23.11.2024
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Dokument-Nr. 28824

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Bundesverfassungsgericht Beschluss03.06.2020

BVerfG verweist Kläger gegen Corona-Verbote an die Verwal­tungs­ge­richteVerfassungs­mäßigkeit außer Kraft getretener "Corona-Verbot" vorrangig im verwaltungs­gerichtlichen Normenkontroll­verfahren zu klären

Das Bundes­ver­fassungs­gerichts hat mit Beschluss vom 03.06.2020 klargestellt, dass auch zur nachträglichen Klärung der Verfassungs­mäßigkeit außer Kraft getretener Verbote in den Corona-Verordnungen der Länder vor Erhebung der Verfassungs­beschwerde der Rechtsweg der verwaltungs­gerichtlichen Normenkontrolle zu erschöpfen ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beschwer­de­führer wandten sich gegen das Ausgangsverbot nach der bayerischen Corona-Verordnung. Verstöße hiergegen könnten als Ordnungs­wid­rig­keiten sanktioniert werden, obwohl das verbotene Verhalten nicht hinreichend bestimmt sei. Dadurch seien sie bei jedem Verlassen der Wohnung einem unkal­ku­lierbaren Sanktionsrisiko ausgesetzt. Dies verletze sie in ihren Grundrechten auf Handlungs- und Bewegungs­freiheit. Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde ist das Ausgangsverbot entfallen; seither gelten Kontakt­be­schrän­kungen.

Verfas­sungs­be­schwerde ist mit Blick auf die Subsidiarität unzulässig

Das BVerfG hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfas­sungs­be­schwerde ist mit Blick auf die Subsidiarität der Verfas­sungs­be­schwerde unzulässig. Die Beschwer­de­führer wenden sich unmittelbar gegen Normen einer bayerischen Rechts­ver­ordnung. Insoweit kann Rechtsschutz im Wege der verwal­tungs­ge­richt­lichen Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO gesucht werden. Diesen Rechtsweg haben die Beschwer­de­führer nicht erschöpft.

Normen­kon­trol­lantrag auch gegen eine bereits aufgehobene Rechtsnorm zulässig

Der Verweisung auf die verwal­tungs­ge­richtliche Normenkontrolle steht nicht entgegen, dass das Ausgangsverbot mittlerweile außer Kraft getreten ist. Das Außer­kraft­treten ließe die Subsidiarität der Verfas­sungs­be­schwerde nur dann entfallen, wenn in diesem Verfahren grundsätzlich nur sich noch in Geltung befindliche Normen auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüft werden. Davon kann jedenfalls hinsichtlich der in den Corona-Verordnungen der Länder enthaltenen Verbote und Beschränkungen nicht ausgegangen werden. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat bereits entschieden, dass ein Normen­kon­trol­lantrag auch gegen eine bereits aufgehobene Rechtsnorm zulässig sein kann, wenn während des Normen­kon­troll­ver­fahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm etwa wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist.

Corona-Verbote greifen schwerwiegend in Grundrechte ein

Die in den Corona-Verordnungen enthaltenen Verbote zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass sie typischerweise auf kurze Geltung angelegt sind mit der Folge, dass sie regelmäßig außer Kraft treten, bevor ihre Rechtmäßigkeit abschließend gerichtlich geklärt werden kann. Zudem liegt eine nachträgliche Kontrolle der Verfas­sungs­mä­ßigkeit außer Kraft getretener Corona-Verbote im Verfahren der verwal­tungs­ge­richt­lichen Normenkontrolle auch deshalb nahe, weil sie die grundrechtliche Freiheit nicht selten schwerwiegend beeinträchtigen und - wie hier das als Ordnungswidrigkeit bewehrte Ausgangsverbot - in der Regel keines Verwal­tungs­vollzugs bedürfen.

Vorrangige Klärung der Verfas­sungs­mä­ßigkeit außer Kraft getretener Corona-Verbote“ im verwal­tungs­ge­richt­lichen Normen­kon­troll­ver­fahren zumutbar

Die Verweisung auf eine abschließende Klärung im Verfahren der Normenkontrolle ist auch dann zumutbar, wenn gegen das angegriffene Verbot kein einstweiliger Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO gewährt wurde. Hieraus kann mangels gefestigter oberge­richt­licher und höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Corona-Verbote nicht auf ein Unterliegen im Verfahren der Hauptsache geschlossen werden, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass die Vereinbarkeit der Verbote mit den - bundes­recht­lichen - Grundrechten des Grundgesetzes noch in einem Revisi­ons­ver­fahren überprüft wird. Im Übrigen hat der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hier die Vereinbarkeit des als Ordnungs­wid­rigkeit bewehrten Ausgangsverbots auch nicht abschließend bejaht.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online(pm/ab)

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