21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss20.03.2007

BVerfG erklärt Wartefrist von drei Jahren für Versor­gungs­bezüge aus dem Beförderungsamt für verfas­sungs­widrigDienstbezüge bis spätestens zwei Jahre vor Pensionierung ruhege­haltsfähig

Möglicherweise erhalten Beamte bald mehr Geld, denn das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat § 5 Abs. 1 BeamtVG für verfas­sungs­widrig erklärt. Nach dieser Vorschrift wird nach einer Beförderung das Ruhegehalt nur dann auf Basis des neuen Amtes berechnet, wenn der Beamte im neuen Amt mindestens drei Jahre gearbeitet hat. Ansonsten gelten als Maßgabe für das Ruhegehalt die Bezüge des vorher bekleideten Amtes. Bereits bestands­kräftige Versor­gungs­fest­set­zungs­be­scheide bleiben von dieser Entscheidung jedoch unberührt.

§ 5 Abs. 1 Beamten­ver­sor­gungs­gesetz bestimmt, dass grundsätzlich die Dienstbezüge, die dem Beamten zuletzt zugestanden haben, ruhegehaltfähig sind. Diese Anknüpfung an das letzte Amt wird durch § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG eingeschränkt. Danach berechnen sich die Versor­gungs­bezüge des Beamten, der aus einem Beförderungsamt in den Ruhestand tritt und der die Bezüge aus diesem Amt nicht mindestens drei Jahre erhalten hat, nur nach Maßgabe der Bezüge des vorher bekleideten Amtes. Ursprünglich hatte die Wartezeit ein Jahr betragen, 1975 war die Mindestfrist auf zwei Jahre erweitert worden. Diese Erweiterung auf zwei Jahre hatte das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in seiner Entscheidung vom 7. Juli 1982 als noch verfas­sungsgemäß erachtet. Durch das Versor­gungs­re­form­gesetz 1998 ist die Wartezeit schließlich im Hinblick auf die Finanzlage der öffentlichen Haushalte und deren ansteigende Belastung durch Versor­gungs­kosten auf drei Jahre verlängert worden.

Auf eine Vorlage des Verwal­tungs­ge­richts Greifswald entschied nun der Zweite Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts, dass der vom Gesetzgeber gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtende Grundsatz der Versorgung aus dem letzten Amt eine Verlängerung der Wartefrist auf mehr als zwei Jahre nicht zulässt. § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ist daher für nichtig zu erklären. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestands­kräftige Versor­gungs­fest­set­zungs­be­scheide bleiben von dieser Entscheidung jedoch unberührt. Die Richterin Osterloh und der Richter Gerhardt haben der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt.

Der Vorlage lag der Fall eines Richters zugrunde, der im November 2001 zum Direktor des Amtsgerichts (Besol­dungs­gruppe R 2) ernannt und im Januar 2004 pensioniert worden war. Das Landes­be­sol­dungsamt hatte der Berechnung seiner Versor­gungs­bezüge auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG die Besol­dungs­gruppe R 1 zugrunde gelegt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Zu den vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des Berufs­be­am­tentums zählt, dass das Ruhegehalt unter Wahrung des Leistungs­prinzips und Anerkennung aller Beförderungen aus dem letzten Amt zu berechnen ist. Die in einer Beförderung liegende Anerkennung ist nicht auf die Zeit beschränkt, während der sich der Beamte im Dienst befindet, sondern muss sich auch auf sein Ruhegehalt auswirken. Seit jeher wurden daher die Versor­gungs­bezüge des Beamten auf der Grundlage der Dienstbezüge seines letzten Amtes festgesetzt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Voraussetzung der Versorgung nach Maßgabe des letzten Amtes ist ein Mindestmaß an nachhaltiger, diesem Amt entsprechender Dienstleistung.

II. Eine Ausdehnung der Wartefrist auf drei Jahre ist mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar. Sie modifiziert den Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung nicht mehr, sondern verändert ihn grundlegend. Das Anliegen, Gefäl­lig­keits­be­för­de­rungen zu verhindern und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine allzu kurze Dienstzeit dem in Reichweite des Ruhestands Beförderten nicht mehr die Möglichkeit bietet, eine hinreichende Leistung im Beförderungsamt zu erbringen, ließ eine Erstreckung der Frist auf zwei Jahre gerade noch zu. Eine weitere Ausdehnung kann im Hinblick darauf, dass dem Beamten aufgrund hergebrachter Struk­tur­prin­zipien die Versorgung aus dem letzten Amt verfas­sungs­rechtlich gewährleistet ist, nicht mehr gerechtfertigt werden.

Die Erstreckung der Wartefrist auf drei Jahre kann nicht auf die Absicht der Gewährleistung einer effektiven Wahrnehmung des Beför­de­rung­samtes gestützt werden. Aus einer Vielzahl bundes- und landes­recht­licher Bestimmungen ergibt sich, dass im Beamtenrecht grundsätzlich bereits nach einer erheblich kürzeren Zeit als drei Jahren von einer Bewährung des Beamten in einem höherwertigen Amt ausgegangen werden kann. Diesen Vorschriften liegt erkennbar die Einschätzung zugrunde, dass auch eine Tätigkeit von weniger als drei Jahren vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dem Beamten noch ausreichend Möglichkeit gibt, das höhere Amt und die damit verbundenen Aufgaben effektiv und zum Nutzen seines Dienstherrn wahrzunehmen.

Die im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren sowie in der Stellungnahme der Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte der allgemeinen Haushaltslage, der Symmetrie von Dienst- und Versor­gungs­zeiten sowie der Änderungen im System der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung sind nicht geeignet, die Verlängerung der Wartefrist auf drei Jahre zu rechtfertigen. Könnte die finanzielle Situation der öffentlichen Hand für sich bereits eine Kürzung der Alimentierung rechtfertigen, so wäre diese dem unein­ge­schränkten Zugriff des Gesetzgebers eröffnet. Die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaft­lichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach politischen Dring­lich­keits­be­wer­tungen oder nach dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozial­staats­prinzips bemessen lässt. Auch der Anstieg der durch­schnitt­lichen Lebenserwartung rechtfertigt keine Verlängerung der Wartefrist. Denn nach der Systematik des Beamten­ver­sor­gungs­rechts ist nicht die Dauer der Versorgungszeit, sondern diejenige der Tätigkeit im aktiven Dienst für die Höhe der Versor­gungs­bezüge maßgeblich. Die dreijährige Wartefrist kann schließlich nicht auf die Absicht des Versor­gungs­ge­setzes 1998 gestützt werden, renten­rechtliche Änderungen auf die Beamten­ver­sorgung zu übertragen. Die Verlängerung der Wartefrist ist vorliegend schon deshalb nicht durch etwaige sozia­l­ver­si­che­rungs­rechtliche Änderungen gerechtfertigt, weil die Karenzzeit im Rentenrecht keine Entsprechung findet. Dort wird das Einkommen auch in den letzten beiden Jahren vor dem Erreichen der Altersgrenze uneingeschränkt berücksichtigt.

Sondervotum der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt:

Nach Auffassung der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt steht die Verlängerung der Wartefrist von zwei auf drei Jahre im Hinblick sowohl auf das Leistungs­prinzip als auch auf das Alimen­ta­ti­o­ns­prinzip mit Art. 33 Abs. 5 GG im Einklang. Die Senatsmehrheit ordne die Wartefrist in ihrer bisherigen Ausgestaltung den vom Gesetzgeber gem. Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden hergebrachten Grundsätze des Berufs­be­am­tentums zu und verleihe damit einem Detail bei der Berechnung der Versor­gungs­bezüge Verfassungsrang. Das wiege besonders schwer, weil diese Entscheidung auf einem Verständnis von Art. 33 Abs. 5 GG beruhe, das den verfas­sungs­rechtlich eröffneten Gestal­tungs­spielraum des Gesetzgebers bei der Regelung und Fortentwicklung des Beamtentums unzutreffend einschränke, detai­l­über­greifende Refor­mer­wä­gungen hinfällig mache und den Gesetzgeber in das Korsett vorhandener Einzel­re­ge­lungen schnüre. Nicht zuletzt wegen der im Rahmen der Födera­lis­mus­reform erfolgten Aufnahme des Fortent­wick­lungs­ge­dankens in Art. 33 Abs. 5 GG gewinne die verfas­sungs­rechtliche Würdigung der umstrittenen Regelung exemplarische Bedeutung.

Der Gesetzgeber nehme mit der Verlängerung der versor­gungs­rechtlich maßgeblichen "Wartezeit" Einschränkungen im Bereich des Leistungs­grund­satzes in Kauf, um eine amtsangemessene Versorgung auch in der Zukunft sicherstellen zu können. Diese Neubewertung, mit der der Gesetzgeber zukunfts­o­ri­entiert der Wahrung des Alimen­ta­ti­o­ns­prinzips vorrangige Bedeutung zukommen lasse, liege im Rahmen des ihm zustehenden Gestal­tungs­spielraums. Der Kernbereich des Grundsatzes der Versorgung aus dem letzten Amt als bereichs­s­pe­zi­fischer Ausprägung des Leistungs­grund­satzes werde dadurch nicht verletzt. Aufgrund struktureller Maßnahmen bei der Einstufung und günstigerer Karrie­re­verläufe der Beamten basiere die Versorgung heute generell auf höheren Ämtern als früher, was den Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Versor­gungs­ansprüche erweitert habe. Mit Blick auf diese strukturellen Veränderungen verstoße die Verlängerung der Wartefrist auch nicht gegen das die Unabhängigkeit und Selbst­ver­ant­wort­lichkeit des Berufs­be­am­tentums gewährleistende Alimen­ta­ti­o­ns­prinzip.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 46/07 des BVerfG vom 13.04.2007

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