15.11.2024
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Dokument-Nr. 3254

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Beschluss25.09.2006Bundesverfassungsgericht2 BvR 2132/05
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Bundesverfassungsgericht Beschluss25.09.2006

Vollzugsplan muss verständlich sein und als Leitlinie für künftiges Verhalten dienenBVerfG konkretisiert Anforderungen an die Vollzugsplanung eines Strafgefangenen

Ein Vollzugsplan muss für den Gefangenen verständlich sein und ihm als Leitlinie für die Ausrichtung seines künftigen Verhaltens dienen. Ein Vollzugsplan, der lediglich aus Datumsstempeln und Kurznotizen über Geschehenes - nicht hingegen über Geplantes - besteht, genügt diesen Anforderungen nicht. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden und gab damit einer Klage eines Strafgefangenen statt.

Der wegen Mordes verurteilte Beschwer­de­führer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der für ihn in der Justiz­voll­zugs­anstalt erstmals im Jahre 1994 erstellte Vollzugsplan wurde zuletzt im Jahr 2004 fortgeschrieben. Nachdem der Beschwer­de­führer auf Anforderung eine Kopie des fortge­schriebenen Vollzugsplans erhalten hatte, stellte er beim Landgericht den Antrag auf Aufhebung des Vollzugsplans und Verpflichtung der Justiz­voll­zugs­anstalt zur Erstellung eines neuen, den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Vollzugsplans. Nach Auffassung des Beschwer­de­führers genügte der Vollzugsplan, der aus Datumsstempeln und Kurznotizen über Geschehenes – nicht hingegen über Geplantes – bestehe, nicht den gesetzlichen Minde­st­an­for­de­rungen. Das Landgericht wies den Antrag zurück, da der Vollzugsplan rechtliche Mängel nicht erkennen lasse. Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers hatte Erfolg. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die angegriffene Entscheidung auf, da sie den in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Resozi­a­li­sie­rungs­an­spruch des Beschwer­de­führers sowie sein Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (Rechts­schutz­ga­rantie) verletze. Die Sache wurde an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und konti­nu­ier­licher Fortschreibung die Vollzugsbehörde gesetzlich verpflichtet ist, ist zentrales Element eines am Resozi­a­li­sie­rungsziel ausgerichteten Vollzuges. Er bildet mit richtungs­wei­senden Grund­ent­schei­dungen zum Vollzugs- und Behand­lungs­ablauf einen Orien­tie­rungs­rahmen für den Gefangenen wie für die Vollzugs­be­diensteten. Dies gilt auch in den Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe, da auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen ist. Wegen seiner Bedeutung muss der Vollzugsplan nicht nur für den Gefangenen verständlich sein und ihm als Leitlinie für die Ausrichtung seines künftigen Verhaltens dienen, sondern es muss auch eine den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG (Rechts­schutz­ga­rantie) genügende gerichtliche Kontrolle daraufhin möglich sein, ob die Rechts­vor­schriften für das Aufstel­lungs­ver­fahren beachtet wurden und das inhaltliche Gestal­tungs­er­messen der Behörde rechts­feh­lerfrei ausgeübt worden ist. Dies erfordert Nachvoll­zieh­barkeit der recht­s­er­heb­lichen Abläufe und Erwägungen, die durch geeignete Dokumentation sicherzustellen ist. Der Vollzugsplan muss daher erkennen lassen, dass neben einer Beurteilung des bisherigen Behand­lungs­verlaufs auch eine Ausein­an­der­setzung mit den zukünftig erforderlichen Maßnahmen stattgefunden hat. Hierzu sind wenigstens in groben Zügen die tragenden Gründe darzustellen, welche die Anstalt zur Befürwortung oder zur Verwerfung bestimmter Maßnahmen veranlasst haben.

Diesen Maßstäben wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Die von der Justiz­voll­zugs­anstalt dem Beschwer­de­führer ausgehändigten Aufzeichnungen erschöpfen sich in einer lückenhaften und zusam­men­han­glosen Ansammlung rudimentärer Einträge und lassen die Erarbeitung eines Behand­lungs­konzepts nicht im Ansatz deutlich werden. Seit dem Erstvermerk aus dem Jahr 1994 finden sich in den einzelnen Rubriken des Vollzugsplans nur knappe handschriftliche Ergänzungen sowie Datumsstempel, die großenteils keinem inhaltlichen Nachtrag zuzuordnen sind und offenbar nur den Sinn haben, eine Befassung mit der betreffenden Planrubrik zu dokumentieren, ohne dass aber im Hinblick auf das „Wie“ der Befassung irgendetwas ersichtlich würde. Mehr als zehn Jahre nach der erstmaligen Erstellung des Vollzugsplans ist nicht ersichtlich, was zur Erarbeitung einer Wieder­ein­glie­de­rungs­per­spektive für den Beschwer­de­führer unternommen werden soll. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass es in der Vergangenheit jemals zu einem organisierten Austausch über die Person des Beschwer­de­führers, wie ihn § 159 StVollzG verlangt, und zu einer hierauf basierenden Planung der Vollzugs­per­spektiven gekommen wäre.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 100/06 des BVerfG vom 26.10.2006

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