15.11.2024
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Dokument-Nr. 3487

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Beschluss05.12.2006Bundesverfassungsgericht1 BvR 2186/06
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Bundesverfassungsgericht Beschluss05.12.2006

Teile des neuen Hufbe­schlag­ge­setzes vorläufig gestopptAussetzung des Gesetzes bis zur Entscheidung über Verfas­sungs­be­schwerde gegen dieses

Die Beschwer­de­führer wenden sich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der damit verbundenen Verfas­sungs­be­schwerde als praktizierende oder zukünftige Huftechniker und Hufpfleger sowie als Betreiber von Schulen für Hufpflege und Huftechnik gegen die Unterwerfung ihrer beruflichen Tätigkeiten unter das neue Hufbe­schlag­gesetz, das zum 1. Januar 2007 in Kraft treten soll.

„Hufpfleger“ übernehmen die Hufversorgung von Pferden ohne jeden Hufschutz oder mit lediglich temporärem Hufschutz. Als „Huftechniker“ werden Spezialisten für alle Arten der Hufhilfsmittel und des Hufschutzes mit Ausnahme des – bisher schon dem Hufschmied vorbehaltenen – Eigenbeschlages bezeichnet. Nachdem das neue Gesetz „Hufbeschlag“ als „die Gesamtheit aller Verrichtungen an einem Huf zum Zweck des Schutzes, der Gesunderhaltung, der Korrektur oder der Behandlung“ definiert, dürfen die Tätigkeiten der Hufpfleger und Huftechniker grundsätzlich nur noch von geprüften und staatlich anerkannten Hufbe­schlag­schmieden ausgeübt werden. Diese Anerkennung setzt unter anderem eine zweijährige hauptberufliche Beschäftigung bei einem Hufbe­schlag­schmied voraus. Hufbe­schlag­schulen dürfen zukünftig nur betrieben werden, wenn sie staatlich anerkannt sind. Hierfür ist unter anderem erforderlich, dass in der Schule ausreichend Hufbe­schlag­lehr­schmiede beschäftigt werden. Die Anerkennung als Hufbe­schlag­lehr­schmied kann nur nach einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit als Hufbe­schlag­schmied erfolgen.

Der Antrag der Beschwer­de­führer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte Erfolg. Der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts setzte das Hufbe­schlag­gesetz bis zur Entscheidung über die Verfas­sungs­be­schwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, insoweit einstweilen aus, als Personen, die Verrichtungen an Hufen zum Zweck des Schutzes, der Gesunderhaltung, der Korrektur oder der Behandlung vornehmen, ohne dabei einen Eisenbeschlag anzubringen, sowie Personen und Einrichtungen, die zu solchen Verrichtungen ausbilden, den Bestimmungen dieses Gesetzes unterworfen werden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der Ausgang der Verfas­sungs­be­schwerde ist offen. Sie ist nicht unzulässig, insbesondere sind die Beschwer­de­führer selbst, unmittelbar und gegenwärtig durch die gesetzliche Regelung betroffen. Von einem verkündeten, wenngleich auch noch nicht in Kraft getretenen Gesetz kann dann eine gegenwärtige Beschwer ausgehen, wenn – wie im vorliegenden Fall – bereits aktuell klar abzusehen ist, dass und auf welche Weise die Beschwer­de­führer von der angegriffenen Vorschrift betroffen sein werden. Die Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Neuregelung ist in Hinblick auf Art. 12 GG (Berufs­wahl­freiheit) auch nicht offensichtlich unbegründet. Aufgrund der Neuregelung sind die Beschwer­de­führer an der Fortsetzung ihrer beruflichen Tätigkeiten und der entsprechenden Ausbildung gehindert, solange sie nicht die neuen Zugangs­vor­aus­set­zungen in Gestalt schmie­de­tech­nischer Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben und nachweisen oder zur Ausbildung anbieten können. Der hierin liegende Eingriff in die Berufsfreiheit bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den Anforderungen der Verfassung genügt. Ob das Hufbe­schlag­gesetz diesen Anforderungen entspricht, bedarf der Überprüfung im Verfas­sungs­be­schwer­de­ver­fahren.

Da der Ausgang der Verfas­sungs­be­schwerde offen ist, ist über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Wird die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, ist dabei ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Die Folgenabwägung führt zum Erlass der einstweiligen Anordnung. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfas­sungs­be­schwerde später jedoch als begründet, so entstünden den Beschwer­de­führern mit In-Kraft-Treten des Gesetzes besonders schwere und praktisch nicht wieder gutzumachende persönliche und wirtschaftliche Nachteile, zudem würden sie zu später nur schwer korrigierbaren Berufs­wah­l­ent­schei­dungen gezwungen. Erginge die einstweilige Anordnung hingegen und hätte die Verfas­sungs­be­schwerde später keinen Erfolg, so könnten die Beschwer­de­führer ihre berufliche Betätigung einstweilen fortsetzen mit den von Seiten des Gesetzgebers prognos­ti­zierten Gefahren. Die Folgen einer fortgesetzten beruflichen Tätigkeit der Beschwer­de­führer fallen hier jedoch weniger ins Gewicht, weil auch auf Basis der Stellungnahme des Bundes­mi­nis­teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau­cher­schutz keine schwerwiegenden Gefährdungen der Tiergesundheit zu erwarten wären.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 118/06 des BVerfG vom 11.12.2006

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