15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss28.02.2008

Betriebsrenten: Verdoppelung der Beitragslast seit 2004 ist zulässigRentner scheitern mit Beschwerde vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht

Die Kranken­ver­si­cherung der Rentner wird unter anderem durch Beiträge finanziert, die der Versicherte zu tragen hat. Neben der Rente aus der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung unterliegen insbesondere die der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versor­gungs­bezüge) der Beitragspflicht. Die Beitragshöhe bestimmt sich bei Renten der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung nach dem vollen Beitragssatz. Allerdings wird die Hälfte ihres Beitrages vom Träger der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung gezahlt. Für Versor­gungs­bezüge hingegen wurde bis Ende 2003 nur der halbe Beitragssatz erhoben; diesen hatten die Versor­gungs­emp­fänger alleine zutragen. Aufgrund einer Rechtsänderung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ist ab 2004 nun auch für Versor­gungs­bezüge der volle Beitragssatz zu entrichten. Dies hat zu einer Verdoppelung der Beitragslast auf Versor­gungs­bezüge geführt.

Die sechs Beschwer­de­führer sind als Bezieher einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Kranken­ver­si­cherung der Rentner pflicht­ver­sichert. Neben der Rente beziehen sie Versorgungsbezüge, auf die ab 2004 durch die Krankenkassen Beiträge nach dem vollen Beitragssatz erhoben wurden. Ihre Klage gegen die Verdoppelung der Beitragslast blieb vor den Sozialgerichten ohne Erfolg.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die hiergegen gerichteten Verfas­sungs­be­schwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Als Teil eines Maßnah­me­ka­talogs zur Erhaltung der Stabilität des Systems der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung sei die Verdoppelung der Beitragslast verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Dem Nicht­an­nah­me­be­schluss liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Auf der Ebene des Beitragssatzes hat das Gesetz nicht eine Ungleich­be­handlung eingeführt, sondern eine bis dahin bestehende Ungleich­be­handlung beseitigt, welche die Empfänger von Versor­gungs­bezügen im Vergleich zu den Beziehern einer Rente aus der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung begünstigte. Denn Rentenbezieher mussten auch schon vor dem 1. Januar 2004 Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz entrichten. Eine Ungleich­be­handlung erfahren die Empfänger von Versor­gungs­bezügen erst auf der Ebene der Beitragslast, da bei Versi­che­rungs­pflichtigen, die eine Rente aus der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung beziehen, der Träger der Renten­ver­si­cherung die Hälfte der Beiträge übernimmt. Demgegenüber trägt der Bezieher von Versor­gungs­bezügen die Beiträge allein.

Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht geboten, die Versor­gungs­träger ebenso wie die Träger der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung an der Beitragslast zu beteiligen. Der Anspruch des Rentners, vom Renten­ver­si­che­rungs­träger zur Kranken­ver­si­cherung einen Zuschuss zu erhalten, ist legitimiert, weil er letztlich auf Eigenleistungen des Versicherten in Form von Renten­ver­si­che­rungs­bei­trägen beruht, mit denen er nicht nur den Rentenanspruch, sondern auch den Kranken­ver­si­che­rungs­schutz mitfinanziert. Demgegenüber widerspräche es dem Verant­wor­tungs­prinzip, Versor­gungswerke und Zahlstellen unter­schied­lichster Art, welche ihren Versicherten eine zusätzliche Alters­ab­si­cherung anbieten, für die Finanzierung der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung der Rentner in die Pflicht zu nehmen.

2. Die Verdoppelung der Beitragslast auf Versor­gungs­bezüge ist auch nicht unver­hält­nismäßig. Die Maßnahme war zur Deckung einer zunehmenden Finan­zie­rungslücke, deren Ursache der medizinische Fortschritt und die zunehmende Zahl älterer Menschen ist, erforderlich. Deckten 1973 die Beitrags­zah­lungen der Rentner noch 70 % deren Leistungs­auf­wen­dungen, liegt diese Quote zwischen­zeitlich nur noch bei 43 %. Der Gesetzgeber erwartete aus der zusätzlichen Belastung der Versor­gungs­bezüge Mehreinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Die damit verbundene Mehrbelastung war für die betroffenen Rentner zumutbar. Versor­gungs­bezüge machen regelmäßig nur einen geringen Teil der Alterseinkünfte aus. Selbst wenn in Einzelfällen die Versor­gungs­bezüge die anderen Einkünfte übersteigen, hat die Beitrags­mehr­be­lastung keine grundlegende Beein­träch­tigung der Vermö­gens­ver­hältnisse im Sinne einer erdrosselnden Wirkung.

3. Die Verdoppelung der Beitragslast verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes. Das System der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung steht bereits seit langem unter erheblichem Kostendruck. Angesichts der vielfältigen Bemühungen des Gesetzgebers in den vergangenen Jahren, sowohl auf der Einnahmeseite als auch auf der Ausgabenseite auf Gefährdungen des Systems zu reagieren, konnten die Versicherten in den Fortbestand privi­le­gie­render Regelungen nicht uneingeschränkt vertrauen. Zudem muss das mit der Regelung verfolgte Gemeinwohlziel der Erhaltung der Stabilität des Systems der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung als gewichtiger angesehen werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 47/08 des BVerfG vom 04.04.2008

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