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Dokument-Nr. 35314

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Beschluss28.07.2025Bundesverfassungsgericht1 BvR 1949/24
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Bundesverfassungsgericht Beschluss28.07.2025

Bundes­ver­fas­sungs­gericht kritisiert "Lebens­mit­tel­pranger"Veröf­fent­lichung von Beanstandungen der Lebens­mit­tel­kon­trolle kann Grundrechte verletzen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat einer Verfas­sungs­be­schwerde stattgegeben, soweit sie sich gegen eine gerichtliche Eilentscheidung des Verwal­tungs­ge­richtshofs zu einer beabsichtigten Veröf­fent­lichung von Informationen über einen Verstoß gegen lebens­mit­tel­rechtliche Vorschriften („Lebens­mit­tel­pranger“) richtet.

Die Kammer stellt in ihrem Beschluss fest, dass der Verwal­tungs­ge­richtshof bei seiner Auslegung und Anwendung von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 des Lebensmittel- und Futter­mit­tel­ge­setzbuchs (LFGB), wonach die Öffentlichkeit „unverzüglich“ über lebens­mit­tel­rechtliche Verstöße zu informieren ist, die Beschwer­de­führerin in ihrer Berufs­aus­übungs­freiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt hat. Die Kammer hat den Beschluss des Verwal­tungs­ge­richtshofs aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Verwal­tungs­ge­richtshof zurückverwiesen.

Sachverhalt

Bei der Untersuchung einer der Betriebsstätten der Beschwer­de­führerin stellte das zuständige Ordnungsamt zahlreiche Verstöße gegen lebens­mit­tel­rechtliche Vorschriften fest. Gegen die geplante Veröf­fent­lichung der Feststellungen im Internet stellte die Beschwer­de­führerin einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, welchen das Verwal­tungs­gericht ablehnte. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Verwal­tungs­ge­richtshof – nachdem das Verfahren mehr als 14 Monate in der Beschwer­de­instanz anhängig war – zurück. Es führte unter anderem aus, dass die geplante Veröf­fent­lichung noch „unverzüglich“ im Sinne der Regelung des LFGB sei, wenn die zeitliche Verzögerung maßgeblich auf der Zurückstellung der Veröf­fent­lichung seitens der Behörde während eines laufenden gerichtlichen Eilverfahrens beruhe.

Soweit sich die Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richtshofs richtet, ist sie zulässig und begründet. Die Auslegung und Anwendung des Tatbe­stands­merkmals „unverzüglich“ durch den Verwal­tungs­ge­richtshof werden der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht.

So kann eine – wie hier beabsichtigte – Veröf­fent­lichung von Rechtsverstößen im Internet für betroffene Unternehmen von großem Gewicht sein. Eine derart weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröf­fent­lichung kann zu einem erheblichen Verlust des Ansehens und zu Umsatzeinbußen führen, was im Einzelfall bis hin zur Existenz­ver­nichtung reichen kann.

Zwar ist bei der Beantwortung der Frage, ob eine Veröf­fent­lichung noch unverzüglich erfolgt, die zeitliche Verzögerung, die maßgeblich auf der Zurückstellung der Veröf­fent­lichung seitens der Behörde aufgrund eines laufenden gerichtlichen Eilverfahrens beruht, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit gebietet es aber mit Blick auf die Gesamtdauer des Verfahrens mit einzubeziehen, ob und inwieweit sich in dem Verfahren eingetretene zeitliche Verzögerungen nach den Umständen des Einzelfalls noch als angemessen erweisen.

Eine diesen Anforderungen entsprechende einzel­fa­ll­be­zogene Abwägung lässt die angegriffene Entscheidung vermissen. So berücksichtigt der Verwal­tungs­ge­richtshof schon nicht, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits rund 17 Monate seit der Feststellung des lebens­mit­tel­recht­lichen Verstoßes vergangen waren. Eine Veröf­fent­lichung konnte daher schon wegen der langen zeitlichen Verzögerung ihren Zweck nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in einer Aktualität erreichen, der den Eingriff in das Grundrecht der Beschwer­de­führerin aus Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen konnte. Je weiter der festgestellte Verstoß gegen lebens­mit­tel­rechtliche Gebote zeitlich entfernt ist, desto geringer ist noch der objektive Infor­ma­ti­o­nswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt. Gleichzeitig nimmt die Grund­rechts­be­lastung mit zunehmendem Abstand zwischen dem festgestellten Verstoß und der Veröf­fent­lichung zu. Zwar kann die Durchführung eines gerichtlichen Eilverfahrens die Unver­züg­lichkeit einer Veröf­fent­lichung grundsätzlich nicht in Frage stellen. Damit aber, ob und inwieweit dies auch dann gelten kann, wenn – wie hier – das gerichtliche Eilverfahren allein in der Beschwer­de­instanz mehr als 14 Monate dauert, setzt sich der Verwal­tungs­ge­richtshof nicht auseinander. Dies hätte sich aber angesichts dieser Dauer aufdrängen müssen, zumal es weder ersichtlich ist, dass die zeitliche Verzögerung der Sphäre der Beschwer­de­führerin zuzurechnen sein könnte, noch sachliche Gründe erkennbar sind, die die eingetretene zeitliche Verzögerung nach den Umständen des Einzelfalls noch als angemessen erscheinen lassen könnten.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

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