18.10.2024
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Entscheidung11.01.2005Bundesverfassungsgericht2 BvR 167/02
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Bundesverfassungsgericht Entscheidung11.01.2005

Einbeziehung von Sozia­l­ver­si­che­rungs­bei­trägen des Kindes in den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfas­sungs­widrig

Die Einbeziehung von Sozia­l­ver­si­che­rungs­bei­trägen des Kindes in den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkom­men­steu­er­gesetz (EStG) verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Für die Berück­sich­ti­gungs­fä­higkeit von Kindern im Famili­en­leis­tungs­aus­gleich sind daher die Einkünfte des Kindes um Sozia­l­ver­si­che­rungs­beiträge zu mindern. Dies entschied der Zweite Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts.

Rechtlicher Hindergrund und Sachverhalt:

Im Rahmen des Famili­en­leis­tungs­aus­gleichs erhalten unter­halts­pflichtige Eltern Kindergeld und verschiedene Freibeträge. Voraussetzung hierfür ist, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Freigrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschreiten. Im Streitjahr 1998 lautete dessen Fassung wie folgt:

„Nach Satz 1 Nr. 1 und 2 wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufs­aus­bildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.000 Deutsche Mark im Kalenderjahr hat;…“

Die Beschwer­de­führerin (Bf) bezog bis 1997 für ihren Sohn Kindergeld. Seit August 1997 ließ sich der Sohn zum Indus­trie­me­chaniker ausbilden. Im Jahr 1998 errechnete das Arbeitsamt – Familienkasse – aus der Ausbil­dungs­ver­gütung des Sohnes Einkünfte in Höhe von 12.489,-- DM und legte diesen Wert als Bemessungsgröße der Freigrenze in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu Grunde. Da die Freigrenze überschritten war, setzte die Familienkasse das Kindergeld ab 1. Januar 1998 auf ,-- DM fest. Bei der Ermittlung der Bemessungsgröße blieb unberück­sichtigt, dass der Sohn im Streitjahr Sozia­l­ver­si­che­rungs­beträge in Höhe von 3.078,38 DM zahlen musste. Die Bf klagte vor dem Finanzgerichte und Bundesfinanzhof (BFH) erfolglos gegen die Versagung des Kindergelds. Auf ihre Verfas­sungs­be­schwerde (Vb) hin hob das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Entscheidung des BFH auf, da sie die Bf in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) verletzt. Das Verfahren wurde an den BFH zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Einbeziehung von Sozia­l­ver­si­che­rungs­bei­trägen in den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG benachteiligt unter­halts­ver­pflichtete Eltern von Kindern, die sozia­l­ver­si­che­rungs­pflichtige Einkünfte oberhalb der Freigrenze beziehen. Eine Benachteiligung liegt zum einen vor gegenüber Eltern, deren Kinder keine Bezüge haben, zum anderen gegenüber Eltern, deren Kinder Mittel in einer Höhe beziehen, die noch unterhalb der Freigrenze bleiben, jedoch dieselbe Höhe erreichen, die sich bei sozia­l­ver­si­che­rungs­pflichtigen Einkünften oberhalb der Freigrenze erst nach Abzug der Sozia­l­ver­si­che­rungs­beiträge ergeben. Für eine Benachteiligung dieser Gruppe unter­halts­pflichtiger Eltern fehlen hinreichende Gründe:

Zweck der Begrenzung von Ansprüchen gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist es, diejenigen Eltern von finanziellen Entlastungen durch Freibeträge und Kindergeld auszuschließen, deren Kinder über eigene Einkünfte und Bezüge in einer das zu schützende Existenzminimum übersteigenden Höhe verfügen. In diesen Fällen entfällt oder mindert sich zugleich die Unter­halts­pflicht der Eltern. Folglich entscheidet für die Einbeziehung von Mitteln des Kindes die mögliche Entlas­tungs­wirkung solcher Mittel bei den Eltern. Denn auf deren Leistungs­fä­higkeit kommt es für die Gewährung und Begrenzung von Kindergeld und Kinder­frei­be­trägen an.

Stellt man beim Jahres­grenz­betrag auf Mittel ab, die eine effektive Entlastung der Eltern nicht bewirken können, so wird einer Teilgruppe von Eltern die staatliche Entlastung zweckwidrig verweigert. Dies ist der Fall bei der Einbeziehung von Sozia­l­ver­si­che­rungs­bei­trägen in den Jahres­grenz­betrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Sie werden vom Arbeitgeber abgeführt und sind daher dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar. Deshalb können sie keine Entlastung bei den Eltern bewirken.

§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist daher verfas­sungs­konform so auszulegen, dass sowohl von den Bezügen als auch von den Einkünften nur diejenigen in den Jahres­grenz­betrag einfließen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausübung bestimmt oder geeignet sind.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 40/05 des BVerfG vom 13.05.2005

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