18.10.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 34407

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Beschluss21.08.2024Bundesverfassungsgericht1 BvR 2106/22
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Bundesverfassungsgericht Beschluss21.08.2024

Verfassungs­beschwerde mit dem Ziel der Gewährung von Mutterschutz nach Fehlgeburt erfolglosVerfassungs­beschwerde nicht fristgerecht eingelegt

Das Bundes­verfassungs­gericht hat eine Verfassungs­beschwerde mehrerer Frauen, die eine Fehlgeburt nach der 12., aber vor der 24. Schwan­ger­schafts­woche erlitten haben, nicht zur Entscheidung angenommen. Mit ihrer Verfassungs­beschwerde verfolgen sie das Ziel, wie Entbindende behandelt zu werden, die unter die Schutzfristen des Mutter­schutz­gesetzes (MuSchG) fallen.

Die vier Beschwer­de­füh­re­rinnen sind angestellte beziehungsweise verbeamtete Frauen, deren Schwan­ger­schaften jeweils nach der 12., aber vor der 24. Schwan­ger­schaftswoche durch eine Fehlgeburt endete. Sie ließen sich daraufhin Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gungen ausstellen und arbeiteten nicht. Die Beschwer­de­füh­re­rinnen rügen, dass die mutter­schutz­recht­lichen Schutz­fris­ten­re­ge­lungen mit dem Grundgesetz unvereinbar seien, weil Frauen, die zwischen der 12. und der 24. Schwan­ger­schaftswoche eine Fehlgeburt mit einem weniger als 500 Gramm schweren Kind erlitten haben, von den angegriffenen Schutz­fris­ten­re­ge­lungen ausgenommen seien.

Inanspruchnahme fachge­richt­lichen Rechtschutz zumutbar

Eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine Norm richtet, kann nur binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Diese Frist war bei Erhebung der Verfas­sungs­be­schwerde abgelaufen. Die Verfas­sungs­be­schwerde genügt auch dem Grundsatz der Subsidiarität nicht. Vor Erhebung von Rechts­satz­ver­fas­sungs­be­schwerden sind grundsätzlich alle Mittel zu ergreifen, die der geltend gemachten Grund­rechts­ver­letzung abhelfen können. Die Beschwer­de­füh­re­rinnen hätten, jedenfalls soweit sie Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse sind, gegen die Krankenkassen einen Anspruch auf Mutter­schaftsgeld beziehungsweise gegen ihre Arbeitgeber einen Anspruch auf Zuschuss zum Mutter­schaftsgeld geltend machen können. Beide Ansprüche hätten sie vor den Fachgerichten verfolgen können. Des Weiteren hätten sie eine Klage auf Feststellung eines Beschäf­ti­gungs­verbots erheben können.

Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes war den Beschwer­de­füh­re­rinnen nicht unzumutbar. Der Anspruch auf Mutter­schaftsgeld knüpft bei den Anspruchs­vor­aus­set­zungen an die gesetzlichen Schutzfristen des § 3 MuSchG und damit an die „Entbindung“ an. Der Begriff der „Entbindung“ wurde durch den Gesetzgeber weder im Mutter­schutzrecht noch in den zugehörigen sozia­l­recht­lichen Bestimmungen konkretisiert. In der Rechtsprechung wurde bisher zur Auslegung des Begriffs der „Entbindung“ in einem anderen Kontext auf die Regelungen der Perso­nen­stands­ver­ordnung zurückgegriffen. Diese Auslegung erachtete der Gesetzgeber bei Einführung des gesetzlichen Kündi­gungs­verbots für Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, im Zuge der Reform des Mutter­schutz­ge­setzes im Jahr 2017 aus medizinischer Sicht und nach der Intention des Mutter­schutz­ge­setzes für nicht sachgerecht. Dass die Gerichte gleichwohl an der bisherigen Auslegung des Begriffs „Entbindung“ in Bezug auf die beanstandeten Regelungen festhalten würden, ist nicht offensichtlich. Dies ist mit Blick auf die unter­schied­lichen Zielsetzungen der Perso­nen­stands­ver­ordnung und der mutter­schutz­recht­lichen Fristen­be­stim­mungen auch unter Berück­sich­tigung des Art. 6 Abs. 4 GG im Falle einer Fehlgeburt nicht zwingend. Bei der Auslegung sind zudem medizinische Wertungen zu beachten, die vorrangig im fachge­richt­lichen Verfahren zu gewinnen sind.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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