21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.03.2007

Bundes­ver­fas­sungs­gericht zum Betrie­bs­be­sich­ti­gungsrecht der Handwerks­kammernBetretungs- und Prüfrecht nur bei Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksrolle

Soweit Handwerks­kammern die Befugnis zu Betrie­bs­be­suchen haben, dürfen sie diese Befugnis nicht dafür nutzen, um Rechtsverstöße aufzuklären. Die Befugnis zum Betriebsbesuch diene ausschließlich dazu, zu prüfen, ob ein Betrieb in die Handwerksrolle einzutragen sei. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden.

Der Beschwer­de­führer ist gelernter Maler- und Lackie­rer­geselle. Die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt er nicht. Ihm war eine Reise­ge­wer­bekarte für „Reparaturen und kleinere Handreichungen an Ort und Stelle“ erteilt worden, wobei „Neuher­stel­lungen (bei Maler- und Verput­zer­a­r­beiten)“ ausdrücklich ausgenommen waren. Im Oktober 2003 versuchte ein Beauftragter der Handwerkskammer auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 Handwerks­ordnung, bei dem Beschwer­de­führer einen „Betriebsbesuch“ vorzunehmen. Es bestehe der Verdacht, dass der Beschwer­de­führer unerlaubt dem Maler- und Lackie­rer­handwerk nachgehe, weil er nicht in der Handwerksrolle eingetragen sei. Der Beschwer­de­führer erteilte der Handwerkskammer Hausverbot und beantragte vor dem Verwal­tungs­gericht die Feststellung, dass die Handwerkskammer nicht berechtigt sei, bei ihm eine Haus- oder Betrie­bs­be­sich­tigung vorzunehmen. Die Klage wurde abgewiesen. Sein Rechtsmittel vor dem Verwal­tungs­ge­richtshof war erfolglos.

Die Verfas­sungs­be­schwerdevor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte Erfolg. Dieses hob die gerichtlichen Entscheidungen auf. Die Annahme der Fachgerichte, dass die Handwerkskammer berechtigt sei, bei dem Beschwer­de­führer eine Betrie­bs­be­sich­tigung durchzuführen, sei mit dem Grundrecht des Beschwer­de­führers aus Art. 13 Abs. 1 GG (Unver­letz­lichkeit der Wohnung) nicht zu vereinbaren.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Das Betreten der Räume diente nicht einem erlaubten Zweck. Zweck des in § 17 Abs. 2 HandwO geregelten Betre­tungs­rechts ist die Prüfung der Eintra­gungs­vor­aus­set­zungen in die Handwerksrolle. Um die Handwerksrolle korrekt führen zu können, müssen die Handwerks­kammern über Informationen verfügen, die sie zur Prüfung befähigen, ob ein Betrieb einzutragen oder zu löschen ist. Bei dem Beschwer­de­führer liegen die persönlichen Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle erkennbar nicht vor. In dieser Konstellation kann der Zweck der Ausübung des Betretungs- und Besich­ti­gungs­rechts nicht in der Eintragung des Beschwer­de­führers in die Handwerksrolle bestehen. Es steht bereits hinreichend sicher fest, dass es für die korrekte Führung der Handwerksrolle keiner weiteren Informationen mehr bedarf, die durch eine Betrie­bs­be­sich­tigung zu erlangen wären.

Zweck des Betre­tungs­rechts ist es dagegen nicht, dass sich die Handwerks­kammern auf diesem Weg Informationen über rechtswidrig tätige Gewer­be­treibende verschaffen können, um bei der zuständigen Verwal­tungs­behörde ein Ordnungs­wid­rig­kei­ten­ver­fahren herbeizuführen. Aufgabe der Handwerks­kammern ist es, als Organisation der Selbst­ver­waltung die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen und nicht als staatliche Aufsichts- oder Verfol­gungs­be­hörden tätig zu sein. Dies wird durch den seit 2004 neu gefassten § 17 Abs. 1 Satz 2 HandwO bestätigt; denn den Handwerks­kammern wird nunmehr ausdrücklich untersagt, die nach dieser Vorschrift gewonnenen Erkenntnisse, die für die Prüfung der Eintra­gungs­vor­aus­set­zungen nicht erforderlich sind, für andere Zwecke, namentlich für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungs­wid­rig­keiten zu verwerten. Die Beschränkung des Betre­tungs­rechts der Handwerks­kammern auf den Zweck der korrekten Führung der Handwerksrolle ist umso mehr angezeigt, als anderenfalls der Zutritt der Handwerks­kammern in die Nähe einer – gemäß Art. 13 Abs. 2 GG dem Richter­vor­behalt unterliegenden – Durchsuchung geriete.

Hingegen ist die gesetzliche Regelung in § 17 Abs. 2 HandwO selbst nicht verfas­sungs­widrig; denn sie ist einer verfas­sungs­kon­formen Auslegung zugänglich. Dem Wortlaut entsprechend darf die Prüfung der Eintra­gungs­vor­aus­set­zungen bei einzutragenden Gewer­be­trei­benden nur unter der Fragestellung erfolgen, ob ein Gewer­be­trei­bender durch die Handwerkskammer tatsächlich in die Handwerksrolle einzutragen ist. Steht von vorneherein unzweifelhaft fest, dass dies nicht der Fall ist, besteht kein Betretungsrecht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 39/07 des BVerfG vom 15.03.2007

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