15.11.2024
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Dokument-Nr. 5710

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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.01.2008

Bundes­ver­fas­sungs­gericht setzt verfas­sungs­rechtliche Grenzen für Beschluss­emp­feh­lungen des Vermitt­lungs­aus­schusses

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte sich anhand des Art. 3 Nr. 4 Buchstabe a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unter­neh­men­steu­er­reform vom 29. Oktober 1997 mit der Frage der verfas­sungs­recht­lichen Grenzen für Beschluss­emp­feh­lungen des Vermitt­lungs­aus­schusses zu befassen. Die beanstandete Norm war auf Empfehlung des Vermitt­lungs­aus­schusses in das Gesetz aufgenommen worden, ohne dass diese oder auch nur eine thematisch verwandte Regelung Gegenstand des vorherigen Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens gewesen wäre. Der Senat kam zu dem Ergebnis, dass der Vermitt­lungs­aus­schuss damit seine verfas­sungs­recht­lichen Kompe­tenz­grenzen überschritten hat.

Der Vermitt­lungs­aus­schuss hat die Aufgabe, im Falle unter­schied­licher Auffassungen zwischen Bundestag und Bundesrat im Rahmen eines Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens einen Einigungs­vor­schlag zu erarbeiten, über den der Bundestag sodann erneut zu beschließen hat. Zur Wahrung der bundess­taat­lichen Kompe­tenz­ver­teilung, der Rechte der Abgeordneten, der Öffentlichkeit der parla­men­ta­rischen Debatte und damit der demokratischen Kontrolle der Gesetzgebung darf der Vermitt­lungs­aus­schuss lediglich solche Änderungen, Ergänzungen oder Streichungen des Geset­zes­be­schlusses vorschlagen, die sich im Rahmen des Anrufungs­be­gehrens und des Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens bewegen. Er ist deshalb durch diejenigen Regelungs­ge­gen­stände begrenzt, die bis zur letzten Lesung im Bundestag in das jeweilige Gesetz­ge­bungs­ver­fahren eingeführt waren.

An diesen Maßstäben gemessen hat der Vermitt­lungs­aus­schluss mit der Aufnahme des Art. 3 Nr. 4 Buchstabe a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unter­neh­men­steu­er­reform in den Einigungs­vor­schlag seine Kompetenzen überschritten. Er hat die Vorschrift in das Gesetz­ge­bungs­ver­fahren eingeführt, ohne dass diese oder auch nur eine thematisch verwandte Regelung Gegenstand des vorherigen Verfahrens gewesen wäre. Die Entscheidung über die getroffene umwand­lungs­steu­erliche Regelung fiel erst im Vermitt­lungs­aus­schuss. Damit hat der Vermitt­lungs­aus­schuss der Sache nach ein Geset­ze­s­i­n­i­tia­ti­vrecht beansprucht, das ausschließlich dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zusteht.

Die Norm ist trotz des festgestellten Verfas­sungs­ver­stoßes weiter gültig, weil es an der nötigen Evidenz des Verfah­rens­ver­stoßes fehlt. Entscheidend ist, dass das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Maßstäbe, an denen gemessen das eingeschlagene Gesetz­ge­bungs­ver­fahren als verfas­sungs­widrig anzusehen ist, erst in seinem Urteil vom 7. Dezember 1999 und damit nach Abschluss des hier in Rede stehenden Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens konkretisiert hat. Auf diese Maßstäbe konnte sich der Gesetzgeber im Jahr 1997 noch nicht einstellen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 26/08 des BVerfG vom 06.03.2008

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