21.11.2024
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Dokument-Nr. 1458

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Bundesverfassungsgericht Beschluss29.11.2005

Erfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde gegen Ersetzung der Einwilligung

Die Verfas­sungs­be­schwerde des leiblichen Vaters eines nichtehelich geborenen Kindes gegen dessen Adoption durch den Ehemann der Kindesmutter war erfolgreich. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hob die angegriffenen Entscheidungen, mit denen die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption ersetzt worden war, auf. Sie genügten nicht den – auf dem Gleichheitssatz gründenden – verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen einer umfassenden Inter­es­se­n­ab­wägung zwischen den Interessen des Kindes und denen des Vaters.

Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:

Grundsätzlich ist zur Adoption eines Kindes die Einwilligung beider Elternteile nötig. In bestimmten Ausnahmefällen ermöglicht das Gesetz die Adoption des Kindes aber auch gegen den Willen eines Elternteils. Bei einem besonders schweren, vollständigen Versagen eines Elternteils in seiner Verantwortung gegenüber dem Kind kann die Einwilligung dieses Elternteils durch das Vormund­schafts­gericht ersetzt werden. Für nichteheliche Väter, die die elterliche Sorge weder innehaben noch inne gehabt haben, enthält § 1748 Abs. 4 BGB eine besondere Regelung. Danach ist die Einwilligung bereits dann zu ersetzen, wenn das Unterbleiben der Adoption dem Kind zu unver­hält­nis­mäßigem Nachteil gereichen würde.

Der Beschwer­de­führer ist Vater eines im Januar 1987 nichtehelich geborenen Sohnes. Er erkannte die Vaterschaft gleich nach der Geburt an. Zu dieser Zeit lebte er mit der Mutter des Kindes zusammen. 1989 trennte sich die Mutter von ihm und heiratete im Sommer 1990 ihren jetzigen Ehemann. Der letzte von der Kindesmutter gebilligte Kontakt des Beschwer­de­führers mit seinem Sohn fand im Mai 1990 statt. Weitere Besuche wurden von der Mutter unterbunden. Nachdem der Ehemann der Kindesmutter die Adoption des Kindes beantragt hatte, ersetzte das Amtsgericht im Januar 2001 auf der Grundlage von § 1748 Abs. 4 BGB die Zustimmung des Beschwer­de­führers in die Adoption. Rechtsmittel des Beschwer­de­führers wurden vom Landgericht und Oberlan­des­gericht zurückgewiesen. Die gegen die fachge­richt­lichen Entscheidungen erhobene Verfas­sungs­be­schwerde hatte Erfolg.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Nach § 1748 Abs. 4 BGB kann die Einwilligung eines zu keinem Zeitpunkt sorgeberechtigt gewesenen Vaters eines nichtehelich geborenen Kindes unter leichteren Voraussetzungen ersetzt werden, als dies bei den übrigen Vätern der Fall ist. Gleichwohl ist die Regelung mit dem Gleichheitssatz vereinbar, da die Norm einer verfas­sungs­kon­formen Auslegung zugänglich ist, die eine Ungleich­be­handlung verhindern kann. Wie schon der Bundes­ge­richtshof in seiner Entscheidung vom 23. März 2005 festgestellt hat, erfordert die verfas­sungs­rechtlich gebotene Abwägung der Interessen von Vater und Kind, bei der Entscheidung über eine beantragte Adoption nur dann von einem „unver­hält­nis­mäßigen Nachteil“ i.S. des § 1748 Abs. 4 BGB auszugehen, wenn die Adoption für das Kind einen so erheblichen Vorteil hat, dass ein sich verständig um das Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Verwandt­schafts­bandes nicht bestehen würde. Der Bundes­ge­richtshof hat darauf hingewiesen, dass auf Seiten des Vaters unter anderem zu erwägen sein werde, ob ein gelebtes Vater-Kind-Verhältnis bestehe oder bestanden habe oder welche Gründe den Vater am Aufbau oder an der Aufrecht­er­haltung eines solchen Verhältnisses gehindert hätten. Der Sache nach hat der Bundes­ge­richtshof insoweit geklärt, dass § 1748 Abs. 4 BGB (ebenso wie dies in den übrigen Fällen der Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils erforderlich ist) eine Berück­sich­tigung des Vorverhaltens des Vaters verlangt. Damit hat der Bundes­ge­richtshof dem verfas­sungs­recht­lichen Erfordernis einer Abwägung zwischen den Interessen des Kindes und denen des Vaters Rechnung getragen. Auf diese Weise wird eine wesentliche Ungleich­be­handlung von nicht­sor­ge­be­rech­tigten nichtehelichen Vätern und den übrigen Vätergruppen vermieden.

Die vom Beschwer­de­führer angegriffenen Entscheidungen genügen nicht diesen durch den Gleichheitssatz gebotenen Ausle­gungs­maß­stäben. Die Fachgerichte haben im Rahmen der verfas­sungs­rechtlich gebotenen Abwägung der Interessen des Kindes mit denen des Beschwer­de­führers die grundrechtlich geschützten Interessen des Beschwer­de­führers nicht angemessen gewürdigt. Sie haben sich auf die Feststellung beschränkt, dass zwischen dem Beschwer­de­führer und dem Kind seit elf Jahren faktisch keine Vater-Kind-Beziehung mehr bestehe. Nicht berücksichtigt wurde, dass der Beschwer­de­führer zumindest einige Zeit mit dem Kind zusammengelebt und seine Eltern­ver­ant­wort­lichkeit wahrgenommen hat. Die verfas­sungs­rechtlich gebotene Prüfung, welche Gründe den Vater an der Aufrecht­er­haltung eines gelebten Vater-Kind-Verhältnisses gehindert haben, haben die Gerichte ersichtlich nicht vorgenommen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 123/05 des BVerfG vom 13.12.2005

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