23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.10.2007

Gesetzliche Belegungs­pflicht in Alten­pfle­ge­ein­richtung ist verfas­sungsgemäßÖffentlich geförderte Altenheime müssen sozial Bedürftige aufnehmen

Pflegeheime, die staatlich gefördert werden, können dazu verpflichtet werden, sozial schwache Personen aufzunehmen. Die Aufnahmepflicht verletzt keine Grundrechte. Die gesicherte Versorgung sozial Bedürftiger sei ein überragend wichtiges Gemeingut, entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Die Pflegekassen zahlen im Rahmen der Pflegeversicherung an die stationären Pflege­ein­rich­tungen eine Pflegevergütung, die die allgemeinen Pflege­leis­tungen, die medizinische Behand­lungs­pflege und die soziale Betreuung abdeckt. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung tragen die Pflege­be­dürftigen selbst. Darüber hinaus dürfen die Heimträger die ihnen entstehenden betrie­bs­not­wendigen Inves­ti­ti­o­ns­auf­wen­dungen, soweit sie durch öffentliche Förderung nicht vollständig gedeckt sind, den Pflege­be­dürftigen anteilig gesondert in Rechnung stellen und auf diesem Weg ihre Inves­ti­ti­o­ns­auf­wen­dungen refinanzieren. Bedürftige Heimbewohner, die ihren Anteil an Unterkunft, Verpflegung und an den Inves­ti­ti­o­ns­kosten nicht selbst aufbringen können, erhalten zur Deckung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Sozialhilfe.

Das Land Brandenburg förderte für vollstationäre Einrichtungen bis zu 90 % der Aufwendungen für notwendige Inves­ti­ti­o­ns­maß­nahmen. Im Gegenzug verpflichtet das branden­bur­gische Landes­pfle­ge­gesetz die betroffenen Heimträger, im Umfang der erhaltenen öffentlichen Förderungen freie Pflege­heim­plätze mit sozial bedürftigen Einwohnern Brandenburgs zu belegen.

Die Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Trägers, der im Land Brandenburg drei öffentlich geförderte Alten­pfle­ge­ein­rich­tungen betreibt, gegen die gesetzliche Belegungs­pflicht wurde von der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen.

Dem Nicht­an­nah­me­be­schluss liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Das Eigen­tums­grundrecht ist nicht verletzt. Die angegriffenen Vorschriften des Landes­pfle­ge­ge­setzes bestimmen in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des Eigentums. Durch die öffentliche Förderung der Investitionen werden die Pflegesätze von den Inves­ti­ti­o­ns­kosten entlastet. Dies führt dazu, dass auch Pflege­be­dürftige mit geringem Einkommen eher in der Lage sind, die Pflegesätze aus dem eigenen Einkommen zu bestreiten. Die Inves­ti­ti­o­ns­kos­ten­för­derung trägt somit zur Vermeidung von Sozia­l­hil­fe­ab­hän­gigkeit und zur Verminderung von Sozia­l­hil­fe­kosten bei. Hieran knüpft das Landes­pfle­ge­gesetz an. Durch das Belegungsrecht des Staates wird gewährleistet, dass öffentlich geförderte Pflege­heim­plätze vorrangig sozial schwachen Landesbürgern zugute kommen. Demgegenüber kommt dem Eigen­tums­grundrecht der Beschwer­de­führerin ein geringeres Gewicht zu, zumal ihre Eigen­tums­po­sition angesichts der staatlichen Inves­ti­ti­o­ns­för­derung nur zu einem geringen Teil auf eigene Leistungen zurückgeht.

Eine Verletzung der Berufsfreiheit liegt nicht vor. Der Eingriff in die Berufs­aus­übungs­freiheit der Beschwer­de­führerin beruht - wie oben dargelegt - auf vernünftigen Gemein­wohl­er­wä­gungen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Verdienst­mög­lich­keiten der Beschwer­de­führerin und ihre Wettbe­wer­b­s­chancen nicht gemindert werden, da ihr für die bevorrechtigten Nutzer die gleichen Pflegesätze erstattet werden wie für andere Nutzer. Auch ein Eingriff in die Wettbe­wer­bs­freiheit der Beschwer­de­führerin ist nicht erkennbar. Die Belegungs­pflicht trifft die Beschwer­de­führerin ebenso wie die mit ihr in Konkurrenz stehenden Träger entsprechender öffentlich geförderter freier Pflege­ein­rich­tungen.

Auch das kirchliche Selbst­be­stim­mungsrecht ist nicht verletzt. Die angegriffenen Vorschriften sind durch überragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Zwar legitimiert allein der Umstand der finanziellen Förderung keinen Eingriff in das Selbst­be­stim­mungsrecht der Kirchen. Die staatliche Rechtsordnung gilt jedoch da uneingeschränkt, wo sich die karitative Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - ungeachtet ihrer besonderen Zwecksetzung wie ein anderes Subjekt am Rechtsverkehr beteiligt. Bei der vorzunehmenden Abwägung ist davon auszugehen, dass die Sicherung der Versorgung mit für den Pflege­be­dürftigen finanziell tragbaren Pflege­ein­rich­tungen im Interesse des Gesamtwohls von allgemeiner und hoher Bedeutung ist und ein wichtiges Anliegen des Gesetzgebers darstellt. Zudem besteht ein legitimes sozial­staat­liches Regelungs­in­teresse, die Stellung des Sozia­l­leis­tungs­emp­fängers rechtlich abzusichern oder zu stärken. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass der Staat mit den Fördermitteln erst die finanziellen Grundlagen dafür geschaffen hat, dass die kirchlichen Träger von Pflege­ein­rich­tungen in den neuen Ländern Fuß fassen und Alten­pfle­ge­ein­rich­tungen neu errichten konnten. Die Beschwer­de­führerin hat sich in Kenntnis der zu erwartenden Auflagen für die Inanspruchnahme einer Förderung entschieden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 109/07 des BVerfG vom 13.11.2007

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