12.12.2024
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Dokument-Nr. 34637

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Beschluss04.11.2024Bundesverfassungsgericht1 BvR 1177/22
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Bundesverfassungsgericht Beschluss04.11.2024

Erfolglose Verfas­sungs­be­schwerde gegen Tabaksteuer für E-ZigarettenGesetzgeber hat bei der Ausgestaltung verhal­tens­len­kender Steuern einen weiten Beurtei­lungsraum und Gestal­tungs­spielraum

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat eine Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Einführung der Tabaksteuer zum 1. Juli 2022 auf nikotinhaltige wie nikotinfreie Liquids für elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) richtet. Die Verfas­sungs­be­schwerde entspricht nicht den gesetzlichen Darlegungs- und Substan­ti­ie­rungs­an­for­de­rungen.

Die Beschwer­de­führer sind Konsumenten von E-Zigaretten und Unternehmen, die E-Zigaretten beziehungsweise nikotinhaltige oder nikotinfreie Nachfüll­be­hälter für diese selbst herstellen oder herstellen lassen und in Deutschland in den Verkehr bringen.

In E-Zigaretten wird eine Substanz (sogenanntes Liquid) erhitzt; der so erzeugte Nassdampf wird vom Konsumenten inhaliert. Liquids sind mit unter­schied­lichem Nikotingehalt sowie gänzlich nikotinfrei erhältlich. Zum Befüllen des bei offenen Systemen in E-Zigaretten enthaltenen Tanks können fertige Lösungen genutzt werden oder das Liquid individuell aus verschiedenen Misch­kom­po­nenten zusam­men­ge­stellt und nach Wunsch durch Nikotinshots ergänzt werden. Mit Ausnahme des Nikotins sind die Misch­kom­po­nenten auch außerhalb des eigentlichen E-Zigaretten-Handels, etwa als Lebens­mit­tel­zusätze, für Endverbraucher frei erhältlich. Die Genera­l­zoll­di­rektion vertritt die Auffassung, dass außerhalb des E-Zigaretten-Handels erworbene Substanzen zur Herstellung von Liquids durch Endverbraucher auf Grundlage einer Steuererklärung zu versteuern seien, da die Endverbraucher durch das Mischen der Liquids zu Herstellern würden.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig. Im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität hätten die Beschwer­de­führer darlegen müssen, weshalb der Rechtsweg zu den Finanzgerichten vor Einlegung einer Verfas­sungs­be­schwerde nicht offenstand. Die Frage, ob tatsächlich die Käufer von frei verfügbaren Produkten zu Herstellern im tabak­steu­er­recht­lichen Sinne werden und daraus ein strukturelles Vollzugsdefizit bei einer bestimmten Norm des materiellen Steuerrechts resultieren kann, ist vorrangig durch die Finanzgerichte zu beantworten.

Beschwer­de­führer: Viele Verbraucher zahlen keine Tabaksteuer

Außerdem wird die Beschwer­de­be­fugnis nicht hinreichend dargelegt. Soweit die Beschwer­de­führer darauf verweisen, dass es sich bei der Tabaksteuer um eine Verbrauchsteuer handele, folgt eine Grund­rechts­be­trof­fenheit aus der Qualität der Verbrauchsteuer jedenfalls dann noch nicht, wenn ungewiss ist, ob die Steuerlast die Beschwer­de­führer tatsächlich erreicht oder erreichen wird. Die Beschwer­de­führer setzen sich nicht damit auseinander, dass sich schon der Gesetzgeber wegen der Preis­sen­si­bilität in diesem Marktsegment nicht in der Lage sah zu beurteilen, inwieweit die Unternehmen die entstehenden höheren Kosten über die Preisgestaltung auch für Tabakwaren, erhitzten Tabak und nikotinhaltige Substanzen zur Verwendung in E-Zigaretten an die Bürgerinnen und Bürger weitergeben werden.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht sieht kein Vollzugsdefizit

Eine Verletzung des allgemeinen Gleich­heits­satzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) durch ein strukturelles Vollzugsdefizit der Tabaksteuer ist nicht den Substan­ti­ie­rungs­an­for­de­rungen genügend begründet. Es wird schon nicht deutlich, weshalb Veräußerer und Hersteller von Tabak­er­zeug­nissen auf der einen Seite und „Hersteller“ von Liquids, die auf dem freien Markt erhältliche Produkte zum Mischen verwenden, auf der anderen Seite im Rahmen des Normenvollzugs vergleichbare Fallgruppen darstellen. Aus dem Vorbringen, dass andere Konsumenten aufgrund der Besteuerung von Substituten für Tabakwaren zur Eigen­her­stellung von Liquids für den Eigenbedarf verleitet werden würden und es unwahr­scheinlich sei, dass diese die erworbenen Waren versteuerten, wird kein Vollzugsdefizit erkennbar. Zwar erscheint eine Zunahme von Eigen­her­stellung grundsätzlich möglich. Dass es sich hierbei zukünftig tatsächlich um den Regelfall des Besteu­e­rungs­ver­fahrens und damit um ein Vollzugsdefizit struktureller Natur handelt, wird jedoch insbesondere mit Blick darauf, dass auch Faktoren wie etwa Gewohnheit oder Gesund­heits­schutz eine Rolle spielen können, nicht dargelegt.

Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung verhal­tens­len­kender Steuern einen weiten Beurtei­lungsraum und Gestal­tungs­spielraum

Soweit die Beschwer­de­führer geltend machen, die im Vergleich zum Rauchtabak geringere Gesund­heits­ge­fährdung spiegele sich in der Höhe der Besteuerung nicht wider, legen sie ebenfalls eine Verletzung des allgemeinen Gleich­heits­satzes nicht dar. Bei der Ausgestaltung verhal­tens­len­kender Steuern kommt dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und Gestal­tungs­spielraum zu. Die vom Konsum von E-Zigaretten ausgehenden Gefahren wurden von den im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren angehörten Sachver­ständigen – wie auch in den von den Beschwer­de­führern vorgelegten Gutachten – unterschiedlich beurteilt. Hierauf gehen die Beschwer­de­führer nicht genügend ein.

Die weiter gerügte Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG ist ebenso nicht substantiiert begründet.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

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