15.11.2024
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Dokument-Nr. 6713

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Beschluss01.09.2008Bundesverfassungsgericht2 BvR 2238/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JR 2009, 206Zeitschrift: Juristische Rundschau (JR), Jahrgang: 2009, Seite: 206
  • JuS 2009, 78 (Matthias Jahn)Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2009, Seite: 78, Entscheidungsbesprechung von Matthias Jahn
  • NJW 2008, 3627Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 3627
  • NStZ 2009, 83Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2009, Seite: 83
  • NStZ-RR 2009, 138Zeitschrift: NStZ-Rechtsprechungsreport (NStZ-RR), Jahrgang: 2009, Seite: 138
  • StV 2009, 126Zeitschrift: Der Strafverteidiger (StV), Jahrgang: 2009, Seite: 126
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss01.09.2008

Verfassungs­beschwerde: Widerstand gegen Voll­streckungs­beamte unter Einsatz eines Pkw als "Waffe"Ein Auto ist keine "Waffe" im Sinne des Straf­ge­setz­buches

Nach § 113 Strafgesetzbuch wird der Widerstand gegen Voll­streckungs­beamte mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB enthält eine Strafandrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren u.a. für den Fall, dass die Wider­stands­handlung gegen Voll­streckungs­beamte mit einer Waffe ausgeübt wird.

Diese Vorschrift darf nicht so weit ausgelegt werden, dass unter dem Begriff der "Waffe" alle Gegenstände verstanden werden, die für andere Personen möglicherweise gefährlich sind. Kraftfahrzeuge, auch wenn sie im konkreten Fall dazu benutzt werden können, einer anderen Person Verletzungen zuzufügen, fallen jedenfalls nicht darunter. Dies entschied die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts. Damit war die Verfassungsbeschwerde eines Beschwer­de­führers, der wegen Widerstands gegen Vollstre­ckungs­beamte unter Anwendung der Straf­schär­fungs­vor­schrift des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden war, erfolgreich. Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der - leicht alkoholisierte - Beschwer­de­führer wurde wegen eines Verkehrs­ver­stosses von einer Polizeistreife kontrolliert. Obwohl sich der kontrollierende Polizeibeamte mit seinem Oberkörper im Fahrzeug befand, legte der Beschwer­de­führer den Rückwärtsgang ein und fuhr mit Vollgas rückwärts, um den Polizeibeamten an der rechtmäßigen Kontrolle zu hindern. Dadurch wurde der Polizeibeamte einige Meter mitgerissen, ohne verletzt zu werden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwen­dungs­bereich und Tragweite der Straf­tat­be­stände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen. Das schließt zwar eine Auslegung eines Begriffs nicht generell aus, allerdings muss der Normadressat anhand der konkreten gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht. Dabei hat er sich am Gesetzestext zu orientieren. Deshalb markiert der mögliche Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Ein Perso­nen­kraftwagen ist vom möglichen Wortsinn des Begriffs der "Waffe" in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht mehr umfasst, da die bloße Möglichkeit, einen Gegenstand auch in zweck­ent­frem­dender Benutzung zur Bekämpfung von Zielen zu verwenden, zur Begründung der "Waffe­n­ei­gen­schaft" nicht ausreicht.

Eine Regelung des Waffenbegriffs findet sich im Strafgesetzbuch nicht. Der von der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs verwendete "strafrechtliche Waffenbegriff" umfasst zwar nicht nur Waffen im Sinne des Waffengesetzes, sondern allgemein körperliche Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und ihrem Zustand zur Zeit der Tat bei bestim­mungs­gemäßer Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen von Menschen zu verursachen. Andere Gegenstände, die nicht bei bestim­mungs­gemäßen Gebrauch, wohl aber nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen, werden in den Vorschriften der §§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a oder des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Nr. 1 StGB von Rechtsprechung und Schrifttum dagegen dem Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" zugeordnet. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Straf­rechts­reform bewusst darauf verzichtet, die Vorschrift des § 113 Abs. 2 StGB um den Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" zu erweitern. Ein Kraftfahrzeug kann daher nicht als Waffe angesehen werden, da es weder von der Zweckbestimmung noch von seinem typischen Gebrauch her zur Bekämpfung anderer oder zur Zerstörung von Sachen eingesetzt wird.

Quelle: ra-online, BVerfG (pm)

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