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Bundesverfassungsgericht Beschluss17.02.2010
BVerfG: Zweitwohnungssteuer bei "Residenzpflicht für Beamte" und für Kinderzimmer zulässigKein Verstoß gegen Gleichheitsgebot und besonderen Schutz der Familie
Das Bundesverfassungsgericht hat die Zweitwohnungssteuer für zulässig erklärt und zwei Verfassungsbeschwerden gegen die Erhebung von Zweitwohnungssteuer bei einer "Residenzpflicht für Beamte" und in einem "Kinderzimmerfall" nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Landeshauptstadt München erhebt aufgrund kommunaler Satzung eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von 9 % des jährlichen Mietaufwands. Der Beschwerdeführer ist Polizeibeamter, der mit Hauptwohnsitz bei seiner Mutter im bayerischen X. gemeldet ist. Sein Dienstherr verpflichtete ihn, einen Wohnsitz im Bereich des Münchner Verkehrsverbundes zu begründen, wo er seit Dezember 1998 eine Nebenwohnung hat. Die Stadt München setzte im Juni 2007 Zweitwohnungsteuer gegen den Beschwerdeführer für das Jahr 2006 und die Folgejahre fest.
Der zweite entschiedene Fall betrifft einen Studenten, der seit Juli 2006 in einem Studentenwohnheim an seinem Studienort in Aachen und zusätzlich noch in seinem ehemaligen Kinderzimmer im Haus seiner Eltern in der deutschen Stadt Y. wohnt. Im Gebiet der Stadt Aachen gilt eine Satzung über die Erhebung von Zweitwohnungssteuer in Höhe von 10 % der Nettokaltmiete.
Beschwerdeführer sehen sich in Grundrechten verletzt
Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Erhebung der Zweitwohnungsteuer waren in beiden Fällen erfolglos. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde insbesondere die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.
BVerfG beruft sich auf bereits zuvor gesprochene Urteile zu Zweitwohnsteuer
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu den Anforderungen an eine Zweitwohnungssteuer als örtliche Aufwandsteuer, zu der Reichweite des Schutzes der Familie sowie zu den Voraussetzungen für die Annahme eines strukturellen Defizits bei der Steuererhebung hat das Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt. Unter Zugrundelegung der bereits entwickelten maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat die 1. Kammer die Erhebung von Zweitwohnungssteuer für „Beamte mit Residenzpflicht“ (1 BvR 2664/09) und für Studenten in den so genannten „Kinderzimmerfällen“ (1 BvR 529/09) nicht als Verstoß gegen die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 11 GG angesehen.
Keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes
Für die Verfassungsbeschwerde für Beamte mit Residenzpflicht waren folgende Erwägungen maßgeblich:
Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG dadurch, dass die Stadt München - wie der Beschwerdeführer behauptet - nur unzureichend Kontrollen über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer durchführe, kann nicht festgestellt werden. Vollzugsmängel allein, wie sie immer wieder vorkommen können, führen noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm. Ebenso lässt sich kein strukturelles Erhebungsdefizit bei den Regelungen über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt München erkennen.
Residenzpflichtige nicht gleichheitswidrig belastet
Beamte, die einer Residenzpflicht unterliegen, werden durch die Zweitwohnungsteuer nicht gleichheitswidrig gegenüber den Steuerpflichtigen belastet, für die keine solche Pflicht besteht. Denn die Aufwandsteuer wird unabhängig von dem Grund und Anlass für den betriebenen Aufwand erhoben. Belastungsgrund für den steuerbaren Aufwand ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlichen Aufwandsbegriff allein der im Konsum bestimmter Güter zum Ausdruck kommende äußere Eindruck einer besonderen Leistungsfähigkeit, ohne Rücksicht auf den persönlichen Anlass, den Grund oder das Motiv für den betriebenen Aufwand.
Ebenfalls kein Verstoß gegen Diskriminierungsverbot wie bei Zweitwohnungssteuerpflicht von Ehegatten
Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird durch die Residenzpflicht des Beschwerdeführers am Ort der Zweitwohnung ebenfalls nicht verletzt. Anders als in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) zur Zweitwohnungssteuerpflicht von Ehegatten ist das Diskriminierungsverbot vorliegend nicht betroffen. Dort ging es um die Belastung eines erwerbsbedingt begründeten weiteren Haushalts eines Ehegatten mit Zweitwohnungssteuer. Es wurde wegen der Anknüpfung der dortigen Steuersatzung an Regelungen des Melderechts die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung automatisch zur Hauptwohnung auch des erwerbsbedingt zusätzlich auswärts wohnenden Ehegatten bestimmt. Anders als bei nicht verheirateten Paaren bestand dort keine Möglichkeit, die Wohnung am Ort der Beschäftigung des Ehegatten als dessen Hauptwohnsitz zu betrachten und damit der Belastung durch die Zweitwohnungssteuer am Ort der Beschäftigung zu entgehen. Durch diese Schlechterstellung verheirateter Personen gegenüber nicht Verheirateten wurde dort das eheliche Zusammenleben in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise belastet.
Keine benachteiligende Wirkung der Steuersatzung auf die Familie
Eine solche benachteiligende Wirkung der Steuersatzung auf die Familie liegt hier jedoch nicht vor. Auf den vorwiegend noch bei seiner Mutter lebenden Beschwerdeführer sind melderechtlich und auch steuerrechtlich keine anderen Vorschriften über die Bestimmung der Hauptwohnung beziehungsweise Erstwohnung bei einem Bewohnen mehrerer Wohnungen anwendbar als für andere Personen, die in mehreren Wohnungen wohnen. Das durch die Steuersatzung in Bezug genommene Melderecht stellt für volljährige Kinder diskriminierungsfrei darauf ab, welche Wohnung vorwiegend benutzt wird.
Die Zweitwohnungssteuer greift auch im Fall der Residenzpflicht des Steuerpflichtigen am Ort der Zweitwohnung nicht in den grundrechtlich geschützten Bereich der Familie ein. Sie belastet zwar den Aufwand für das Innehaben einer nicht vorwiegend benutzten Wohnung eines erwerbsbedingt und wegen einer beamtenrechtlichen Residenzpflicht auswärts tätigen Kindes, das vorwiegend in einer Erstwohnung bei Familienangehörigen wohnt. Diese Besteuerung des für die Zweitwohnung getätigten Aufwands trifft aber weder typischerweise noch sonst in besonderer Weise Familien, sondern in grundsätzlich gleicher Weise alle Personen, die mehrere Wohnsitze innehaben, gleich aus welchem Grund sie den Zweitwohnsitz wählen. Die Zweitwohnungssteuer entfaltet auch keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung der Familie über die Gestaltung ihres Zusammenlebens, sondern vermag lediglich mittelbar durch die zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben eines auswärtigen Wohnsitzes auf die Entscheidung der Familienmitglieder über ihr Wohnverhalten Einfluss zu nehmen.
Auch in "Kinderzimmerfällen" liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor
Für die Kinderzimmerfälle sind folgende Erwägungen maßgeblich:
Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Belastung des Beschwerdeführers mit der Zweitwohnungssteuer stellt in den so genannten Kinderzimmerfällen ebenfalls keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Nach mittlerweile ganz überwiegender Auffassung, die insbesondere von der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und wohl auch des Bundesfinanzhofs getragen wird, setzt eine Aufwandsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung nicht voraus, dass auch eine rechtlich gesicherte Verfügungsmacht über die Erstwohnung gegeben ist. Diese Auffassung begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken und steht auf dem Boden der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit wird auch dann erfasst, wenn eine Zweitwohnungsteuer so ausgestaltet ist, dass darauf verzichtet wird, von einem Steuerpflichtigen neben dem tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsrecht an der Zweitwohnung ein solches Recht auch an der von ihm bewohnten Erstwohnung zu fordern. So kann der Zweitwohnungssteuer von Verfassungs wegen auch unterfallen, wer in seiner Erstwohnung als reiner Besitzdiener ohne eigenen Mitbesitz wohnt, wie dies im Fall der Nutzung des Kinderzimmers durch einen Studenten der Fall sein kann. Die Aufwandsteuer hat den Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes zum Gegenstand. Hierfür ist allein der in der Zweitwohnungssnutzung zum Ausdruck kommende Aufwand maßgeblich, einschließlich des Umstands, dass es sich überhaupt um eine Zweitwohnung handelt.
Zur Zweitwohnungssteuer bei Hauptwohnung im Ausland
Eine Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Personen, die im Ausland eine Hauptwohnung innehaben und in der Stadt Aachen nur deshalb nicht mit einer Nebenwohnung registriert sind und damit nicht der Zweitwohnungssteuer unterliegen, weil ein alleiniger Wohnsitz in Deutschland melderechtlich keinen Nebenwohnsitz darstellen kann, ist wegen der besonderen Situation der im Ausland belegenen anderen Wohnung gerechtfertigt.
Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird nicht verletzt. Der vorliegende Fall ist ebenso wie der zur Residenzpflicht von Beamten nicht mit dem oben dargestellten bereits entschiedenen Fall des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) zu berufstätigen Ehegatten vergleichbar.
Höhe der Zweitwohnungssteuer stellt keine gravierende Belastung dar
Die Zweitwohnungssteuer greift in den so genannten Kinderzimmerfällen auch nicht in den grundrechtlichen Schutz der Familie ein. Der Aufwand für das Innehaben einer nicht vorwiegend benutzten Wohnung eines in Ausbildung befindlichen Kindes, das überwiegend in der elterlichen Erstwohnung wohnt, belastet weder gezielt noch typischerweise das Zusammenleben in der Familie. Schließlich führt auch die Höhe der Zweitwohnungsteuer von 10 % der Kaltmiete nicht zu einer derart einschneidenden Belastung, dass hierdurch ein gravierender finanzieller Druck auf die Aufgabe des vorwiegenden Aufenthalts des Studenten bei den Eltern zugunsten eines vorwiegenden Aufenthalts in der Wohnung am Studienort ausgeübt würde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.03.2010
Quelle: ra-online, BVerfG
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