15.11.2024
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Dokument-Nr. 2569

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Bundesverfassungsgericht Beschluss27.05.2006

Beschwerden von Häftlingen müssen schnell geprüft werdenSofortige Vollstreckung verlangt zügige Bearbeitung

Der Beschwer­de­führer ist Strafgefangener. Gegen ihn wurden Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen – Entzug des Fernsehempfangs und Freizeitsperre für die Dauer von jeweils einer Woche – wegen Nichtbefolgung einer sein Fernsehgerät betreffenden Anordnung verhängt. Noch am selben Tag stellte der Beschwer­de­führer beim Landgericht einen Eilantrag auf Aufhebung der Maßnahmen. Das Gericht übersandte den Antrag an die Justiz­voll­zugs­anstalt, wobei es eine Stellung­nah­mefrist von zwei Wochen bestimmte. In ihrer Stellungnahme wies die Anstalt darauf hin, dass die Maßnahmen unmittelbar nach ihrer Anordnung vollstreckt worden seien, inzwischen also Erledigung eingetreten sei. Daraufhin wies das Landgericht den Eilantrag des Beschwer­de­führers zurück.

In gleicher Weise – diesmal mit zehntägiger Stellung­nah­mefrist - wurde ein weiterer Eilantrag des Beschwer­de­führers behandelt, der Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen wegen Arbeits­ver­wei­gerung betraf.

Die Verfas­sungs­be­schwerde war erfolgreich. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte fest, dass die Behandlung der Eilanträge des Beschwer­de­führers durch die Straf­voll­stre­ckungs­kammer den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt.

Gerichtlicher Rechtsschutz hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich eine Maßnahme bei richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist. Das Anbringen eines Eilantrags gegen eine sofort vollziehbare Diszi­pli­n­a­r­maßnahme bei der zuständigen Straf­voll­stre­ckungs­kammer führt zwar nicht ohne weiteres zur Aussetzung der Maßnahme. Das angerufene Gericht ist jedoch verpflichtet, ohne weiteres Zögern in der jeweils situa­ti­o­ns­ge­rechten Weise tätig zu werden. Die Regelung des Straf­voll­zugs­ge­setzes, nach der Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen in der Regel sofort vollstreckt werden (§ 104 Abs. 1 StVollzG), ändert an diesen verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen nichts; die grund­ge­setzliche Garantie effektiven Rechtsschutzes muss vielmehr gerade auch angesichts dieser einfach­ge­setz­lichen Vorgabe zur Geltung gebracht werden.

Die Behandlung der Eilanträge des Beschwer­de­führers genügt den verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben nicht. Zwar ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zunächst eine Stellungnahme der Justiz­voll­zugs­anstalt eingeholt hat. Dabei hätte das Gericht aber dafür Sorge tragen müssen, dass durch die weitere Sachaufklärung nicht der Anspruch des Beschwer­de­führers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterlaufen wird. Da Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen nach dem Straf­voll­zugs­gesetz in der Regel sofort vollstreckt werden, lag die Annahme nahe, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Antragseingangs die Maßnahmen bereits vollzogen wurden. Das Gericht hätte deshalb Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens – wie zum Beispiel telefonische Nachfrage bei der Justiz­voll­zugs­anstalt, umgehende Übersendung des Antrags per Telefax unter Bestimmung einer kurzen Frist zur Stellungnahme – ergreifen müssen, um eine Entscheidung innerhalb eines im Hinblick auf das Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes angemessenen Zeitraums sicherzustellen. Stattdessen hat das Gericht in einer mit regulärer Post übersandten Verfügung der Anstalt eine Stellung­nah­mefrist von zwei Wochen beziehungsweise – im zweiten Verfahren – zehn Tagen gesetzt und das Verfahren damit so gestaltet, dass eine Entscheidung voraussehbar nicht mehr vor Erledigung durch Vollzug würde ergehen können.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 54/06 des BVerfG vom 21.06.2006

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