23.11.2024
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Dokument-Nr. 7681

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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.02.2009

Erfolglose Verfas­sungs­be­schwerde gegen Abfrage von Kredit­kar­tendaten in einem Ermitt­lungs­ver­fahrenKreditkarten-Rasterfahndung liegt nicht vor

Die Operation Mikado, bei der Kredit­kar­tendaten von 20 Millionen Bankkunden im Kampf gegen Kinderpor­no­grafie überprüft wurden, verstößt nicht gegen den Datenschutz. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde zweier Kläger nicht zur Entscheidung angenommen. Unter Federführung des Landes­kri­mi­nalamts Sachsen-Anhalt und der Staats­an­walt­schaft Halle hatten die Fahnder von den Kredit­kar­ten­un­ter­nehmen die Zahlungsdaten von rund 22 Millionen Kunden durchkämmen lassen, um mögliche Zahlungen an einen professionellen Vertrieb von Kinderpornos auf den Philippinen ausfindig zu machen.

Die Staats­an­walt­schaft Halle leitete im Jahr 2006 ein Ermitt­lungs­ver­fahren gegen Unbekannt ein, nachdem sie auf eine Internetseite aufmerksam geworden war, die den Zugang zu kinderpor­no­gra­fischen Inhalten vermittelte. Der Zugang zur Internetseite kostete 79,99 $, die von den Kunden per Kreditkarte gezahlt werden mussten. Im Rahmen des Ermitt­lungs­ver­fahrens schrieb der ermittelnde Staatsanwalt die Kreditinstitute an, die Mastercard- und Visa-Kreditkarten in Deutschland ausgeben. Er forderte sie auf, alle Kredit­kar­ten­konten anzugeben, die seit dem 1. März 2006 eine Abbuchung von 79,99 $ zugunsten der philippinischen Bank aufwiesen, über die der Geldtransfer für den Betreiber der Internetseite unter einer bestimmten Empfänger-Kennziffer abgewickelt wurde. Die Unternehmen ermittelten insgesamt 322 Karteninhaber, deren Daten an die Staats­an­walt­schaft weitergegeben wurden.

Beschwer­de­führer sind Karteninhaber

Die Beschwer­de­führer sind Karteninhaber der von der Staats­an­walt­schaft kontaktierten Unternehmen und waren unter den insgesamt etwa 20 Mio. Kunden, die von der obigen Suchanfrage berührt wurden; die Daten der Beschwer­de­führer wurden jedoch nicht an die Staats­an­walt­schaft weitergegeben. Mit ihren Verfas­sungs­be­schwerden rügen sie die Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbst­be­stimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

Kein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung

Die 2. Kammer des Zweiten Senats hat die Verfas­sungs­be­schwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Abfrage der Kredit­kar­tendaten durch die Staats­an­walt­schaft stellt keinen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung der Beschwer­de­führer dar. Ihre Kredit­kar­tendaten wurden bei den Unternehmen nur maschinell geprüft, mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien aber nicht als Treffer angezeigt und der Staats­an­walt­schaft daher auch nicht übermittelt. Für die Annahme eines Eingriffs genügt es nicht, dass die Daten bei den Unternehmen in einen maschinellen Suchlauf eingestellt werden. Denn im Fall der Beschwer­de­führer wurden die Daten anonym und spurenlos aus diesem Suchlauf ausgeschieden und nicht im Zusammenhang mit dieser Ermitt­lungs­maßnahme behördlich zur Kenntnis genommen.

Keine Rasterfahndung

Zudem wäre die Maßnahme auch dann gerechtfertigt, wenn die Daten der Beschwer­de­führer an die Ermitt­lungs­behörde weitergeleitet worden wären. Eine Rasterfahndung im Sinne von § 98 a StPO oder eine ähnliche Ermitt­lungs­handlung, die an den Voraussetzungen dieser Ermäch­ti­gungs­grundlage zu messen wäre, liegt nicht vor, da kein Abgleich zwischen den Datenbeständen verschiedener Speicherstellen stattfand. Es wurde stattdessen gezielt nach Personen gesucht, die eine genau bezeichnete, nach dem damaligen Ermitt­lungsstand mit hinreichender Wahrschein­lichkeit strafbare Handlung vorgenommen haben: das Zahlen eines bestimmten Betrages per Kreditkarte an einen bestimmten Empfänger innerhalb eines bestimmten Zeitraums, wodurch sie sich wahrscheinlich den Besitz kinderpor­no­gra­phischer Schriften verschafften.

Datenerhebung war auf den Zweck der Tataufklärung begrenzt

Die Maßnahme beruhte vielmehr auf der Ermitt­lungs­ge­ne­ra­l­klausel des § 161 Abs. 1 StPO. Die Übermittlung von Daten jener Kredit­kar­te­n­inhaber, welche die Tatkriterien erfüllten, berührt diese zwar in ihrem Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung. § 161 Abs. 1 StPO ist jedoch eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für diesen Eingriff, da die Norm Ermittlungen und damit auch die Datenerhebung auf den Zweck der Tataufklärung begrenzt. Die Maßnahme hält sich auch innerhalb der Grenzen, die der Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit allen Ermitt­lungs­hand­lungen setzt. Der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kommt nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zu. Zur Erreichung des Zwecks, die einer Straftat nach § 184 b Abs. 4 StGB verdächtigen Personen zu ermitteln, war die Maßnahme geeignet. Außerdem waren mildere, ebenso geeignete Mittel hier nicht ersichtlich. Schließlich ist in der Abwägung mit dem Zweck, Täter zu ermitteln, die sich den Besitz kinderpor­no­gra­phischer Schriften verschafft haben, das Gewicht des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung, das mit der Abfrage der Kredit­kar­tendaten verbunden war, geringer zu bewerten. Denn betroffen wurden dadurch regelmäßig nur Personen, die durch ihr Verhalten den hinreichenden Verdacht einer Straftat begründet hatten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 34/2009 des Bundesverfassungsgerichts vom 2. April 2009

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