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Dokument-Nr. 31270

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Beschluss07.12.2021Bundesverfassungsgericht2 BvL 2/15
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Bundesverfassungsgericht Beschluss07.12.2021

Bundes­ver­fas­sungs­gericht erklärt Bremer Atomtrans­port­verbot in Bremer Häfen für nichtigVerbot des Umschlags (Be-, Ent- und Umladen) von Kernbrenn­stoffen in den Häfen der Freien Hansestadt Bremen mit dem Grundgesetz unvereinbar

Der Zweite Senat des Bundes­ver­fassungs­gerichts hat das Verbot des Umschlags (Be-, Ent- und Umladen) von Kernbrenn­stoffen in den Häfen der Freien Hansestadt Bremen durch § 2 Abs. 3 Bremisches Hafen­be­trie­bs­gesetz (BremHafenbetrG) für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt. Zur Begründung führt der Senat aus, dass der Freien Hansestadt Bremen die Gesetzgebungs­kompetenz für den Erlass eines Umschlagverbots fehlt. Dem Bund steht die ausschließliche Gesetz­gebungsbefugnis für die friedliche Nutzung der Kernenergie (Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG) zu. § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG betrifft jedenfalls im Schwerpunkt die Materie der friedlichen Nutzung der Kernenergie, so dass das Land nicht zur Gesetzgebung berufen ist. Dem Verfahren liegt eine Vorlage des Verwal­tungs­ge­richts der Freien Hansestadt Bremen zu Grunde.

Durch das Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafen­be­trie­bs­ge­setzes vom 31. Januar 2012 wurden in § 2 die Absätze 2 und 3 neu in das Gesetz eingefügt. Hiernach ist im Interesse einer grundsätzlich auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamt­wirt­schaft der Umschlag von Kernbrenn­stoffen ausgeschlossen. Der Bremer Senat kann allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen zulassen.

Ausgangspunkt für die Einfügung des jetzigen § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG war eine Entschließung der Bremischen Bürgerschaft vom 11. November 2010. In dieser wurde der Senat unter anderem aufgefordert, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Transporte von Kernbrenn­stoffen durch die bremischen Häfen und andere Transportwege im Land zu verhindern. Insbesondere sollte der Senat unverzüglich alle aus seiner Sicht rechtlich möglichen Schritte zur Sperrung der bremischen Häfen und anderer Transportwege durch Bremen und Bremerhaven für den Transport von Kernbrenn­stoffen einleiten und als Eigen­tü­mer­ver­treter in von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass sich diese nicht an derartigen Transporten und Umschlägen beteiligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Land Bremen von der völlig falschen und unver­ant­wort­lichen Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, besonders betroffen sei. Bremen und Bremerhaven seien nicht nur den erheblichen Risiken alter Atomkraftwerke noch auf Jahrzehnte ausgesetzt, sondern auch massiv davon betroffen, dass Kernbrennstoffe (und deren Abfallprodukte) noch auf lange Sicht transportiert und nach der Vorstellung der Bundesregierung auch über die bremischen Häfen verladen werden sollen.

Die Klägerinnen des Ausgangs­ver­fahrens vor dem vorlegenden Verwal­tungs­gericht verfügen jeweils über Trans­port­ge­neh­mi­gungen des Bundesamtes für Strahlenschutz nach dem Atomgesetz, in denen die Transportroute über bremische Häfen jeweils ausdrücklich als Trans­port­strecke zugelassen ist. Sie beantragten bei der Freien Hansestadt Bremen erfolglos die Erteilung von Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen für den Umschlag von Kernbrenn­stoffen in den bremischen Häfen. Mit ihren Klagen verfolgen sie ihr Begehren weiter. Das Verwal­tungs­gericht hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG mit Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG und dem Grundsatz der Bundestreue unvereinbar ist. Die Vorschrift verstoße nach Ansicht des Verwal­tungs­ge­richts gegen die grund­ge­setzliche Kompe­ten­z­ordnung, weil sie eine atomrechtliche Regelung treffe, für die der Bund nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG die ausschließliche Gesetz­ge­bungs­kom­petenz besitze.

Wesentliche Erwägungen des Senats

§ 2 Abs. 3 BremHafenbetrG ist mit Art. 71 und Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG unvereinbar und nichtig.

I. Das Grundgesetz geht von einer in aller Regel abschließenden Verteilung der Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenzen zwischen Bund und Ländern aus. Dabei hat der Bund das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz ihm dieses ausdrücklich zuweist. Im Übrigen sind die Länder zur Gesetzgebung berufen.

II. Dem Landes­ge­setzgeber fehlt die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz für § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG.

1. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG besitzt der Bund die ausschließliche Gesetz­ge­bungs­kom­petenz über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe. Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG ist umfassend und erschöpfend zu verstehen; die Vorschrift erstreckt sich auf sämtliche kernener­gie­re­le­vanten Sachverhalte und umfasst auch Regelungen zu Transport und Umschlag von Kernbrenn­stoffen. Nach Sinn und Zweck zielt Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG darauf, dem Bund ein Zugriffsrecht auf alle kernener­gie­re­le­vanten Sachverhalte einzuräumen, und stellt sich mit Blick auf möglicherweise überlappende Kompetenztitel im Zweifel als lex specialis dar. Die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken erfordert zwingend auch den Transport radioaktiver Stoffe. Der Kompetenztitel des Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG umfasst daher auch Regelungen zu deren Transport. Regelungen über Verladevorgänge und den Umschlag von Kernbrenn­stoffen als ebenso notwendige wie integrale Bestandteile eines Transports werden daher herkömm­li­cherweise der Kompetenz für die friedliche Nutzung der Kernenergie zugeordnet.

2. Den Ländern steht dagegen gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften über ihr öffentliches Eigentum beziehungsweise das öffentliche Sachenrecht zu. Danach bestimmt die Widmung Inhalt und Umfang des öffentlich-rechtlichen Status einer Sache und den zulässigen Umfang ihrer Nutzung. Mit Blick auf Seehäfen können die Länder den Umfang der Widmung grundsätzlich frei bestimmen; zur Einrichtung oder Aufrecht­er­haltung von Häfen mit einer bestimmten Infrastruktur oder einem bestimmten Widmungsumfang sind sie nicht verpflichtet. Auch steht es ihnen grundsätzlich frei, den Umfang nachträglich durch Teilentwidmung zu beschränken. Die (ursprüngliche) Widmung kann insbesondere auf konkrete Verkehre oder einzelne Umschlagsarten sowie auf bestimmte Hafenteile oder -anlagen beschränkt werden. Allerdings dürfen die Länder im Gewande der Widmung keine Regelung treffen, die sich der Sache nach als Regelung eines von Art. 73 GG erfassten Lebensbereichs darstellt und in die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes eingreift. Weder die grund­ge­setzliche Kompe­ten­z­ordnung noch das Atomgesetz hindern das Land daher daran, auf der Grundlage von Art. 70 GG einen Hafen teilweise zu entwidmen oder vollständig zu schließen, solange die Entscheidung nicht schwer­punktmäßig einen Inhalt hat, für den der Bund ausschließlich zuständig ist.

3. § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG regelt zwar eine Teilentwidmung der bremischen Häfen für den Umschlag von Kernbrenn­stoffen. Der Sache nach stellt sich die Vorschrift jedoch nicht als bloße Teilentwidmung, sondern als partielles Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe dar. Sie verletzt damit die ausschließliche Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes für das Atomrecht aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG.

a) § 2 Abs. 3 Satz 1 BremHafenbetrG schließt im Wege einer Teilentwidmung den Umschlag von Kernbrenn­stoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 AtG in den bremischen Häfen aus. Nach seinem objektiven Regelungsgehalt stellt sich das Umschlagsverbot jedoch nicht als Regelung des öffentlichen Sachenrechts dar, sondern als eine atomrechtliche Regelung im Sinne von Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG.

b) § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG schließt eine spezifische Trans­port­leistung, nämlich den Umschlag von Kernbrenn­stoffen in den bremischen Häfen – trotz der weiterhin hierfür vorhandenen Infrastruktur – unmittelbar aus. Er normiert damit ein Verbot, das nicht nur eine Vorfrage von Atomtransporten betrifft, sondern zielt auf eine Tätigkeit, die zulässigerweise vom Atomgesetz des Bundes geregelt ist. Dass der Senat der Freien Hansestadt Bremen allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen zulassen kann, ändert daran nichts. Die Teilentwidmung erschöpft sich zudem in dem Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe und schafft insoweit ein Sonderrecht zu § 4 AtG, der den Transport von Kernbrenn­stoffen – unter Beachtung strenger Sicher­heits­vor­schriften und nach erteilter Genehmigung – grundsätzlich für zulässig erklärt. Darüber setzt sich § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG hinweg. Mit der von ihm beabsichtigten Verhinderung von Atomtransporten über die bremischen Häfen soll vor allem zum Ausdruck gebracht werden, dass die aus Sicht der Bremischen Bürgerschaft seinerzeit unzureichende Atompolitik des Bundes nicht (mehr) mitgetragen wurde. Das Umschlagsverbot erfolgt daher auch nicht aus hafen­be­trie­bs­wirt­schaft­lichen oder -infra­s­truk­tu­rellen Gründen, sondern – wie bereits der Geset­zes­wortlaut zeigt – (ausschließlich) im Interesse einer grundsätzlich auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamt­wirt­schaft des Landes. Das steht mit der Widmung der bremischen Universalhäfen nicht in unmittelbarem Zusammenhang, sondern spiegelt (lediglich) diejenigen Motive wider, die das Land Bremen mit seiner Wirtschafts- und insbesondere Energiepolitik allgemein verfolgt. Insoweit will § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG die in § 4 AtG getroffene Grund­sat­z­ent­scheidung für die Zulässigkeit des Kernbrenn­stoff­transports aufgrund einer eigenen Risikobewertung konterkarieren.

c) Auch aufgrund seiner Wirkungen ist § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG als eine spezifisch atomrechtliche Regelung zu qualifizieren. Er führt dazu, dass ein Transport von Kernbrenn­stoffen unter Nutzung der bremischen Häfen für einen Umschlag nicht (mehr) erfolgen kann, selbst wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Trans­port­ge­neh­migung nach § 4 AtG vorliegen.

III. Für eine Umschlags­ge­neh­migung von Kernbrenn­stoffen ist jedoch ausschließlich der Bund zuständig. Das schließt jegliche Gesetzgebung der Länder – vorbehaltlich einer entsprechenden bundes­ge­setz­lichen Ermächtigung, an der es jedoch fehlt – aus (Art. 71 GG).

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

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