18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss12.02.2021

BVerfG: Familiengericht muss von Jugendamt und Verfah­rens­beistand abweichende Entscheidung zum Vorliegen einer Kinde­wohl­ge­fährdung nachvollziehbar begründenNähere Begründung einer von fachkundigen Personen abweichende Einschätzung

Will das Familiengericht von der Einschätzung des Jugendamts und des Ver­fahrens­beistandes zum Vorliegen einer Kindes­wohl­gefährdung abweichen, so muss es die gegenläufige Entscheidung nachvollziehbar begründen. Dies hat das Bundes­verfassungs­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Oktober 2019 wurde in Brandenburg ein fünfjähriges Kind aus der Pflegefamilie genommen, da bekannt wurde, dass der Pflegevater wegen Besitzes kinderpor­no­gra­fischer Bilder und Videos zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Die Pflegemutter beantragte nachfolgend die Rückführung des Kindes in ihrem Haushalt. Sie führte an, sich vom Pflegevater getrennt zu haben. Das Jugendamt und die Verfah­rens­bei­ständin gingen dennoch weiterhin von einer Kindeswohlgefährdung aus, sollte das Kind zur Pflegemutter zurückkehren. Das Oberlan­des­gericht Brandenburg teilte die Einschätzung ohne nähere Begründung nicht und ordnete die Rückführung des Kindes an. Dagegen richtete sich die Verfas­sungs­be­schwerde des Amtsvormundes.

Rückführung des Kindes stellt Grund­rechts­ver­letzung dar

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hob die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts auf und wies den Fall zur Neuverhandlung zurück. Die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts verletze das Kind in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit 6 Abs. 2 Satz 2 GG.

Unzureichende Begründung der abweichenden Entscheidung zur Kindes­wohl­ge­fährdung

Hält das Familiengericht eine Trennung des Kindes von den (Pflege-) Eltern für nicht erforderlich, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der (Pflege-) Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wird, so müsse das Gericht nachvollziehbar begründen, warum eine solche Gefahr für das Wohl des Kindes nicht vorliegt. Diese Begrün­dungs­pflicht gelte insbesondere dann, wenn das Gericht der Einschätzung der Sachver­ständigen oder der beteiligten Fachkräfte zum Vorliegen einer Kindes­wohl­ge­fährdung nicht folgt. Das Abweichen von den gegenläufigen Einschätzungen der fachkundigen Personen bedürfe eingehender Begründung. Daran fehle es hier.

Fehlende Ausein­an­der­setzung mit eine Kindes­wohl­ge­fährdung begründenden Anhaltspunkten

Das Oberlan­des­gericht habe sich nicht mit den Umstand ausein­an­der­gesetzt, so das Bundes­ver­fas­sungs­gericht, dass die Pflegemutter versucht hat, die Taten ihres Ehemanns zu verheimlichen bzw. zu verharmlosen. Die Pflegemutter hatte die von ihrem Ehemann ausgehende Missbrauchs­gefahr nicht anerkannt. Daher seien Zweifel daran, ob sie bereit sei, langfristige Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu ergreifen, angebracht gewesen. Unberück­sichtigt sei ebenso geblieben, dass Zweifel an der endgültigen Beendigung der Beziehung der Pflegeeltern bestehen und dass der Pflegevater in der Nähe der Wohnung der Pflegemutter wohnt und somit Besuche oder zufällige Begegnungen zu befürchten sind. Das Oberlan­des­gericht ließ schließlich die Äußerung der Pflegemutter außer Betracht, wonach sie nicht wisse, wie sie das Leben mit Kind ohne den Pflegevater finanzieren könne und ob sie der Betreuung des Kindes als Allein­er­ziehende gewachsen sei.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

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