Dokument-Nr. 393
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Bundesverfassungsgericht Entscheidung19.04.2005
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde: Anwaltsnotare in überörtlichen Sozietäten dürfen ihre Amtsbezeichnung auf allen Geschäftspapieren angeben
Auf die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Anwaltsnotars hin stellte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts fest, dass § 29 Abs. 3 Satz 1 Bundesnotarordnung (BNotO) mit Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) unvereinbar und nichtig ist, soweit Anwaltsnotaren in überörtlichen Sozietäten untersagt wird, die Amtsbezeichnung als Notar auf Geschäftspapieren anzugeben, die nicht von der Geschäftsstelle des Notars aus versandt werden.
Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:
Nach der BNotO werden Notare entweder zur hauptberuflichen Amtsausübung (Nur-Notare) oder zu gleichzeitiger Amtsausübung neben dem Beruf des Rechtsanwalts bestellt (Anwaltsnotare). Um die Rechtsuchenden angemessen und ausgewogen mit notariellen Leistungen zu versorgen, ist jedem Notar ein Amtssitz zugewiesen. Während sich hauptberufliche Notare nur mit anderen Nur-Notaren am selben Amtssitz zusammenschließen dürfen, können Anwaltsnotare auch überörtliche Verbindungen zur gemeinsamen Berufsausübung insbesondere mit Rechtsanwälten und anderen Anwaltsnotaren eingehen. Das in § 29 Abs. 3 Satz 1 BNotO enthaltene Verbot, unter bestimmten Voraussetzungen auf die Amtsbezeichnung als Notar hinzuweisen, soll eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung verhindern. Außerdem soll verhindert werden, dass die berufliche Verbindung dazu genutzt wird, dem beteiligten Anwaltsnotar notarielle Mandate, die außerhalb seines Amtssitzes anfallen, zukommen zu lassen.
Der Beschwerdeführer (Bf) ist als Anwaltsnotar Mitglied einer überörtlichen Sozietät, die zwei Kanzleistandorte unterhält. An dem Kanzleistandort Berlin sind neben Rechtsanwälten auch Anwaltsnotare, darunter der Bf, tätig. Am Kanzleistandort Brandenburg sind ausschließlich Rechtsanwälte beschäftigt. Die Sozietät verwendet an beiden Standorten einheitliche Briefbögen, auf denen unter dem Namen der Gesellschaft der Zusatz „Rechtsanwälte und Notare“ angeführt wird. Am Rand der Briefbögen sind die Namen der Rechtsanwälte getrennt nach den Standorten Berlin und Brandenburg aufgelistet. Den Namen der vier Berliner Anwaltsnotare ist die Angabe „Notar“ oder „Notarin“ nachgestellt.
Wegen Verstoßes gegen § 29 Abs. 3 BNotO sprach die Notarkammer gegen den Bf eine Ermahnung aus. Sein Antrag vor dem Kammergericht (KG) auf gerichtliche Entscheidung blieb ohne Erfolg. Das BVerfG hob den Beschluss des KG auf und wies die Sache an das KG zurück.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Das Verbot des § 29 Abs. 3 Satz 1 BNotO beschränkt die berufliche Außendarstellung der Anwaltsnotare und greift in die Freiheit der Berufsausübung ein. Dieser Eingriff kann nicht hinreichend durch die Verfolgung von Gemeinwohlzielen gerechtfertigt werden.
Eine Rechtfertigung durch den Regelungszweck, berufswidrige Werbung zu verhindern, scheidet aus. Insbesondere kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, die Benennung als Notar in Geschäftspapieren einer überörtlichen Sozietät signalisiere die Bereitschaft des Notars, unter Verletzung seiner Amtspflichten Urkundstätigkeit außerhalb seines Amtsbezirkes auszuüben. Selbst wenn man davon ausginge, dass die verbotenen Angaben zumindest die Fehlvorstellung hervorrufen könnten, notarielle Leistungen der angeführten Anwaltsnotare seien an jedem Kanzleistandort der Sozietät verfügbar, ist es zur Vermeidung einer Irreführung nicht erforderlich, in Geschäftspapieren jeden Hinweis auf Notare mit auswärtiger Geschäftsstelle zu untersagen. Vielmehr genügt es, wenn die Anwaltsnotare in den Geschäftspapieren der überörtlichen Sozietät mit ihrem jeweiligen Amtssitz aufgeführt sind.
Auch das weitere Ziel des Gesetzgebers, einer zielgerichteten Verlagerung notarieller Amtsgeschäfte entgegenzuwirken, kann den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nicht rechtfertigen. Denn das angegriffene Verbot ist nur in sehr geringem Umfang geeignet, das Ziel einer ausgewogenen Versorgung der Bevölkerung mit Notarstellen zu erreichen. Die Rechtsuchenden werden durch andere gesetzliche Regelungen auf effektive Weise von einer Inanspruchnahme auswärtiger Anwaltsnotare in überörtlichen Sozietäten abgehalten. So ist eine Urkundstätigkeit des Notars außerhalb seines Amtsbereichs nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt. Darüber hinaus verhindern disziplinarrechtlich relevante Vorschriften ein systematisches Zuführen von Urkundsgeschäften von einem Rechtsanwalt an einen in der Sozietät tätigen Anwaltsnotar. Soweit durch das Verbot entsprechender Angaben in Geschäftspapieren verhindert werden soll, dass Rechtsuchende, die nicht am Amtssitz des Notars ansässig sind, von dessen Amt Kenntnis erlangen, ist das gewählte Mittel nur in geringem Maße zur Zielerreichung geeignet. Denn ein Anwaltsnotar ist nicht gehindert, auf andere Weise als durch Geschäftspapiere, insbesondere durch das Internet, sein Notaramt außerhalb seines Amtsbereichs bekannt zu machen. Angesichts des geringen Ertrags des Verbots fehlt es an der Angemessenheit des mit ihm verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit. Das unter bestimmten Voraussetzungen geforderte Verschweigen der eigenen beruflichen Qualifikation hat zur Folge, dass die notariellen Leistungen nur eingeschränkt angeboten und von den Rechtsuchenden nur eingeschränkt nachgefragt werden können. Es ist zudem nicht auszuschließen, dass die fehlenden Angaben zu seinem Notaramt Zweifel an der Seriosität des Rechtsanwalts wecken und damit auch die Ausübung dieses Berufs beeinträchtigen können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.04.2005
Quelle: Pressemitteiluung Nr. 33/05 des BVerfG vom 19.04.2005
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