Dokument-Nr. 2487
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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.01.2006
Bundesverfassungsgericht zum effektiven Rechtsschutz gegen RechtsverordnungenEine Verfassungsbeschwerde gegen Bundes-Rechtsverordnungen ist erst nach Erhebung einer Feststellungsklage zulässig
Zwei Landwirte erhoben Verfassungsbeschwerde, die klären sollte, wie der Einzelne Rechtsschutz gegen eine Rechtsverordnung erlangen kann.
Sie beantragten beim zuständigen Amt für Agrarstruktur die Gewährung von Ausgleichszahlungen für den Anbau von Getreide und Eiweißpflanzen auf der Grundlage der Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung. Danach berechnete sich die Höhe der Ausgleichszahlung nach den Getreidedurchschnittserträgen für die Erzeugungsregion, in der sich die bewirtschaftete Fläche befand.
Die Verordnung wies 13 der 16 Bundesländer als jeweils eine Erzeugungsregion aus; in Brandenburg und Rheinland-Pfalz gab es je zwei solcher Regionen. Niedersachsen, in dem sich die landwirtschaftlichen Betriebe der Beschwerdeführer befinden, wurde in zehn Erzeugungsregionen aufgeteilt. Den Beschwerdeführern wurden Ausgleichzahlungen unter Zugrundelegung der Erzeugungsregion 7 bewilligt. Hiergegen legten sie jeweils Widerspruch ein mit dem Ziel, Zahlungen auf der Grundlage einer Einstufung in eine günstigere Erzeugungsregion zu erhalten. Die Widersprüche und die sich anschließenden Klagen vor den Verwaltungsgerichten blieben erfolglos. Zur Begründung führten die Gerichte aus, dass sie die Verordnung zwar wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig hielten. Gleichwohl könnten sie den Verpflichtungsklagen nicht stattgeben, da es wegen der Verfassungswidrigkeit der Regelung keine Rechtsgrundlage für die Berechnung der Ausgleichszahlungen gebe.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die gegen die gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen erhobenen Verfassungsbeschwerden verworfen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig. Die Beschwerdeführer haben es unterlassen, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde eine Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Verwaltungsgericht zu erheben.
Die Beschwerdeführer haben mit der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage zwar einen zulässigen Rechtsweg beschritten, der auch zu einer inzidenten Überprüfung der Rechtsverordnung führte. Diese Klage konnte im vorliegenden Fall aber nicht zum Erfolg führen. Die Auffassung der Verwaltungsgerichte, sie könnten den Verpflichtungsklagen nicht stattgeben, da es dem Ermessen des Normgebers überlassen bleiben müsse, wie die aus der Verfassungswidrigkeit resultierende Lücke zu schließen sei, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Verordnungsgeber konnte hier zwischen mehreren denkbaren und verfassungsrechtlich zulässigen Lösungen wählen. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen einer Verpflichtungsklage auch nicht die Möglichkeit, den Normgeber zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung zu zwingen.
Die Beschwerdeführer hätten jedoch vor den Verwaltungsgerichten eine Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland richten können mit dem Ziel festzustellen, dass sie durch die Kulturpflanzen- Ausgleichszahlungs-Verordnung in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt worden sind. Es handelt sich bei einer solchen Klage gegen den Normgeber nicht um eine Umgehung der in § 47 VwGO nur für Landesrechtsverordnungen vorgesehenen Normenkontrolle. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtssetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Auf dieser Grundlage kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegenüber dem Normgeber auch die Feststellung begehrt werden, dass das Recht der Kläger auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsverordnung gebiete.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.06.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 45/06 des BVerfG vom 02.06.2006
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