14.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss30.04.2007

Telefon­über­wachung von El Masri-Anwalt war verfas­sungs­widrigVerletzung gegen Fernmel­de­ge­heimnis und Berufs­aus­übungs­freiheit

Der Beschwer­de­führer ist anwaltlicher Vertreter des von Dezember 2003 bis Mai 2004 – mutmaßlich von Geheim­dienst­kreisen – entführten Khaled El Masri. Im Januar 2006 ordnete das Amtsgericht München die Überwachung des Telefon- und Telefa­x­an­schlusses der Rechts­an­walts­kanzlei des Beschwer­de­führers sowie seiner beiden Mobilfunkgeräte an. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass auf Grund der verstärkten Medien­be­rich­t­er­stattung über den Fall „El Masri“ damit gerechnet werden müsse, dass die Täter der Entführung telefonisch mit dem Geschädigten oder dem Beschwer­de­führer in Verbindung träten, um eine „Lösung des Falles“ zu diskutieren.

Das Landgericht München I bestätigte die Überwa­chungs­a­n­ordnung. Aufgrund des Ende 2005 (wieder-) erwachten Medien­in­teresses sei die Annahme des Amtsgerichts nicht zu beanstanden, dass sich dem Täterkreis nahe stehende Personen an den Beschwer­de­führer wenden könnten, um Vereinbarungen zu treffen, die den Geschädigten aus dem Blickfeld der Medien nehmen sollten.

Die gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts erhobene Verfas­sungs­be­schwerde war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die Entscheidungen auf, da sie den Beschwer­de­führer in seinem Fernmel­de­ge­heimnis und seiner Berufs­aus­übungs­freiheit verletzen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der in der Anordnung der Abhörmaßnahme liegende Eingriff in das Fernmel­de­ge­heimnis ist nicht gerechtfertigt. Die Maßnahme diente zwar dem legitimen öffentlichen Zweck der Aufklärung und Verfolgung schwerer Straftaten. Der Eingriff war jedoch unver­hält­nismäßig. Die Wahrschein­lichkeit, dass der Beschwer­de­führer von den Tätern kontaktiert werden würde, war von vornherein so gering, dass die Erfolgs­aus­sichten der Maßnahme außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs standen. Die Umstände, die aus Sicht der Fachgerichte Kontakte zwischen dem Beschwer­de­führer und dem Täterumfeld erwarten ließen, sind wenig konkret und tragen lediglich den Charakter von Vermutungen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Ende der Entführung schon mehr als eineinhalb Jahre zurücklag. Soweit sich die Fachgerichte auf ein „Ende des Jahres 2005 (wieder-) erwachtes Medieninteresse“ berufen, bleiben die Angaben zu unbestimmt. Das Landgericht setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass bereits ab Beginn des Jahres 2005, auch in der ausländischen Presse und auch unter Nennung des Namens des Beschwer­de­führers, über die Verschleppung des El Masri durch Geheim­dienst­kreise berichtet worden war. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Kontaktaufnahme durch die Täter erst und gerade ab Januar 2006 zu erwarten gewesen wäre.

Darüber hinaus verletzt die Maßnahme die Berufs­aus­übungs­freiheit des Beschwer­de­führers. Die herausgehobene Bedeutung einer nicht- kontrollierten Berufsausübung eines Rechtsanwalts zum Schutz des Vertrau­ens­ver­hält­nisses zwischen Anwalt und Mandant gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffs­vor­aus­set­zungen und des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit und hätte die Fachgerichte zu einer Ablehnung der Anordnung veranlassen müssen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 55/07 des BVerfG vom 16.05.2007

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