23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss05.10.2006

Erfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Fortdauer von Unter­su­chungshaftGericht muss effektive Bearbeitung von Eilverfahren sicherstellen

Die gegen einen Haftfort­dau­e­r­be­schluss gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde hatte Erfolg. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte fest, dass der Beschluss des Oberlan­des­ge­richts Bamberg den Beschwer­de­führer in seinem Freiheits­grundrecht verletze, da dem in Haftsachen geltenden Beschleu­ni­gungsgebot nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei. Die Sache wurde zu erneuter Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen.

Der Beschwer­de­führer befindet sich seit September 2005 wegen des Verdachts des Betrugs, der Steuer­hin­ter­ziehung und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt in Unter­su­chungshaft. Nachdem die Strafkammer die Termine der Haupt­ver­handlung für Mai bis Juli 2006 festgelegt hatte, hob sie diese im Mai 2006 unter Hinweis auf einen bevorstehenden Wechsel des Vorsitzenden und des Berich­t­er­statters auf. Die neuen Haupt­ver­hand­lungs­termine wurden erst für Oktober bis Dezember 2006 bestimmt. Die Gründe hierfür lagen darin, dass der neu bestellte Vorsitzende der Strafkammer wegen seiner früheren Tätigkeit als Staatsanwalt im Ermitt­lungs­ver­fahren von der Mitwirkung in der Haupt­ver­handlung ausgeschlossen war. Insoweit mussten daher seine Aufgaben von seinem Stellvertreter wahrgenommen werden. Dessen Arbeitskraft war jedoch dadurch, dass er zugleich auch ständiger Vertreter des Vorsitzenden der Jugendkammer ist, bereits erheblich in Anspruch genommen. In letzterer Eigenschaft hatte er ein umfangreiches, mit der Revision angefochtenes Urteil gegen vier Angeklagte nach einer sechsmonatigen Haupt­ver­handlung abzusetzen. Hinzu kam, dass die Planung seines Jahresurlaubs bereits feststand. Daher war er an einer früheren Durchführung der Haupt­ver­handlung gegen den Beschwer­de­führer gehindert. Im Rahmen der Haftprüfung ordnete das Oberlan­des­gericht im Juli 2006 die Fortdauer der Unter­su­chungshaft an. Die durch den Vorsit­zen­den­wechsel und die Versetzung des bisherigen Berich­t­er­statters zur Staats­an­walt­schaft entstandenen Schwierigkeiten bei der Verfah­rens­ab­wicklung hätten zwar zu einer Verfah­rens­ver­zö­gerung geführt. Diese sei jedoch durch gerichts­or­ga­ni­sa­to­rische Maßnahmen nicht zu beseitigen gewesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Das Präsidium eines Gerichts hat bei einer Änderung der Geschäfts­ver­teilung darauf zu achten, dass ein dem Rechts­s­taats­prinzip genügender wirkungsvoller Rechtsschutz, zu dem auch die Entscheidung in angemessener Zeit gehört, gewährleistet ist. So hat das Präsidium bei den von ihm getroffenen gerichts­or­ga­ni­sa­to­rischen Maßnahmen etwa die effektive Weiter­be­a­r­beitung von Eilverfahren sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund hätte das Oberlan­des­gericht prüfen müssen, ob der Präsi­di­ums­be­schluss diese Vorgabe hinreichend beachtet hat. Bei einer bereits ein Jahr andauernden Unter­su­chungshaft können die in diesem Fall bislang bekannten Umstände nicht die Annahme rechtfertigen, dass die erhebliche Verfah­rens­ver­zö­gerung von vier Monaten unvermeidbar war. Die von der Stelle­n­um­be­setzung ausgehenden negativen Folgen für das gegen den Beschwer­de­führer geführte Strafverfahren waren für das Präsidium absehbar.

Auch der Hinweis des Oberlan­des­ge­richts auf den Wechsel des Berich­t­er­statters zur Staats­an­walt­schaft trägt die Annahme einer unvermeidbaren Verfah­rens­ver­zö­gerung nicht. Im Zeitpunkt der Termin­sauf­hebung stand der genaue Zeitpunkt der Versetzung des Berich­t­er­statters noch nicht fest. In der Praxis ist es durchaus üblich, dass Versetzungen zurückgestellt werden, um den sachgerechten Abschluss einer Haupt­ver­handlung zu ermöglichen, sofern nicht zwingende Gründe für eine solche Perso­nal­maßnahme vorliegen. Unabhängig davon wäre bei der Absehbarkeit einer Versetzung des Berich­t­er­statters bei Beginn der Haupt­ver­handlung die Bestellung eines Ergän­zungs­richters in Betracht zu ziehen gewesen, um die Aussetzung der Haupt­ver­handlung zu vermeiden. Auch mit diesen nahe liegenden Gesichtspunkten setzt sich das Oberlan­des­gericht nicht auseinander.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 94/06 des BVerfG vom 16.10.2006

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