18.10.2024
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Dokument-Nr. 34432

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Bundesverfassungsgericht Beschluss05.09.2024

Richtervorlage zum Kinder­frei­betrag im Jahr 2014 unzulässigVerfas­sungs­wid­rigkeit nicht ausreichend begründet

Das Bundes­verfassungs­gericht hat die Unzulässigkeit einer Richtervorlage zu § 32 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 und Sätze 2 und 3 Einkommen­steuer­gesetz (EStG) in der 2014 geltenden Fassung festgestellt. Die Vorlage des Nieder­säch­sischen Finanzgerichts betrifft die Frage, ob der Kinder­frei­betrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes für das Jahr 2014 der Höhe nach verfassungs­rechtlichen Anforderungen gerecht wird.

Eltern erhalten unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Kinder entweder Kindergeld oder es werden bei der Einkom­men­steu­er­ver­an­lagung Freibeträge berücksichtigt, unter anderem der Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Im Jahr 2014 war alter­su­n­ab­hängig je Kind ein Kinder­frei­betrag von 4.368 Euro zu berücksichtigen. Die Klägerin des Ausgangs­ver­fahrens hat zwei Töchter. Bei der Einkom­men­steu­er­fest­setzung 2014 berücksichtigte das Finanzamt für beide Kinder jeweils unter anderem den Kinder­frei­betrag. Die Klägerin hielt dessen Höhe für verfas­sungs­widrig und legte gegen den Steuerbescheid erfolglos Einspruch ein. Das Nieder­säch­sische Finanzgericht setzte das nachfolgende Klageverfahren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Prüfung vor, ob der Kinder­frei­betrag 2014 der Höhe nach den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen genügt. Nicht verfah­rens­ge­gen­ständlich ist hingegen der ebenfalls in § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG geregelte zusätzliche Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbil­dungs­bedarf.

Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Vorschrift nicht gründlich genug geprüft

Die Vorlage ist unzulässig. Die Ausführungen im Vorla­ge­be­schluss verfehlen bereits ihrer Struktur nach die Anforderungen, die an eine nachvoll­ziehbare Darlegung der Überzeugung von der Verfas­sungs­wid­rigkeit der betroffenen Rechtsnorm zu stellen sind. Für keinen der vom vorlegenden Gericht angenommenen Verfas­sungs­verstöße lässt sich dem Vorla­ge­be­schluss eine in sich schlüssige, zusam­men­hängende und damit insgesamt nachvoll­ziehbare Begründung entnehmen. Darüber hinaus lassen die seitens des vorlegenden Gerichts im Kern erhobenen verfas­sungs­recht­lichen Einwendungen nicht erkennen, dass es die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift hinreichend sorgfältig geprüft hat. Das vorlegende Gericht befasst sich wiederholt mit den im Neunten Existenz­mi­ni­mum­bericht niedergelegten Erwägungen und versucht ausgehend von diesen, die Verfas­sungs­wid­rigkeit des Kinder­frei­betrags 2014 zu begründen. Es erörtert jedoch bereits nicht, weshalb es überhaupt auf die dort niedergelegten Erwägungen ankommen sollte. Dergleichen ist auch nicht ersichtlich.

Die Bedeutung der Existenz­mi­ni­mum­be­richte der Bundesregierung liegt im Sinne einer Erkennt­nis­quelle darin, zum einen – vornehmlich – in tatsächlicher Hinsicht die Höhe der für die Bemessung des steuerfrei zu stellenden Existenz­mi­nimums maßgeblichen Teilbeträge aufzuzeigen, zum anderen – nachrangig – diese Beträge unter Beachtung der etablierten (verfassungs-)rechtlichen Vorgaben hin zum Existenzminimum zusam­men­zu­fassen. Die Existenz­mi­ni­mum­be­richte erlauben aber weder unbesehen einen Rückschluss darauf, welche Erwägungen der Festlegung des Kinder­frei­betrags im parla­men­ta­rischen Verfahren zugrunde gelegen haben, noch begründen etwaige Mängel der Existenz­mi­ni­mum­be­richte bei der rechnerischen Konkretisierung des Existenz­mi­nimums einen Verfas­sungs­verstoß.

Ebenso wenig lassen die in verschiedene Zusammenhänge gestellten, sich wiederholenden Ausführungen des vorlegenden Gerichts zur angeblichen Verfas­sungs­wid­rigkeit des Ansatzes eines – nach der Anzahl der Altersjahrgänge bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gewichteten – alter­su­n­ab­hängigen Durch­schnitts­betrags für den Kinder­frei­betrag 2014 erkennen, dass es die verfas­sungs­rechtliche (Un-)Bedenklichkeit dieser Regelung sorgfältig geprüft hätte. Denn es setzt sich in diesem Zuge nicht in einer den Darle­gungs­an­for­de­rungen gerecht werdenden Weise mit der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts und des Bundes­fi­nanzhofs auseinander.

Auch soweit das vorlegende Gericht davon ausgeht, dass der Kinder­frei­betrag 2014 jedenfalls (ausgehend vom Neunten Existenz­mi­ni­mum­bericht) um jährlich 72 Euro zu niedrig bemessen sei, befasst es sich nicht hinreichend mit den Erwägungen des BVerfG und der Rechtsprechung des BFH. Entsprechendes gilt hinsichtlich seiner Annahme, eine Saldierung des Kinder­frei­betrags mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbil­dungs­bedarf eines Kindes nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG komme nicht in Betracht, weil die Freibeträge ihrer Konzeption nach anders geartete Teile des Existenz­mi­nimums beträfen, für die auch nicht ersichtlich sei, in welchem Umfang eine Saldierung statthaft sei.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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