23.11.2024
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Dokument-Nr. 23056

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Bundesverfassungsgericht Beschluss13.07.2016

Nichtzulassung der Einbeziehung von Inves­ti­ti­o­ns­kosten in die Abrechnung gegenüber Pflege­be­dürftigen nach alter Rechtslage verfas­sungsgemäßVerfassungs­beschwerde erfolglos

Es ist verfassungs­rechtlich nicht zu beanstanden, auf Grundlage des § 82 Abs. 2 und 3 SGB XI in der bis zum 27. Dezember 2012 geltenden Fassung gegenüber Pflege­be­dürftigen die kalkulatorische Berechnung von Eigen­ka­pi­ta­l­zinsen, von Rückstellungen für spätere Investitionen sowie von Pauschalen für Instandhaltungs­maßnahmen neben den tatsächlich angefallenen Kosten nicht zuzulassen. Dies hat das Bundes­verfassungs­gericht entschieden.

Im vorliegenden Fall betreibt die Beschwer­de­führerin in mehreren Bundesländern Einrichtungen der Behinderten- und Altenpflege und beantragte ohne Erfolg, den Pflege­be­dürftigen Investitionsaufwendungen in Form von Erbbauzinsen, Eigen­ka­pi­ta­l­zinsen und Rückstellungen für künftige Investitionen sowie Instandhaltungs- und Instand­set­zungs­maß­nahmen kalkulatorisch statt nach den tatsächlichen Kosten jeden Jahres berechnen zu dürfen. Mit den angegriffenen Entscheidungen vom 8. September 2011 hat das Bundes­so­zi­al­gericht lediglich die gesonderte Berechnung von Inves­ti­ti­o­ns­auf­wen­dungen für Erbbauzinsen anerkannt und im Übrigen die Klagen abgewiesen. Mit Wirkung zum 28. Dezember 2012 hat der Bundes­ge­setzgeber die Umlagefähigkeit von Kapitalkosten (§ 82 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 SGB XI) sowie die Umlagefähigkeit von Erbbauzinsen (§ 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI) explizit aufgenommen. Außerdem hat der Gesetzgeber die Möglichkeit für den Landes­ge­setzgeber geschaffen, bei der Berechnung von Aufwendungen pauschalierte Instandhaltungs- und Instand­set­zungs­auf­wen­dungen zu berücksichtigen (§ 82 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 SGB XI). Mit ihren Verfas­sungs­be­schwerden macht die Beschwer­de­führerin im Wesentlichen geltend, dass die Auslegung des § 82 Abs. 3 SGB XI a.F. durch das Bundes­so­zi­al­gericht eine gänzliche Abkehr von sonst im Wirtschafts­verkehr üblichen und auch gesetzlich vorgesehenen Gepflogenheiten darstelle.

Kein Verfas­sungs­verstoß erkennbar

Die Verfas­sungs­be­schwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

1. Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache der Fachgerichte; das Bundes­ver­fas­sungs­gericht beanstandet nur die Verletzung von Verfas­sungsrecht. Die hier angegriffenen Entscheidungen des Bundes­so­zi­al­ge­richts lassen einen Verfas­sungs­verstoß nicht erkennen.

Unnötiger Verwal­tungs­aufwand und unpraktikable Verwal­tung­s­praxis im Verfas­sungsrecht unerheblich

2. Beide Entscheidungen kommen zum Ergebnis, dass auf Grundlage einer methodisch einwandfreien Auslegung des Wortlauts des § 82 SGB XI a.F. nur tatsächlich angefallene Kosten, die weder durch Vergütungen oder Entgelte noch mittels Förderung durch das Land abgegolten sind, dem Pflege­be­dürftigen berechnet werden können. Kalkulatorische Kosten in Form von Rücklagen für künftige Investitionen und Instand­hal­tungen, Abschreibungen und Eigen­ka­pi­ta­l­zinsen dürfen nicht umgelegt werden. Das ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Ob deren Ergebnis für die alltägliche Verwal­tung­s­praxis praktikabel ist oder unnötigen weiteren Verwal­tungs­aufwand verursacht, bleibt für die hier allein am Maßstab des Verfas­sungs­rechts vorzunehmende Kontrolle der Urteile unerheblich.

Keine Verletzung der Eigentumsrechte

3. Die Entscheidungen des Bundes­so­zi­al­ge­richts entsprechen auch im Übrigen den Vorschriften des Grundgesetzes. Entgegen dem Vortrag der Beschwer­de­führerin wird Art. 14 GG nicht durch die von ihr beanstandete Auslegung des damaligen Geset­zes­wortlauts verletzt, denn dadurch wird keines ihrer konkreten Eigentumsrechte geschmälert, sondern allenfalls bilanziell anders bewertet. Eine Verletzung von Art. 12 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die beiden Urteile des Bundes­so­zi­al­ge­richts erlauben an anderer Stelle eine Einbeziehung aller drei streit­be­fangenen Aufwendungen und berühren insoweit die Berufsausübung nicht. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht zu erkennen. Zur denkbaren Ungleich­be­handlung von Eigen- und Fremdkapital oder zwischen geförderten und nicht geförderten Pflege­ein­rich­tungen haben die Verfas­sungs­be­schwerden weder hinreichend vorgetragen noch deren sachliche Rechtfertigung durch das Ziel der Vermeidung einer Doppel­fi­nan­zierung erwogen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ ra-online

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