15.11.2024
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Dokument-Nr. 2669

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Bundesverfassungsgericht Beschluss23.05.2006

Rechtsschutz gegen die Bestellung eines Konkurrenten zum Insol­venz­ver­walter

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines als Insol­venz­ver­walter tätigen Rechtsanwalts, der sich gegen die Versagung von Rechtsschutz gegen eine ihn nicht berück­sich­tigende Entscheidung über die Bestellung zum Insol­venz­ver­walter richtet, war erfolglos.

Der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts stellte fest, dass es mit dem grund­ge­setz­lichen Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist, eine Anfechtung der Bestellung zum Insol­venz­ver­walter durch Mitbewerber und einen vorläufigen Rechtsschutz zur Verhinderung der Bestellung zu versagen. Den Interessen der Gläubiger und des Schuldners an einem zügigen und kompli­ka­ti­o­nslosen Ablauf des Insol­venz­ver­fahrens komme Vorrang gegenüber den Interessen der Prätendenten an beruflicher Betätigung zu.

Sachverhalt:

Der Beschwer­de­führer, der nach eigenen Angaben bereits in etwa 350 Verfahren als Insol­venz­ver­walter tätig war, wurde vom Amtsgericht in einem Insol­venz­ver­fahren zum vorläufigen Insol­venz­ver­walter bestellt. Nach Erstattung eines Gutachtens durch den Beschwer­de­führer eröffnete das Amtsgericht das Insol­venz­ver­fahren, bestellte aber nicht den Beschwer­de­führer, sondern einen früher bei ihm beschäftigten Rechtsanwalt zum Insol­venz­ver­walter. Nach Angaben des Beschwer­de­führers wurde er seitdem vom Amtsgericht nicht mehr zum Insol­venz­ver­walter bestellt und hierdurch in nahezu einhundert Verfahren nicht berücksichtigt. Seinen Antrag, die Bestellung seines früheren Mitarbeiters aufzuheben und an dessen Stelle ihn, den Beschwer­de­führer, zum Insol­venz­ver­walter zu ernennen, verwarf das Oberlan­des­gericht als unzulässig, da das Gesetz insoweit ein Rechtsmittel nicht vorsehe. Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde blieb ohne Erfolg.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Nach § 56 Abs. 1 Insol­ven­z­ordnung ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäfts­kundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zum Insol­venz­ver­walter zu bestellen. Diese Regelung dient der sachgerechten Durchführung des Insol­venz­ver­fahrens und damit der Wahrung der Interessen der Gläubiger sowie auch des Schuldners. Sie ist nicht zu dem Zweck geschaffen, Insol­venz­ver­waltern die berufliche Betätigung zu ermöglichen und schafft daher für sich genommen keine subjektiven Rechte hinsichtlich der Bestellung zum Insol­venz­ver­walter. Im Hinblick auf das Verbot einer willkürlichen Ungleich­be­handlung darf der mit dem konkreten Fall befasste Richter seine Entscheidung für einen bestimmten Insol­venz­ver­walter jedoch nicht nach freiem Belieben treffen; vielmehr hat er sein Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben. Insofern verfügt jeder geeignete Bewerber um das Insol­venz­ver­wal­teramt über ein subjektives Recht auf pflichtgemäße Ausübung des Auswah­ler­messens des Insol­venz­richters. Für dieses subjektive Recht muss Rechtsschutz gewährleistet sein.

2. Eine Anfechtung der Bestellung zum Insol­venz­ver­walter durch nicht zum Zuge gekommene Mitbewerber ist hierbei jedoch ebenso ausgeschlossen wie die Verhinderung einer Bestellung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes.

Es stehen sich die Interessen des Staates und die insoweit gleich­ge­richteten Interessen vor allem der Gläubiger sowie in zweiter Linie auch des Schuldners auf der einen Seite sowie die Interessen der Bewerber um das Insol­venz­ver­wal­teramt auf der anderen Seite gegenüber. Das Ziel der bei der Bestel­lungs­ent­scheidung des Insol­venz­ge­richts nicht berück­sich­tigten Prätendenten ist darauf gerichtet, auf dem Wege einer Drittanfechtung der Bestellung anstelle des aus ihrer Sicht zu Unrecht ausgewählten Mitbewerbers zum Insol­venz­ver­walter berufen zu werden. Demgegenüber sind namentlich die Gläubiger daran interessiert, dass weitere Kosten, Verzögerungen und Komplikationen im Ablauf des Insol­venz­ver­fahrens durch gerichtliche Ausein­an­der­set­zungen um die Person des Insol­venz­ver­walters unterbleiben. Im Fall einer durch die Anfechtung des Prätendenten bewirkten Entlassung des zunächst bestellten Insol­venz­ver­walters wären mit einer nachfolgenden erneuten Auswah­l­ent­scheidung des Insol­venz­richters und anschließenden erneuten Anfech­tungs­mög­lich­keiten schwerwiegende Verzögerungen verbunden, die mit der Eilbe­dürf­tigkeit des Insol­venz­ver­fahrens nicht zu vereinbaren sind. Zu Verzögerungen, die den Verfahrenszweck gefährden, kommt es auch, wenn der ausgewählte Prätendent zunächst nicht bestellt, sondern den Mitbewerbern vorläufiger Rechtsschutz gewährt wird.

Bei dieser Interessenlage kann dem – auf das Eigen­tums­grundrecht gestützten – Interesse der Gläubiger nur dadurch Rechnung getragen werden, dass der Rechtsschutz zugunsten der Bewerber um das Insol­venz­ver­wal­teramt unter Ausschluss einer Möglichkeit zur Drittanfechtung der Bestellung wie auch unter Ausschluss vorläufigen Rechtsschutzes gewährt wird. Diese Lösung ist angemessen, weil nach dem vom Gesetzgeber mit Blick auf die Gewährleistung des Eigentums verfolgten Ziel des Insol­venz­ver­fahrens den Interessen der Gläubiger und des Schuldners Vorrang gegenüber den Interessen der Prätendenten an beruflicher Betätigung zukommt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 62/2006 des BVerfG vom 11. Juli 2006

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