15.11.2024
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Dokument-Nr. 29506

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Bundesverfassungsgericht Beschluss02.11.2020

BVerfG: Verfassungs­beschwerde zu einer arbeits­recht­lichen Kündigung wegen menschen­verachtender Äußerung erfolglos"Ugah, Ugah" stellt menschen­ver­achtende Äußerung dar

Das Bundes­verfassungs­gericht hat die Verfassungs­beschwerde gegen arbeits­ge­richtliche Entscheidungen zu einer Kündigung wegen einer groben menschen­verachtenden Äußerung nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungs­beschwerde ist mangels hinreichender Begründung unzulässig; sie wäre aber auch unbegründet. Der Beschwer­de­führer betitelte in einer kontrovers ablaufenden Betrie­bs­rats­sitzung einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“.

Der Beschwer­de­führer war Betrie­bs­rats­mitglied. Im Rahmen einer Ausein­an­der­setzung während einer Betrie­bs­rats­sitzung über den Umgang mit einem EDV-System betitelte er seinen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“, der ihn wiederum als „Stricher“ bezeichnete. Auch aufgrund dieses Vorfalls erhielt der Beschwer­de­führer die außer­or­dentliche Kündigung seines Arbeits­ver­hält­nisses. Die Gerichte für Arbeitssachen erachteten diese nach umfänglicher Beweisaufnahme auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die aber nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte, als rechtmäßig.

Beschwer­de­führer sieht sein Recht auf Meinungs­freiheit verletzt

Der Beschwer­de­führer rügte mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde unter anderem, dass die Gerichte sein Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzten, indem sie die Kündigung für rechtmäßig erachteten. Sie hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündi­gungs­in­teresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Man dürfe ihm keine rassistische Einstellung vorwerfen.

BVerfG: Verfas­sungs­be­schwerde mangels hinreichender Begründung unzulässig

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist mangels hinreichender Begründung unzulässig; sie wäre aber auch unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen der Arbeitsgerichte haben die Wertungen, die sich aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs­freiheit) sowie aus Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (Diskri­mi­nie­rungs­verbot) ergeben, nicht verkannt. Sie verletzen den Beschwer­de­führer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG.

Einschränkung der Meinungs­freiheit gerechtfertigt

Die Einschränkung der Meinungs­freiheit durch die arbeits­ge­richtliche Bestätigung der Kündigung ist verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt. Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes (AGG) verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, ist auch im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der sich gegen rassistische Diskriminierung wendet, nicht zu beanstanden.

Bezug auf Unantastbarkeit der Menschenwürde und Diskri­mi­nie­rungs­verbot

Das Grundrecht der Meinungs­freiheit erfordert im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beein­träch­ti­gungen der persönlichen Ehre und der Meinungs­freiheit. Die Meinungs­freiheit tritt aber jedenfalls zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formal­be­lei­digung oder Schmähung darstellen. Das haben die Gerichte hier in Anwendung des Kündi­gungs­schutz­rechts nicht verkannt. Sie stützen sich auf §§ 104, 75 Abs. 1 Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz und §§ 1, 7, 12 AGG, in denen die verfas­sungs­recht­lichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskri­mi­nie­rungs­verbots ihren Niederschlag finden. Sie begründen ausführlich, dass und warum es sich um menschen­ver­achtende Diskriminierung handelt. Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird. Diese Wertung ist ebenso wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB geforderte Gesamtwürdigung verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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