14.11.2024
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Dokument-Nr. 1550

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Bundesverfassungsgericht Beschluss08.12.2005

Bundes­ver­fas­sungs­gericht stoppt Abschiebung von ausländischen VäternErfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde des ausländischen Vaters eines deutschen Kindes gegen drohende Abschiebung

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines seit 1999 in Deutschland lebenden serbisch-monte­ne­gri­nischen Vaters einer 5jährigen deutschen Tochter, dessen Aufent­halt­s­er­laubnis nicht verlängert worden war, war erfolgreich.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hob die Eilrechtsschutz versagenden Beschlüsse des Verwal­tungs­ge­richts und des Verwal­tungs­ge­richtshofs auf, da sie den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht aus Art. 6 GG (Schutz der Familie) verletzten. Die Gerichte hätten bei ihrer Entscheidung über das Aufent­halts­be­gehren die familiären Bindungen des Beschwer­de­führers an seine im Bundesgebiet lebende Tochter nicht angemessen berücksichtigt. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Verwal­tungs­gericht zurückverwiesen.

Sachverhalt:

Der in Deutschland lebende Beschwer­de­führer stammt aus dem Kosovo. Aus einer inzwischen geschiedenen Ehe mit einer deutschen Staats­an­ge­hörigen ging eine Tochter hervor, für die die Mutter die elterliche Sorge hat. Der Beschwer­de­führer, der in einer anderen Stadt als seine geschiedene Frau lebt und arbeitet, hat alle zwei Wochen Umgang mit seinem Kind und hält regelmäßig telefonisch Kontakt zu ihm. Seinen Antrag auf Verlängerung der Aufent­halt­s­er­laubnis lehnte die Auslän­der­behörde ab, weil keine familiäre Lebens­ge­mein­schaft zwischen dem Beschwer­de­führer und seiner Tochter bestehe. Das angerufene Verwal­tungs­gericht und der Verwal­tungs­ge­richtshof versagten dem Beschwer­de­führer mit derselben Begründung die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde hatte Erfolg.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Art. 6 GG verpflichtet den Staat zum Schutz der Familie. Dem entspricht ein Anspruch des Betroffenen darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufent­halts­be­gehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Entscheidend ist nicht die formal-rechtliche familiäre Bindung, sondern die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Famili­en­mit­gliedern. Durch das Gesetz zur Reform des Kinds­chafts­rechts von 1997 wurde das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt und die Beziehung jedes Elternteils zu seinem Kind als grundsätzlich schutz- und förde­rungs­würdig anerkannt. Die gewachsene Einsicht in die Bedeutung des Rechts des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen hat Auswirkungen auf die Auslegung und Anwendung der auslän­der­recht­lichen Bestimmungen, wonach auch dem nicht sorge­be­rech­tigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen eine Aufent­halt­s­er­laubnis erteilt werden kann, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Daher ist bei aufent­halts­recht­lichen Entscheidungen maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrecht­er­haltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil in aller Regel der Persön­lich­keits­ent­wicklung des Kindes dient und das Kind beide Eltern braucht.

Gemessen an diesen Grundsätzen halten die angegriffenen Entscheidungen einer verfas­sungs­recht­lichen Prüfung nicht stand. Das Verwal­tungs­gericht würdigt die konkreten Umstände des Einzelfalles nicht, sondern entscheidet lediglich anhand abstrakter Kriterien. Der Verwal­tungs­ge­richtshof verneint das Bestehen einer familiären Lebens­ge­mein­schaft mit der Begründung, von der Übernahme von Betreuungs- und Erzie­hungs­aufgaben könne bei einem alle zwei Wochen stattfindenden Umgang und etwaigen Telefonaten zwischen Vater und Kind nicht gesprochen werden. Das Gericht verkennt dabei nicht nur die mit dem Kinds­chafts­rechts­re­form­gesetz verfolgte Zielsetzung, sondern auch, dass der Gesetzgeber mit der Kinds­chafts­rechts­reform deutlich gemacht hat, auch außerhalb der persönlichen Begegnung, etwa in Telefonaten, könne und solle Umgang stattfinden. Dies muss in die auslän­der­rechtliche Würdigung angemessen einfließen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass im Falle der Rückkehr des Beschwer­de­führers in den Kosovo ein Abbruch des persönlichen Kontakts zu seinem Kind droht.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 128/05 des BVerfG vom 22.12.2005

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