21.11.2024
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Dokument-Nr. 4063

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Bundesverfassungsgericht Beschluss20.03.2007

Bürgenhaftung des Haupt­un­ter­nehmers nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandenGesetz soll Arbeitnehmern tariflichen Mindest­ta­riflohn sichern

Wenn ein Bauarbeiter für ein ausländisches Subunternehmen auf einer Baustelle in Deutschland tätig wird, kann er von dem deutschen Auftraggeber den tariflichen Mindestlohn einfordern. Nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz haftet ein deutscher Unternehmer, der einen Nachunternehmer mit Bauleistungen beauftragt, für die Mindest­lohn­ansprüche der bei diesem beschäftigten Arbeitnehmer wie ein Bürge. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat diese Vorschrift als verfas­sungsgemäß angesehen.

Nach § 1 a Arbeitnehmer-Entsendegesetz haftet ein Unternehmer, der einen Nachunternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, für die tariflichen Mindest­lohn­ansprüche der bei dem Nachunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Diese Vorschrift ist verfas­sungsgemäß. Der hierdurch bewirkte Eingriff in die durch Art. 12 Grundgesetz geschützte unter­neh­me­rische Betäti­gungs­freiheit der Bauunternehmer ist durch überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und entspricht dem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit. Dies entschied die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts. Damit war die Verfas­sungs­be­schwerde eines Haupt­un­ter­nehmers, der von den Arbeits­ge­richten zur Zahlung des tariflichen Mindestlohns an einen Arbeitnehmer des von ihm beauftragten portugiesischen Nachun­ter­nehmers verurteilt worden war, erfolglos.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Regelung verfas­sungs­rechtlich legitime Ziele. Indem die betroffenen Arbeitnehmer mit dem Haupt­un­ter­nehmer einen weiteren Schuldner erhalten, soll sichergestellt werden, dass sie den rechtlich garantierten Mindest­lohn­an­spruch tatsächlich durchsetzen können. Die Erstreckung der tariflichen Mindestlöhne auf Außenseiter soll einem Verdrän­gungs­wett­bewerb über die Lohnkosten entgegenwirken, dem insbesondere kleine und mittlere Betriebe nicht standhalten können. Diese Maßnahme soll zur Bekämpfung der Arbeits­lo­sigkeit im Bausektor beitragen. Sie dient damit auch der Erhaltung als wünschenswert angesehener sozialer Standards und der Entlastung der bei hoher Arbeits­lo­sigkeit oder bei niedrigen Löhnen verstärkt in Anspruch genommenen Systeme der sozialen Sicherheit. Die Bekämpfung der Arbeits­lo­sigkeit ist in Verbindung mit der Sicherung sozialer Mindest­standards ein besonders wichtiges Ziel, bei dessen Verwirklichung dem Gesetzgeber gerade unter den gegebenen schwierigen arbeits­ma­rkt­po­li­tischen Bedingungen ein relativ großer Entschei­dungs­spielraum zugestanden werden muss. Dieser Gemein­wohl­belang, dem auch die Bürgenhaftung Rechnung zu tragen versucht, besitzt eine überragende Bedeutung.

Die Bürgenhaftung erscheint auch nicht deshalb als unangemessen, weil dem Haupt­un­ter­nehmer keine Möglichkeiten zur Verfügung stünden, um sich vor der Inanspruchnahme durch die Arbeitnehmer zu schützen. Nach der verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandenden Vorstellung des Gesetzgebers soll sich der Haupt­un­ter­nehmer gerade darum bemühen, nur Nachunternehmer zu beauftragen, die eine größtmögliche Gewähr für die Erfüllung der Mindest­lohn­ansprüche der Arbeitnehmer bieten. Eine Unzumutbarkeit der Bürgenhaftung folgt auch nicht daraus, dass sie dem Haupt­un­ter­nehmer verschul­den­su­n­ab­hängig ohne hinreichende Verant­wor­tungs­be­ziehung zu dem die Haftung auslösenden Sachverhalt auferlegt würde. Erfüllt der vom Haupt­un­ter­nehmer beauftragte Nachunternehmer die Mindest­lohn­ansprüche seiner Arbeitnehmer nicht, verwirklicht sich genau das zusätzliche Risiko, das der Haupt­un­ter­nehmer geschaffen hat, indem er sich des Nachun­ter­nehmers zur Ausführung der von ihm geschuldeten, aber nicht durch eigene Arbeitnehmer erbrachten Bauleistungen bedient hat.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 42/2007 des BVerfG vom 05.04.07

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