18.10.2024
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Sie sehen einen großen Platz mit einer Demonstration.

Dokument-Nr. 585

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Bundesverfassungsgericht Beschluss06.05.2005

NPD-Demonstration am 8. Mai in Berlin nur unter Auflagen – Begründung der Ablehnung der einstweiligen Anordnung

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat mit Beschluss vom 6. Mai 2005 den Antrag der "Jungen Natio­na­l­de­mo­kraten", einer Jugend­or­ga­ni­sation der NDP, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Diese hatte sich anlässlich einer für den 8. Mai 2005 in Berlin geplanten Demonstration gegen eine ihr erteilte versamm­lungs­rechtliche Auflage hinsichtlich der Wegstrecke gewandt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Es ist verfas­sungs­rechtlich unbedenklich, der Beschwer­de­führerin durch eine Auflage zu untersagen, den geplanten Aufzug am Denkmal für die ermordeten Juden Europas vorbeizuführen. Insbesondere ist die Annahme der Behörde und der Gerichte verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, nach den konkret feststellbaren Umständen sei zu besorgen, dass die Würde der jüdischen Opfer der natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Gewalt- und Willkür­herr­schaft durch einen Aufzug beeinträchtigt werde, der unter dem Motto "60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult" an dem Denkmal vorbeizieht. Durch dieses Motto würden die Millionen jüdischer Opfer des Natio­nal­so­zi­a­lismus zu Gegenständen eines Kultes degradiert und es würde ihnen zugleich abgestritten, dass die Kapitulation für die vom Natio­nal­so­zi­a­lismus verfolgten Juden ein Akt der Befreiung war.

2. Auch das Verbot, die Versammlung auf dem Platz des 18. März zu beenden, ist mit den Grundrechten der Beschwer­de­führerin vereinbar. Behörde und Gerichte durften die vom Senat initiierte Veranstaltung mit dem Motto "Tag für Demokratie" bei der Entscheidung über Auflagen nach § 15 Abs. 1 Versamm­lungs­gesetz einbeziehen und ihr Vorrang bei der Nutzung des Gebiets um das Brandenburger Tor gewähren.

Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Behörde der Versammlung der Beschwer­de­führerin nicht allein aufgrund der zeitlichen Priorität ihrer Anmeldung den Vorrang eingeräumt hat. Die grundsätzliche Einräumung einer zeitlichen Priorität für den Erstanmelder einer Versammlung werde zwar dem Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den Inhalten von Versamm­lungs­zwecken gerecht. Es könnten aber wichtige Gründe, etwa die besondere Bedeutung des Ortes und Zeitpunktes für die Verfolgung des jeweiligen Versamm­lungs­zwecks, für eine andere Vorgehensweise sprechen. Die Ausrichtung allein am Priori­täts­grundsatz könnte im Übrigen dazu verleiten, Versammlungen an bestimmten Tagen und Orten frühzeitig und auf Vorrat anzumelden und damit anderen potentiellen Veranstaltern die Durchführung von Versammlungen am gleichen Tag und Ort unmöglich zu machen. Allerdings würde der Priori­täts­grundsatz maßgebend, wenn die spätere Anmeldung allein oder vorwiegend zu dem Zweck erfolgt, die zuerst angemeldete Versammlung an diesem Ort zu verhindern. Das Verwal­tungs­gericht sah hierfür vorliegend keine Anhaltspunkte. An diese Tatsa­chen­fest­stellung ist das Bundes­ver­fas­sungs­gericht gebunden. Dass die von der Beschwer­de­führerin geplante Versammlung einen Anstoß zur Durchführung der später geplanten Veranstaltung zum "Tag für Demokratie" gegeben hat, rechtfertigt für sich allein nicht die Anwendung des Priori­täts­grund­satzes.

Es ist verfas­sungs­rechtlich bedenkenfrei, dass die Gerichte in der Bedeutung des Ortes für die Verwirklichung des Zwecks der vom Senat initiierten Versammlung einen wichtigen Grund zum Abweichen vom Priori­täts­grundsatz gesehen haben. Sie sind davon ausgegangen, dass der Platz des 18. März unter anderem wegen seiner Nähe zum Brandenburger Tor besondere Bedeutung für eine Veranstaltung am Jahrestag der Kapitulation für die Darstellung und Würdigung der historischen Ursprünge für die Bundesrepublik Deutschland nach innen und außen habe. Dieser Argumentation ist die Beschwer­de­führerin auch im vorliegenden Verfahren nicht entgegen getreten. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, warum sie zur Erreichung des Zwecks der von ihr angemeldeten Versammlung in vergleichbarer Weise auf diesen Ort angewiesen ist.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 49/2005 des BVerfG vom 10.06.2005

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