59/2005 vom 06.07.2005

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