21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.02.2010

BVerfG: Zweit­woh­nungs­steuer bei "Residenzpflicht für Beamte" und für Kinderzimmer zulässigKein Verstoß gegen Gleich­heitsgebot und besonderen Schutz der Familie

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Zweit­woh­nungs­steuer für zulässig erklärt und zwei Verfas­sungs­be­schwerden gegen die Erhebung von Zweit­woh­nungs­steuer bei einer "Residenzpflicht für Beamte" und in einem "Kinder­zim­merfall" nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Landes­hauptstadt München erhebt aufgrund kommunaler Satzung eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von 9 % des jährlichen Mietaufwands. Der Beschwer­de­führer ist Polizeibeamter, der mit Hauptwohnsitz bei seiner Mutter im bayerischen X. gemeldet ist. Sein Dienstherr verpflichtete ihn, einen Wohnsitz im Bereich des Münchner Verkehrs­ver­bundes zu begründen, wo er seit Dezember 1998 eine Nebenwohnung hat. Die Stadt München setzte im Juni 2007 Zweit­woh­nung­steuer gegen den Beschwer­de­führer für das Jahr 2006 und die Folgejahre fest.

Der zweite entschiedene Fall betrifft einen Studenten, der seit Juli 2006 in einem Studen­ten­wohnheim an seinem Studienort in Aachen und zusätzlich noch in seinem ehemaligen Kinderzimmer im Haus seiner Eltern in der deutschen Stadt Y. wohnt. Im Gebiet der Stadt Aachen gilt eine Satzung über die Erhebung von Zweit­woh­nungs­steuer in Höhe von 10 % der Nettokaltmiete.

Beschwer­de­führer sehen sich in Grundrechten verletzt

Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Erhebung der Zweit­woh­nung­steuer waren in beiden Fällen erfolglos. Die Beschwer­de­führer rügen mit ihrer Verfas­sungs­be­schwerde insbesondere die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.

BVerfG beruft sich auf bereits zuvor gesprochene Urteile zu Zweitwohnsteuer

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die maßgeblichen verfas­sungs­recht­lichen Fragen zu den Anforderungen an eine Zweit­woh­nungs­steuer als örtliche Aufwandsteuer, zu der Reichweite des Schutzes der Familie sowie zu den Voraussetzungen für die Annahme eines strukturellen Defizits bei der Steuererhebung hat das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts bereits geklärt. Unter Zugrundelegung der bereits entwickelten maßgeblichen verfas­sungs­recht­lichen Grundsätze hat die 1. Kammer die Erhebung von Zweit­woh­nungs­steuer für „Beamte mit Residenzpflicht“ (1 BvR 2664/09) und für Studenten in den so genannten „Kinder­zim­mer­fällen“ (1 BvR 529/09) nicht als Verstoß gegen die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 11 GG angesehen.

Keine Verletzung des allgemeinen Gleich­heits­satzes

Für die Verfas­sungs­be­schwerde für Beamte mit Residenzpflicht waren folgende Erwägungen maßgeblich:

Eine Verletzung des allgemeinen Gleich­heits­satzes aus Art. 3 Abs. 1 GG dadurch, dass die Stadt München - wie der Beschwer­de­führer behauptet - nur unzureichend Kontrollen über die Erhebung der Zweit­woh­nung­steuer durchführe, kann nicht festgestellt werden. Vollzugsmängel allein, wie sie immer wieder vorkommen können, führen noch nicht zur Verfas­sungs­wid­rigkeit der materiellen Steuernorm. Ebenso lässt sich kein strukturelles Erhebungs­defizit bei den Regelungen über die Erhebung der Zweit­woh­nung­steuer in der Landes­hauptstadt München erkennen.

Residenz­pflichtige nicht gleich­heits­widrig belastet

Beamte, die einer Residenzpflicht unterliegen, werden durch die Zweit­woh­nung­steuer nicht gleich­heits­widrig gegenüber den Steuer­pflichtigen belastet, für die keine solche Pflicht besteht. Denn die Aufwandsteuer wird unabhängig von dem Grund und Anlass für den betriebenen Aufwand erhoben. Belastungsgrund für den steuerbaren Aufwand ist nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum verfas­sungs­recht­lichen Aufwandsbegriff allein der im Konsum bestimmter Güter zum Ausdruck kommende äußere Eindruck einer besonderen Leistungs­fä­higkeit, ohne Rücksicht auf den persönlichen Anlass, den Grund oder das Motiv für den betriebenen Aufwand.

Ebenfalls kein Verstoß gegen Diskri­mi­nie­rungs­verbot wie bei Zweit­woh­nungs­steu­er­pflicht von Ehegatten

Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird durch die Residenzpflicht des Beschwer­de­führers am Ort der Zweitwohnung ebenfalls nicht verletzt. Anders als in der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) zur Zweit­woh­nungs­steu­er­pflicht von Ehegatten ist das Diskri­mi­nie­rungs­verbot vorliegend nicht betroffen. Dort ging es um die Belastung eines erwerbsbedingt begründeten weiteren Haushalts eines Ehegatten mit Zweit­woh­nungs­steuer. Es wurde wegen der Anknüpfung der dortigen Steuersatzung an Regelungen des Melderechts die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung automatisch zur Hauptwohnung auch des erwerbsbedingt zusätzlich auswärts wohnenden Ehegatten bestimmt. Anders als bei nicht verheirateten Paaren bestand dort keine Möglichkeit, die Wohnung am Ort der Beschäftigung des Ehegatten als dessen Hauptwohnsitz zu betrachten und damit der Belastung durch die Zweit­woh­nungs­steuer am Ort der Beschäftigung zu entgehen. Durch diese Schlech­ter­stellung verheirateter Personen gegenüber nicht Verheirateten wurde dort das eheliche Zusammenleben in verfas­sungs­rechtlich nicht gerecht­fer­tigter Weise belastet.

Keine benach­tei­ligende Wirkung der Steuersatzung auf die Familie

Eine solche benach­tei­ligende Wirkung der Steuersatzung auf die Familie liegt hier jedoch nicht vor. Auf den vorwiegend noch bei seiner Mutter lebenden Beschwer­de­führer sind melderechtlich und auch steuerrechtlich keine anderen Vorschriften über die Bestimmung der Hauptwohnung beziehungsweise Erstwohnung bei einem Bewohnen mehrerer Wohnungen anwendbar als für andere Personen, die in mehreren Wohnungen wohnen. Das durch die Steuersatzung in Bezug genommene Melderecht stellt für volljährige Kinder diskri­mi­nie­rungsfrei darauf ab, welche Wohnung vorwiegend benutzt wird.

Die Zweit­woh­nungs­steuer greift auch im Fall der Residenzpflicht des Steuer­pflichtigen am Ort der Zweitwohnung nicht in den grundrechtlich geschützten Bereich der Familie ein. Sie belastet zwar den Aufwand für das Innehaben einer nicht vorwiegend benutzten Wohnung eines erwerbsbedingt und wegen einer beamten­recht­lichen Residenzpflicht auswärts tätigen Kindes, das vorwiegend in einer Erstwohnung bei Familien­an­ge­hörigen wohnt. Diese Besteuerung des für die Zweitwohnung getätigten Aufwands trifft aber weder typischerweise noch sonst in besonderer Weise Familien, sondern in grundsätzlich gleicher Weise alle Personen, die mehrere Wohnsitze innehaben, gleich aus welchem Grund sie den Zweitwohnsitz wählen. Die Zweit­woh­nungs­steuer entfaltet auch keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung der Familie über die Gestaltung ihres Zusammenlebens, sondern vermag lediglich mittelbar durch die zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben eines auswärtigen Wohnsitzes auf die Entscheidung der Famili­en­mit­glieder über ihr Wohnverhalten Einfluss zu nehmen.

Auch in "Kinder­zim­mer­fällen" liegt keine ungerecht­fertigte Ungleich­be­handlung vor

Für die Kinder­zim­merfälle sind folgende Erwägungen maßgeblich:

Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Belastung des Beschwer­de­führers mit der Zweit­woh­nungs­steuer stellt in den so genannten Kinder­zim­mer­fällen ebenfalls keine ungerecht­fertigte Ungleich­be­handlung dar. Nach mittlerweile ganz überwiegender Auffassung, die insbesondere von der neueren Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts und wohl auch des Bundes­fi­nanzhofs getragen wird, setzt eine Aufwandsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung nicht voraus, dass auch eine rechtlich gesicherte Verfügungsmacht über die Erstwohnung gegeben ist. Diese Auffassung begegnet keinen durchgreifenden verfas­sungs­recht­lichen Bedenken und steht auf dem Boden der bisherigen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts. Die in der Einkom­mens­ver­wendung zum Ausdruck kommende Leistungs­fä­higkeit wird auch dann erfasst, wenn eine Zweit­woh­nung­steuer so ausgestaltet ist, dass darauf verzichtet wird, von einem Steuer­pflichtigen neben dem tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsrecht an der Zweitwohnung ein solches Recht auch an der von ihm bewohnten Erstwohnung zu fordern. So kann der Zweit­woh­nungs­steuer von Verfassungs wegen auch unterfallen, wer in seiner Erstwohnung als reiner Besitzdiener ohne eigenen Mitbesitz wohnt, wie dies im Fall der Nutzung des Kinderzimmers durch einen Studenten der Fall sein kann. Die Aufwandsteuer hat den Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes zum Gegenstand. Hierfür ist allein der in der Zweit­woh­nungs­snutzung zum Ausdruck kommende Aufwand maßgeblich, einschließlich des Umstands, dass es sich überhaupt um eine Zweitwohnung handelt.

Zur Zweit­woh­nungs­steuer bei Hauptwohnung im Ausland

Eine Ungleich­be­handlung des Beschwer­de­führers gegenüber Personen, die im Ausland eine Hauptwohnung innehaben und in der Stadt Aachen nur deshalb nicht mit einer Nebenwohnung registriert sind und damit nicht der Zweit­woh­nungs­steuer unterliegen, weil ein alleiniger Wohnsitz in Deutschland melderechtlich keinen Nebenwohnsitz darstellen kann, ist wegen der besonderen Situation der im Ausland belegenen anderen Wohnung gerechtfertigt.

Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird nicht verletzt. Der vorliegende Fall ist ebenso wie der zur Residenzpflicht von Beamten nicht mit dem oben dargestellten bereits entschiedenen Fall des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) zu berufstätigen Ehegatten vergleichbar.

Höhe der Zweit­woh­nungs­steuer stellt keine gravierende Belastung dar

Die Zweit­woh­nungs­steuer greift in den so genannten Kinder­zim­mer­fällen auch nicht in den grund­recht­lichen Schutz der Familie ein. Der Aufwand für das Innehaben einer nicht vorwiegend benutzten Wohnung eines in Ausbildung befindlichen Kindes, das überwiegend in der elterlichen Erstwohnung wohnt, belastet weder gezielt noch typischerweise das Zusammenleben in der Familie. Schließlich führt auch die Höhe der Zweit­woh­nung­steuer von 10 % der Kaltmiete nicht zu einer derart einschneidenden Belastung, dass hierdurch ein gravierender finanzieller Druck auf die Aufgabe des vorwiegenden Aufenthalts des Studenten bei den Eltern zugunsten eines vorwiegenden Aufenthalts in der Wohnung am Studienort ausgeübt würde.

Quelle: ra-online, BVerfG

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