15.11.2024
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Dokument-Nr. 2487

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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.01.2006

Bundes­ver­fas­sungs­gericht zum effektiven Rechtsschutz gegen Rechts­ver­ord­nungenEine Verfas­sungs­be­schwerde gegen Bundes-Rechts­ver­ord­nungen ist erst nach Erhebung einer Feststel­lungsklage zulässig

Zwei Landwirte erhoben Verfas­sungs­be­schwerde, die klären sollte, wie der Einzelne Rechtsschutz gegen eine Rechts­ver­ordnung erlangen kann.

Sie beantragten beim zuständigen Amt für Agrarstruktur die Gewährung von Ausgleichs­zah­lungen für den Anbau von Getreide und Eiweißpflanzen auf der Grundlage der Kulturpflanzen-Ausgleichs­zahlungs-Verordnung. Danach berechnete sich die Höhe der Ausgleichs­zahlung nach den Getrei­de­durch­schnitt­s­er­trägen für die Erzeu­gungs­region, in der sich die bewirtschaftete Fläche befand.

Die Verordnung wies 13 der 16 Bundesländer als jeweils eine Erzeu­gungs­region aus; in Brandenburg und Rheinland-Pfalz gab es je zwei solcher Regionen. Niedersachsen, in dem sich die landwirt­schaft­lichen Betriebe der Beschwer­de­führer befinden, wurde in zehn Erzeu­gungs­re­gionen aufgeteilt. Den Beschwer­de­führern wurden Ausgleich­zah­lungen unter Zugrundelegung der Erzeu­gungs­region 7 bewilligt. Hiergegen legten sie jeweils Widerspruch ein mit dem Ziel, Zahlungen auf der Grundlage einer Einstufung in eine günstigere Erzeu­gungs­region zu erhalten. Die Widersprüche und die sich anschließenden Klagen vor den Verwal­tungs­ge­richten blieben erfolglos. Zur Begründung führten die Gerichte aus, dass sie die Verordnung zwar wegen eines Verstoßes gegen den Gleich­heits­grundsatz für verfas­sungs­widrig hielten. Gleichwohl könnten sie den Verpflich­tungs­klagen nicht stattgeben, da es wegen der Verfas­sungs­wid­rigkeit der Regelung keine Rechtsgrundlage für die Berechnung der Ausgleichs­zah­lungen gebe.

Der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die gegen die gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen erhobenen Verfas­sungs­be­schwerden verworfen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Verfas­sungs­be­schwerden sind unzulässig. Die Beschwer­de­führer haben es unterlassen, vor Erhebung der Verfas­sungs­be­schwerde eine Feststel­lungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Verwal­tungs­gericht zu erheben.

Die Beschwer­de­führer haben mit der verwal­tungs­ge­richt­lichen Verpflich­tungsklage zwar einen zulässigen Rechtsweg beschritten, der auch zu einer inzidenten Überprüfung der Rechts­ver­ordnung führte. Diese Klage konnte im vorliegenden Fall aber nicht zum Erfolg führen. Die Auffassung der Verwal­tungs­ge­richte, sie könnten den Verpflich­tungs­klagen nicht stattgeben, da es dem Ermessen des Normgebers überlassen bleiben müsse, wie die aus der Verfas­sungs­wid­rigkeit resultierende Lücke zu schließen sei, ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Der Verord­nungsgeber konnte hier zwischen mehreren denkbaren und verfas­sungs­rechtlich zulässigen Lösungen wählen. Das Verwal­tungs­gericht hat im Rahmen einer Verpflich­tungsklage auch nicht die Möglichkeit, den Normgeber zu einer verfas­sungs­gemäßen Neuregelung zu zwingen.

Die Beschwer­de­führer hätten jedoch vor den Verwal­tungs­ge­richten eine Feststel­lungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland richten können mit dem Ziel festzustellen, dass sie durch die Kulturpflanzen- Ausgleichs­zahlungs-Verordnung in ihrem Recht auf Gleich­be­handlung verletzt worden sind. Es handelt sich bei einer solchen Klage gegen den Normgeber nicht um eine Umgehung der in § 47 VwGO nur für Landes­rechts­ver­ord­nungen vorgesehenen Normenkontrolle. Dem System des verwal­tungs­ge­richt­lichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechts­set­zungsakten ausgeschlossen sein soll. Auf dieser Grundlage kann im verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren gegenüber dem Normgeber auch die Feststellung begehrt werden, dass das Recht der Kläger auf Gleich­be­handlung den Erlass oder die Änderung einer Rechts­ver­ordnung gebiete.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 45/06 des BVerfG vom 02.06.2006

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